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Falk Wiedemann

Falk Wiedemann ist promovierter und habilitierter Neurologe und ein Mann mit vielen Hobbys. Er schnitzt, gärtnert, kocht, doch Motorradfahren ist seine größte Leidenschaft. Manche kennen ihn auch unter seinem Spitznamen ›Doc‹, denn er ist offizielles Mitglied und Secretary der City Rats MFG. Inter.Vista erzählt er, wie die Motorradfahrgemeinschaft funktioniert, weshalb er nach Magdeburg kam und wie Biker so ticken.

Interview und Fotos: Celine Rebling

Celine Rebling, Inter.Vista

Ursprünglich stammst Du aus dem Vogtland. Wie kam es, dass Magdeburg zu Deinem Studienort wurde?
1988, also noch zu DDR-­Zeiten, fing ich mit dem Medizinstudium hier an. Damals konnte man sich noch aussuchen, wo man sich bewirbt. Nicht wie heute, wo es eine zentrale Zulassungsstelle gibt, durch die man möglicherweise dort einen Studienplatz bekommt, wo man gar nicht hin will. Ich wählte Magdeburg, weil es eine kleine medizinische Akademie gab, von der ich mir eine individuellere Betreuung versprach. Ich war nicht der Fleißigste und wusste, dass ich ein bisschen Druck und Überprüfung brauche. Durch die kleinen Seminargruppen mit etwa 20 Studenten war es dann eher wie Schule. Wir sagten aus Spaß immer die ›Sudenburger Arztschule‹.

Inter.Vista, Falk Wiedemann, Foto: Celine Rebling

Inter.Vista, Falk Wiedemann, Foto: Celine Rebling

Kannst Du uns mehr von Deinem beruflichen Weg erzählen?
Mein Studium beendete ich 1995. Weil mich am meisten die Neurologie interessierte, bin ich als Assistenzarzt in der Uniklinik geblieben und war in der Forschung aktiv. Meine Dissertation schrieb ich über Muskelkrankheiten. Ein Jahr lang arbeitete ich in New York. Da wurde auch meine größere Tochter geboren. Danach machte ich an der Uni meine Facharztausbildung und war auch als Hochschullehrer tätig. Später war ich siebeneinhalb Jahre als Oberarzt im Neurologischen Rehazentrum tätig. Dann bekam ich ein Angebot vom Helios Klinikum Jerichower Land in Burg. Jetzt bin ich als Facharzt für Neurologie für das Medizinische Versorgungszentrum Börde angestellt. Das erste Jahr hatte ich meine Praxis in Wanzleben. Da bin ich unabhängig und muss mir nicht von Geschäftsführern sagen lassen, was ich tun soll.

Du genießt die Freiheit also sehr?
Das kann man so sagen. Ich lasse mich nicht gerne reglementieren. Ich bin gerne bereit, von jemandem, der es besser weiß, was zu übernehmen. Aber das zeichnet auch einen Biker aus, sich nicht von jedem etwas sagen zu lassen und auch mal energisch ›Nein‹ zu sagen.

Wie wird man denn als Arzt zum Biker?
Das wollte ich schon immer. Die meisten, die mitmachen, wollten das schon als Schuljungen. Viele in der Biker-Szene sind in unserem Alter. Dreißigjährige gibt es da kaum noch, weil damals eine andere Zeit losging. Bei denen war Rockmusik nicht mehr so angesagt und auch dieser Mythos von Freiheit und Motorradfahren hatte ausgedient. Deren Mythos war Golf fahren. Wir fuhren früher mit Mopeds und Motorrädern rum und fanden die Geschwindigkeit klasse. Die Musik, die Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger bei uns lief, war Deep Purple, Led Zeppelin, Black Sabbath und andere. Die gefallen uns heute noch. Unser Konsens ist, dass wir Rockmusik mögen. Laut und wild. Und Motorradfahren. Und gerne wilde Partys feiern, ungezwungen sind und uns finanzielle Dinge nicht so wichtig sind. Dieser ganze Konsumkitsch spielt bei uns nicht so eine Rolle.

