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Benjamin Motzkus

Er weiß, wie es von der Idee eines Hinguckers zur Elbschaukel kam. Er mag es handfest, grün und idyllisch. Und er sieht im Pendeln kein Problem: Benjamin Motzkus. Im Interview mit Inter.Vista erzählt er Sachen, die ihr noch nicht über die Elbschaukel wusstet, warum es keine Bank wurde und warum es schön ist, sich auch mal zurückzulehnen und den ›Jungschen‹ zuzusehen.

Interview und Fotos: Jana Bierwirth

Auf Facebook nennst Du Dich »Onkel Ben«. Wie kommt’s?
Ich bin Onkel. Meine Schwester hat zwei süße Kinder. Ich war total euphorisch, als sie mir sagte, dass sie schwanger ist. Da wollte ich das bei Facebook sofort ändern. Ich durfte aber erst, als Anton, das erste Kind, geboren war. Da war ich so stolz, dass ich mich in Onkel Ben umbenannte. Ich bin eben ein Familienmensch.

Du arbeitest in Köln, wieso nicht in Magdeburg?
Nach meinem Maschinenbaustudium war ich drei Jahre lang selbstständig. Ich merkte aber, dass Selbstständigkeit nicht das Richtige für mich ist. Unverhofft kam dann das Jobangebot auf der Baustelle in Köln. Da ich ein praktischer Mensch bin und weniger Bürohengst, erschien mir das als die goldene Mitte. Ich kann im Büro arbeiten und an der Front auf der Baustelle mithelfen. Ich kann sehen was passiert, wie der Bau fortschreitet und bin direkt am Endkunden.

»Es war nie unsere Absicht, an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir wollten ­lieber im Hintergrund bleiben und uns nicht damit brüsten.«

Planst Du irgendwann zurückzukommen?
Wenn es für mich den entsprechenden Job hier gäbe, dann käme ich gerne zurück. Mein Herz schlägt immer noch für Magdeburg.

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

Wie kam es zu der Idee mit der Schaukel?
Das ist schon ein bisschen länger her. Wir haben einen Verein, den wir Tor 5 nennen. Irgendwann taten wir uns mit den Urbanpiraten zusammen. Daraus entstanden die Torbanpiraten. Damals war unter der Hubbrücke eine Outdoorkinoveranstaltung. Danach ging es mit Musik weiter. Wir überlegten, ob man hier nicht noch einen kleinen Hingucker platzieren könnte. Und dann kamen wir auf die Idee, eine Schaukel zu bauen.

Die Idee stand. Aber wie kam das Projekt dann ins Rollen?
Am Anfang war es ganz einfach. Mit einer Baubohle, Schaukelhaken und ein paar Seilen aus dem Baumarkt haben wir die erste Schaukel montiert. Wir ließen sie über Nacht hängen und am nächsten Tag war sie weg. Danach hingen wir sie erneut auf. Die Schaukel erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Sie hing dann auch eine Weile, bis Vandalen die Seile durchschnitten. Danach wurden wir angesprochen, ob wir die Schaukel nicht wieder hinhängen wollen. Diesmal mit Spendengeldern, die uns ermöglichten, eine massivere Schaukel zu bauen. Mehr Sicherheit und mehr Stabilität. Wir haben uns mit einem Tischler und mit einem Seilhersteller zusammengesetzt, mit denen wir die Möglichkeiten ausloteten.

Wie läuft das heute mit der Finanzierung?
Es fing an mit einer Crowdfunding-Aktion. Darum hatten wir gar nicht gebeten, aber die Leute wollten diese Schaukel und unterstützen uns finanziell. Heute finanziert sich alles nach wie vor durch Spenden. Unsere Ausgaben machen wir transparent. Wir selber wollen nichts dafür haben.

Habt Ihr die Schaukel nachts aufgehängt?
Das aller erste Mal haben wir es tagsüber gemacht. Da sagt keiner was. Wenn man so autoritär auftritt denken alle, dass das schon seinen Grund hat. Dreistigkeit siegt eben.

