Die Ottojaner, so heißt Magdeburgs Karnevalsverein, der versucht, die Tradition wieder aufleben zu lassen. Eine Tradition, von der viele nicht wissen, dass sie auch hier vor Ort existiert. INTER.VI STA erzählt Patrick Möhring, wie er zu den Ottojanern kam, wie sich das mit dem Tanzen und Entkleiden vor Publikum anfühlt und welche Kamelle in Magdeburg angesagt ist.
Interview und Fotos: Anna Kaiser
Alaaf oder Helau?
Alaaf.
Wie ist es dazu gekommen?
Den Verein gibt es jetzt seit 1954 und damals gab es eben auch die Orientierung am Rheinischen Karneval. Die genauen Ursprünge kenne ich nicht, aber bei uns sagt man Otto Alaaf. Befreundete Vereine sagen auch Helau, also das ist kein regionales Ding.
Was bedeutet der Karneval für Dich persönlich?
Zur Schulzeit war es für mich nur das Verkleiden und Spiele spielen. Jetzt steht die Feier im Vordergrund und inzwischen ist es noch viel mehr. Es ist das Vereinsleben, es sind Auftritte wie auf dem Weihnachtsmarkt oder am 11. November, als wir durch die Stadt zogen. Nach der Veranstaltung im Februar gibt es ein Abschlussessen, da sieht man alle wieder, auch die Künstler sind eingeladen. Wir versuchen, die Tradition aufrecht zu erhalten, die in Magdeburg beinahe verschwunden war.
»Mittlerweile habe ich keine Hemmungen mehr, mich vor hunderten Leuten zu entkleiden.«
Apropos 11. November, wie genau sieht der bei Euch aus?
Zwischenzeitlich war es so, dass wir den 11. November nur noch intern feierten, alle zusammen in unserer Stammkneipe. 2017 waren wir wieder öffentlich präsent und zogen durch die Stadt. Die Jahre davor hatten wir einen Stand auf dem Unigelände, wo wir Waffeln und Glühwein verteilten. So versuchten wir, auf uns aufmerksam zu machen. Mit dem Umzug gelang uns das dieses Jahr besser.
Wie bist Du denn auf den Verein aufmerksam geworden?
Durch eine Jungentanzgruppe. Die Choreografin, eine ehemalige Klassenkameradin, fragte mich, ob ich Lust hätte mitzumachen. Dadurch kam ich überhaupt erst zum Karneval und es machte mir Spaß. Der Verein stand damals kurz vor der Auflösung. Aber wir versuchten es nochmal und langsam ist auch ein Aufwärtstrend erkennbar.
Um welche Tanzgruppe handelt es sich?
Um die Boygroup. Viele kennen vielleicht das Männerballett. Ältere Herren oder Männer mit Bäuchen, die in Frauenklamotten tanzen. In der Boygroup sind wir jedoch jüngere Vertreter und es ging auch mehr in Richtung professioneller Tanz. Da es etwas Besonderes sein sollte, ziehen wir uns dabei à la Chippendales aus. Die ersten Male hatte ich noch Bammel, da es sehr ungewohnt war und tanzen eigentlich auch nicht so mein Ding ist. Mittlerweile habe ich keine Hemmungen mehr, mich vor hunderten Leuten zu entkleiden.
Beschreib doch mal Deine erste Begegnung mit dem Karneval.
In der Grundschulzeit kannte ich es eher unter dem Begriff Fasching. Da unterschied ich das noch, obwohl es das Gleiche ist. Zum richtigen Karneval kam ich erst nach der Schulzeit, als ich bei der Tanzgruppe anfing. Zuvor war es nur das Verkleiden, was erst nicht so mein Ding war. Aber jetzt macht es mir Spaß.
Wieso trittst Du einem Karnevalsverein bei, wenn verkleiden nicht Dein Ding ist?