Als Arzt weißt Du noch ein bisschen besser Bescheid, über die Gefahren, die im Straßenverkehr lauern.
Daran denkt man beim Motorradfahren nicht. In meinem Berufsleben sah ich mehr Reit- als Motorradunfälle. Gerade was Schädel-Hirn-Verletzungen anbelangt, ist das nicht zu unterschätzen. Außerdem kann man auf einem Chopper nicht so rasen. Wenn man im Konvoi unterwegs ist, muss man vorsichtig fahren. Dort ist jeder für den anderen mitverantwortlich. Da passieren definitiv die wenigsten Unfälle. Die meisten geschehen bei Leuten, die sich ein Motorrad neu kaufen und dann einen auf › Strammen Max‹ machen. Zum großen Teil sind das auch ältere Leute, die sich ihren Traum erfüllen und mit 55 Jahren auf die Harley steigen. Motorradfahren ist, wie alles andere auch, eine Erfahrungssache.

»Ich halte mich nicht für den Nabel der Welt.«

Was macht ein motorradfahrender Arzt so in seiner Freizeit?
Eigentlich vieles. Kochen zum Beispiel. Wir haben auch einen sehr schönen Garten. Früher dachte ich nicht, dass Gartenarbeit ein Hobby sein kann. Wenn man das nicht als ›böse‹ Verpflichtung sieht, kann das sehr schön sein. Man sieht, was gedeiht und kann auch Skulpturen bauen und schöne kleine Ecken gestalten. Ich schnitze manchmal auch. Motorräder oder Ratten aus Holz. Weil ich aus dem Vogtland komme, liegt das sozusagen in meinen Genen.

Gibt es bei den City Rats MFG noch andere kreative Köpfe?
Ich bin nicht der Einzige, der bastelt. Zu meinem Geburtstag bekam ich zum Beispiel eine geschweißte Skulptur: Ein Arzt, der eine riesige Spritze hochhält und ein Opfer, dass vor ihm kriecht. Das sieht sehr witzig aus. Die habe ich sogar auf Arbeit auf dem Schrank stehen.

Inter.Vista, Foto: Celine Rebling

Inter.Vista, Foto: Celine Rebling

Wieso wolltest Du einem Biker Verein beitreten?
Zuerst hatte ich eine Honda, dann eine Kawasaki, dann kamen die Kinder. Also haben wir uns ein Auto gekauft. Als Studenten konnten wir uns das noch nicht leisten. In der Stadt macht es eigentlich auch
keinen Sinn, wenn man nicht unbedingt eins braucht. Aber wenn man ein Kind hat, ist das schon wichtig. Die Kawasaki fing in der Garage an zu rosten, also verkauften wir sie. Später kaufte ich dann eine Harley. Aber ich brauchte jemanden, mit dem ich fahren konnte. Die meisten meiner damaligen Freunde hatten daran kein Interesse. Also habe ich mich im Internet belesen und bin dann auf die City Rats gestoßen.

Warum hast Du Dich für die City Rats MFG entschieden? Immerhin gibt es in der Stadt noch andere Biker­Gruppen.
Die City Rats haben eine Homepage und ich rief den damaligen Präsidenten Peter an, ob ich mal vorbeikommen kann. Klar, hier könne jeder vorbeikommen. Dort stellte ich mich vor. Eine Frau, die offensichtlich eine Halbseitenlähmung erlitten hatte, kam auf mich zu und drückte mir freundlich ein Bier in die Hand. So unkompliziert bin ich als wildfremder Mensch selten empfangen worden. Die City Rats sagten einfach: Du bist hier willkommen. Und mein erster Gedanke war, dass in einer Gemeinschaft, wo Menschen mit einer Körperbehinderung so selbstverständlich integriert werden, keine ›bösen Leute‹ sind. Ich kam auch mit anderen schnell ins Gespräch und da war es klar für mich. Ein paar Wochen später, im Herbst 2013, habe ich den offiziellen Mitgliedsantrag gestellt.