»Früher hatte man Zeit, aber kein Geld und heute haben wir Geld, aber keine Zeit mehr.«

Die Hubbrücke steht unter Denkmalschutz. Hattet ihr nicht Sorge, dass die Schaukel einfach wieder abgehängt werden könnte?
Vom Denkmalamt hätte was kommen können, aber da die Hubbrücke in privater Hand ist und wir keine baulichen Veränderungen vorgenommen haben, bekamen wir das mit einem Augenzwinkern durch. Man sagte uns sogar von offizieller Seite, dass unser Projekt toll ist.

Wurden jetzt Vorsichtsmaßnahmen getroffen, damit die Schaukel nicht wieder abgeschnitten werden kann?
Die ist jetzt richtig massiv. Ab und zu wird sie etwas beschädigt, aber da sie jetzt an einem Seil mit Stahlkern hängt, ist sie ziemlich schwer zu verwüsten. Einfach mit dem Taschenmesser kann man die nicht mehr durchschneiden. Die Ösen haben wir mit Schraubensicherungslack versehen. Wir können sie nicht so schützen, dass gar nichts mehr passiert. Aber wir hoffen auf den gesunden Menschenverstand, dass die Schaukel nicht mehr kaputt gemacht wird. Es ist unfair gegenüber denen, die die Schaukel gut finden. Wir müssen sie nur regelmäßig warten, damit es für alle sicher ist.

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

In einem Artikel der Volksstimme heißt es »die anonymen« Organisatoren. Warum wolltet Ihr anonym bleiben?
Wir haben uns immer ein bisschen schwer damit getan, zu sagen, wer wir sind. Es war nie unsere Absicht, an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir wollten lieber im Hintergrund bleiben und uns nicht damit brüsten. Da waren wir uns alle einig. Wir wollten einfach was cooles machen. Dass es so gut ankommt, damit hätten wir nie gerechnet.

Warum eine Schaukel und keine Bank?
Das hat sich irgendwie so mit der Brücke angeboten. Bänke gibt es schon so viele und eine Schaukel ist ein kleines Stück Kindheit. Wann geht man schon mal wieder schaukeln als Erwachsener? Schaukeln ist für alle Altersklassen. Wir hatten sogar die Idee von einer Schaukel-App, die einem anzeigt wo sich die nächste Schaukel befindet.

»Früher war ich grimmig, wenn Leute weggezogen sind.«

Plant Ihr noch mehr Schaukelprojekte?
Nein, denn wir wollten hier kein Schaukelparadies wie im Disneyland. Der Spot lebt davon, dass man eine Schaukel hat. Und mit der Kulisse ist sie auch schon irgendwie zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden.

Und wie sieht es mit weiteren kleinen Attraktionen für Magdeburg aus? Ist da was in Planung?
Schwierig. Wir hatten darüber anfangs nachgedacht, aber da wir keine Studenten mehr sind und jeder sein Berufsleben hat, ist das alles etwas eingeschlafen. Wir besinnen uns eher auf die Dinge, die wir mit Herzblut machen, wie das Draußenkino, das Fahrradkino oder das Tischtennisturnier. Es fehlt die Zeit. Wie heißt es doch gleich? Früher hatte man Zeit, aber kein Geld und heute haben wir Geld aber, keine Zeit mehr. Da ist was Wahres dran. Wir sind aber alle noch in Kontakt, trinken gerne mal ein Bierchen und spinnen uns ein paar Ideen zusammen. Aber es ist schön zu sehen, dass die Szene weiter aktiv ist. Zum Beispiel die Festival-Organisationstruppe von der OVGU. Es finden sich immer neue Leute, die sich dem annehmen und sich verwirklichen wollen. Und für uns ist es auch super, auf Veranstaltungen zu gehen und zu gucken, was die ›Jungschen‹ so machen. Dass ich den Spruch mal bringe. (lacht) Wir sind froh, dass wir das gemacht haben und der Stadt einen kleinen Stempel aufdrücken konnten.

Was fällt Dir als Erstes ein, wenn Du an Magdeburg denkst?
Zweite Chance.