Das kam, nachdem ich schon zwei Jahre mitgetanzt hatte. Ich stand ja selbst auf der Bühne und erlebte mit, dass die Leute nicht in Scharen ankamen. Wir bemühten uns, dass überhaupt jemand kam. Die Vereinsmitglieder lernten wir dadurch besser kennen und ich trat dann ein. Wir versuchten das ganze Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Der Karneval ist eine Tradition, die nicht so einfach fortgegeben werden darf.
Das heißt, es gab mal eine Zeit, in der die Auflösung der Ottojaner anstand?
Ja, vor vier Jahren. Das war der erste Karneval bei dem es hieß, dass wir danach wahrscheinlich aufhören, weil der Nachwuchs fehlt. In den Achtzigern und Neunzigern wurde der Karneval auch hier in Magdeburg sehr groß gefeiert. An einem Wochenende gab es bis zu vier Veranstaltungen, die alle ausverkauft waren. Das hat nachgelassen. Ob es an mangelndem Engagement oder zu wenigen Mitgliedern liegt, weiß ich nicht, aber wir sind wieder dabei uns etwas aufzubauen.
»In den Achtzigern und Neunzigern wurde der Karneval auch hier in Magdeburg sehr groß gefeiert. An einem Wochenende gab es bis zu vier Veranstaltungen, die alle ausverkauft waren.«
Also geht es Euch eher um die Veranstaltung als um den Straßenkarneval?
Genau. Rosenmontag fahren wir zum Umzug nach Köthen. Um so etwas selbst zu organisieren, haben wir nicht genug Mannkraft. Wir belassen es momentan bei einer Veranstaltung im AMO Kulturhaus, das können wir stemmen. Das ist aber auch mehr Arbeit als vorher. Wir wollen jetzt zusehen, dass wir das AMO möglichst voll bekommen.
Kommen denn zum Umzug auch gezielt Leute aus Magdeburg?
Gute Frage. Naja, es stehen sehr viele Leute an der Straße, aber wie viele da jetzt aus Magdeburg sind, weiß ich nicht. Ich persönlich kenne ein paar Leute aus Köthen, die am Rosenmontag dorthin fahren. Außerdem ist es ja auch kein Feiertag und die Leute müssen eigentlich arbeiten. Oft sind auch Köln und Düsseldorf immer noch beliebter, um den Karneval live mitzuerleben.
Ja, auch wegen der Kamelle. Was kann man denn bei Euch fangen?
Wir haben große Säcke mit Bonbons. Vielleicht geben unsere Sponsoren auch noch Sachen, die wir runterschmeißen können. Auf dem Wagen haben wir natürlich auch alkoholische Getränke für uns. Teilweise sind auch befreundete Vereine mit auf unserem Wagen. Gommern zum Beispiel, die sind für ihren Gommeraner Gurkenschnaps bekannt. Das sind Besonderheiten, die, nicht runtergeworfen, aber runtergegeben werden. (lacht) Bei uns ist das nicht unbedingt so wie man es aus dem Fernsehen kennt, mit aufwendig gebastelten, satirischen Bildchen an den Wagen. Beim Umzug ist es eher so, dass Leute mit Treckern oder LKWs mit Hängern durch die Stadt fahren.
Welche Altersklassen sprecht Ihr an?
Beim Umzug sind viele Eltern mit ihren Kindern dabei. Bei unseren Veranstaltungen wollen wir natürlich möglichst viele Altersgruppen ansprechen. Die ältere Generation kommt zu uns, weil sie das Programm mögen. Deshalb ändern wir prinzipiell nicht sehr viel daran. Aber wir wollen natürlich auch Leute zwischen 20 und 40 Jahren ansprechen. Wir machen eben keinen, wie wir so schön sagen, Schunkelkarneval sondern Unterhaltungskarneval. Mit Tänzern, Akrobaten und anderen Nummern, aber aktuell ohne große Büttenreden. Wir hatten mal welche drin und die waren auch sehr gut. Auch wenn die letzten Veranstaltungen ohne auskommen mussten, sind in Zukunft wieder welche geplant. Trotzdem versuchen wir, in anderen Programmpunkten politische oder gesellschaftliche Probleme anzusprechen oder diese auch ein wenig in den Dreck zu ziehen. Denn das ist ja ein Ursprungsgrund für den Karneval.