»Wir fuhren früher mit Mopeds und Motorrädern rum und fanden die Geschwindigkeit klasse.«

Und seit wann bist Du offiziell dabei?
Seit April 2015. Ganz so schnell wird man nicht Mitglied bei einer Motorradfahrgemeinschaft.

Mittlerweile bist Du bei den City Rats MFG als Secretary tätig.
Ja, das hat sich so ergeben.

Welche speziellen Aufgaben bringt dieser Job mit sich?
Ich kümmere mich um die Website und zum Teil um die Außenrepräsentation. Ich führe Protokolle, mache Schrift- und Fotokram, wobei ich bei letzterem nicht der einzige bei uns bin.

Verwaltest Du auch Facebook? Dort seid Ihr auch recht aktiv.
Das macht größtenteils ›Eule‹. Ich bin nicht so facebookaffin. Da kommen mir auch zu viele Seitenschläge von Leuten, mit denen ich mich nicht identifizieren möchte. Wenn ich so die Freundschaftsanfragen sehe, da sind Leute dabei, mit denen will ich nicht in einem Boot sitzen.

Beim Stöbern auf Eurer Website ist mir aufgefallen, dass unter den Mitgliedern nur Männer aufgelistet sind. Gibt es keine weiblichen City Rats?
Das ist ein Männerverein. Wir stehen dazu. Es gibt ja auch eine Frauensauna. Da fragt auch keiner, warum da kein Mann rein darf. Das gehört zum Ritual und Spiel einfach dazu. Unsere Frauen sind trotzdem jederzeit komplett mit dabei. Sie dürfen alles. Sie sind nur nicht offiziell in der MFG.

Inter.Vista, Foto: Celine Rebling

Inter.Vista, Foto: Celine Rebling

Wir befinden uns gerade in der ›Rattenhöhle‹. Wie oft bist Du hier?
Oft an Freitagen zu den ›Clubabenden‹ und ein paar Mal im Jahr zu unseren größeren Partys. Insgesamt etwa zweimal im Monat. Das hier ist ein Raum, wo ich mich mit meinen Freunden treffen, Billard spielen und Rockmusik hören kann. Das ist hier eine reine Spaßveranstaltung. Wir machen das nicht aus geschäftlichen Gründen, sondern weil wir das gerne machen. Das hätte genauso eine Garage sein können. Aber das sprengt irgendwann den Rahmen.

Durch diverse Filme und Serien verbinden einige Leute negative Bilder mit der Biker­-Szene. Sie sehen in schwarze Kutten gekleidete Männer, die Randale machen und die ›bösen Buben‹ mimen. Wie begegnen Euch fremde Menschen?
Das ›Böse-Buben-Image‹ wird von den Medien gerne gepflegt. Auf der anderen Seite hast du Kultserien, die von der Romantik des Biker-Daseins zeugen. Den Medien ist es ganz recht, wenn man das ein bisschen als wild, düster und böse darstellt. Da ist seit Anbeginn viel Medienrummel dabei. Dass Biker oft ins Zwielicht gestellt werden, gefällt uns natürlich. Man wird mit Respekt behandelt. Nicht unbedingt mit Angst. Ich vergleiche das auch gerne mit der Diskussion um die Wölfe. Jeder findet Wölfe interessant und bewunderungswürdig. Es ist eigentlich cool, dass es die gibt. Aber alle haben ein bisschen Angst. Respekt sowieso. Und wenn einer von diesen Wölfen austickt, dann gibt’s ein ganz großes Geschrei, dass sie alle böse sind. Trotzdem geht eine Faszination davon aus. Ich finde, das trifft auch auf die Biker- und Rocker-Szene zu.