Wieso zweite Chance?
Man muss Magdeburg auf dem richtigen Fuß erwischen. Wenn man einen falschen Einstieg hat, sieht man nur Plattenbau, alte verlassene Häuser und unfreundliche Menschen. Deshalb ist es für mich wichtig, auch eine zweite Chancen zu geben, um die Schönheit der Stadt kennenzulernen.

Was macht Magdeburg für dich so besonders?
Das Familiäre. Wenn man hier aufgewachsen ist, dann kennt man die Leute. Es ist so eine Verbundenheit, wenn man auf Veranstaltungen geht. Wie ein großes Klassentreffen. Man ist hier verwurzelt. Magdeburg hat auch eine schöne Lebensgröße. Manche vermissen hier das Großstadtflair, aber ich gar nicht. Wir haben unsere Innenstadt, den Hasselbachplatz, den Stadtpark. Die Elbe macht natürlich auch viel aus. Früher war ich grimmig, wenn Leute weggezogen sind. Ich dachte, die Leute lassen die Stadt im Stich. Aber viele sind wiedergekommen.

Welche besonderen Ziele hast Du für Dein Leben?
Glücklich werden und eine Familie gründen. Mit einem Haus tue ich mich schwer. Ich würde lieber etwas Altes renovieren. Ich brauche keinen Luxus wie einen Audi Q5 vor der Haustür. Ich habe mir vor zwei Jahren eine Bulli T4 (VW-Bus, Anm. d. Red.) gekauft. Mittlerweile habe ich ihn durch die Reparaturen zweimal bezahlt. Es ist ein altes Auto, aber es ist mir ans Herz gewachsen. Für mich sind die kleinen Dinge besonders.

»Mein Herz schlägt immer noch für Magdeburg.«

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

Inter.Vista, Benjamin Motzkus, Foto: Jana Bierwirth

Wo hältst Du Dich in Magdeburg am liebsten auf?
Ich bin am liebsten in unserem Schrebergarten. Wir hatten das Glück, dass wir einen Garten auf der Festungsanlange bekommen haben. Super zentral, hinten am Bahnhof. Wir sind zehn bis 20 Leute, die alle mit anpacken. Dort ist immer was los. Jeder kann das machen, was er möchte. Wir finanzieren das über eine gemeinsame Gartenkasse. Der Garten ist auch der Grund, warum ich jedes Wochenende aus Köln herkomme. Da der Garten direkt am Bahnhof liegt, gehe ich manchmal gar nicht erst nach Hause. Der Garten ist 250 Quadratmeter groß und auf verschiedenen Ebenen mit perfekter Aussicht auf den Dom. Wir haben dort auch schon zwei Gartenkonzerte organisiert. Unter der Festung ist jetzt nach und nach eine kleine Tischlerwerkstatt entstanden, wo wir auch mal schöne Projekte realisieren können. Das ist unser kleines Idyll.

»Man muss Magdeburg auf dem richtigen Fuss erwischen.«

Wie würdest Du Dich selber beschreiben?
Zuverlässig, pflichtbewusst, ein bisschen penibel, liebenswert, fröhlich, sehr rational, aber auch ein bisschen emotional, hilfsbereit und manchmal denke ich zu viel nach. Ich bin eine Frohnatur und sehe immer das Positive.

Was ist das schönste Kompliment, das Du bisher bekommen hast?
Wenn mir meine Freundin sagt, dass sie mich liebt. (lacht)

Mai 2017
Interview aus INTER.VISTA 5

Vista.Schon?
Benjamin Motzkus ist 1985 in Magdeburg geboren und hat Maschinenbau studiert. Seine Heimat verlässt er seit 2016 werktags für den Job. Er kommt aber jedes Wochenende für sein kleines Idyll zurück nach Magdeburg. Außerdem hat er die Liebe in Magdeburg gefunden. Seine Freundin zog aus Hamburg hierher. Er beschreibt sich selbst als eine penible Frohnatur und gibt gerne eine zweite Chance. 

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