»Dieser ganze Konsumkitsch spielt bei uns nicht so eine Rolle.«

Inter.Vista, Falk Wiedemann, Foto: Celine Rebling

Inter.Vista, Falk Wiedemann, Foto: Celine Rebling

Obwohl Ihr das ›böse Buben‹Image genießt, tut Ihr trotzdem Gutes für Eure Heimatstadt. Was sind Eure sozialen Projekte?
Die City Rats zeigen der Stadt immer wieder, dass so eine Biker-Vereinigung in der Lage ist, Partys und Feste zu organisieren und dabei Kleinkultur zu fördern. Mit lokalen Bands zum Beispiel. Vor allem zeigen wir, dass die Szene freundlich ist, dass wir Rock’n Roll machen, ohne andere zu belästigen. Wir sind öffentlichkeitswirksam mit Aktionen, wie die Weihnachtsmarktausfahrt, wo die ganze Stadt jubelt, wenn wir durch die Straßen fahren. Wir haben viele Jahre für die Kinderkrebshilfe gespendet und letztes Jahr bei einer großen Ausfahrt zusammen mit Altblech einen Spendenaufruf für das Technikmuseum gestartet. Dabei kamen auch ein paar hundert Euro zusammen. 

Du hast die Weihnachtsausfahrt erwähnt, bei der Ihr in roten Kostümen zum Magdeburger Weihnachtsmarkt fahrt. Ist das mittlerweile eine Tradition?
Ja. Wir machen das jetzt seit fünf oder sechs Jahren. Wir haben sogar Süßigkeiten für die Kinder dabei. Die Leute stehen zwischen dem Hasselbachplatz und dem Uniplatz an der Straße Spalier und knipsen und die Kinder kreischen vor Vergnügen.

Damit erregt Ihr natürlich auch eine Menge Aufmerksamkeit. Stehst Du selbst gern im Mittelpunkt?
Das wäre gelogen, wenn ich nein sage. Wenn man Vorlesungen hält, muss man sich daran gewöhnen, von allen Leuten angeguckt zu werden. Ich halte mich nicht für den Nabel der Welt. Aber wenn es gilt, dass einer in der Mitte stehen muss und was sagt, bin ich gerne bereit dafür.

»Ich habe in meinem Berufsleben mehr Reit- als Motorradunfälle gesehen.«

Wir steht Ihr denn zu anderen ansässigen Biker­-Vereinen?
Respekt und Freundschaft. Wir haben hier in der Umgebung mehrere Clubs, mit denen wir befreundet sind. Wir sind aber eigenständig und unabhängig.

Haben die City Rats MFG einen Kodex?
Ja, den haben wir. Oberstes Gebot ist die Freundschaft untereinander. Es ist für uns selbstverständlich, den Namen der City Rats in jeder Situation würdig zu vertreten. Naja, klingt ein bisschen pathetisch. (lacht)

Januar 2019
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

Dr. med. habil. Falk Wiedemann wurde 1967 in Rodewisch im Vogtland geboren. Für sein Medizinstudium kam er 1988 nach Magdeburg. Obwohl er zwischendurch in der Welt herumgereist ist, in New York arbeitete, kam er immer wieder zurück und nennt die Stadt seitdem sein Zuhause. Sein Lieblingsort ist sein Garten am Haus, in dem er mit seiner Frau, seinen zwei Töchtern und seinem Hund lebt. Seit April 2015 ist Falk Wiedemann unter dem Spitznamen ›Doc‹ offizielles Mitglied der City Rats MFG, welche ursprünglich bei einer Faschingsfeier am 11.11.1995 gegründet wurde. Drei Männer entschieden damals, dass sie für ihre Motorradfahrgemeinschaft einen Namen brauchen. So entstanden die City Rats MFG. Für ›Doc‹ ist eine typische ›Ratte‹ gesellig, clever und ein bisschen dreckig.

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