Wie hat sich Dein Privatleben verändert, seit Du dem Verein beigetreten bist?
Im Vorstand zu sein heißt, viel lenken, organisieren und die Arbeitszeiten danach planen. Ich spiele auch noch Handball in einem Verein und oft hatte ich am Veranstaltungstag auch ein Spiel. Da musste ich einen goldenen Mittelweg finden, um alles unter einen Hut zu bringen. Natürlich wollte ich auch meine Teamkollegen, Mitbewohner und Freunde motivieren mal vorbeizukommen, was schwierig ist, weil viele eigene Pläne haben. Aber 2018 haben wir kein Spiel und ich würde mich freuen, wenn ein paar Leute mitkommen.
Wurde es Dir schon mal zu viel?
An dem Punkt, dass es wirklich so weit ist, war ich noch nicht. (lacht) Es gibt Zeiten, wo manchmal viel zueinander kommt. Sport oder Anderes fällt dann halt mal aus. Der Karneval wird auch manchmal hinten angestellt, weil er eben nur ein Hobby ist. Aber ich setze mich abends hin, beantworte Emails oder organisiere noch was, so viel Priorität hat er dann doch. Mir macht das Ganze ja auch Spaß.
Wie begeistert sind die Magdeburger denn vom Karnevalstreiben?
Also wahrscheinlich fehlt einfach das Interesse oder vielleicht auch das Wissen, auch bei den Studenten, obwohl wir immer noch ein Studentenkarnevalsverein sind. Auch aufgrund von mangelnden Werbemaßnahmen geriet das alles ein bisschen in den Hintergrund. Wir hoffen, dass wir durch unseren neuen Sponsor, dem Betreiber des FCM-Fanshops, mehr Anklang und Aufmerksamkeit bekommen. Prinzipiell ist das Magdeburger Publikum ja nicht abgeneigt. Das sieht man an anderen Veranstaltungen wie den Mückenwiesen. Unsere Veranstaltung hat sich auch schon rumgesprochen, aber der erste Anstoß fehlt noch.
Karneval führt ja auch zum Fasten hin. Machst Du das auch?
Nein. (lacht) Dazu bin ich dann doch nicht Karnevalist genug. Den Glauben habe ich auch nicht. Also mir fehlt dazu die Grundlage.
Hast Du einen Geheimtipp, um in Magdeburg richtig gut essen zu gehen?
Um die Leiterstraße herum finde ich es recht interessant. Am Domplatz oder eher in den Gebäuden davor sind auch zwei sehr gute Steakhäuser. Der Bereich vom Hasselbachplatz bis zum Uniplatz hat viele Restaurants, die gutes Essen anbieten. Teilweise auch für einen guten Preis. Ich würde mich nicht auf eins festlegen wollen. Wenn es um Restaurantbesuche geht, dann möchte ich immer mal ein bisschen Abwechslung haben.
Dezember 2017
Interview aus INTER.VISTA 6
Vista.Schon?
Patrick Möhring wurde 1990 in Magdeburg geboren und ist in Barleben aufgewachsen. Er studierte an der Otto-von-Guericke-Universität und machte dort seinen Master zum Wirtschaftsingenieur. Derzeit arbeitet er in einem Ingenieur-und Sachverständigenbüro in Magdeburg. Seit ungefähr sechs Jahren ist er Mitglied der Ottojaner und mittlerweile auch der Stellvertretende Präsident des Karnevalvereins. Ein weiteres Hobby ist für ihn der Handball, weshalb er für den FSV 1895 Magdeburg spielt. Magdeburg ist für ihn ›die Heimat‹, grün und anders. Sein liebster Ort ist der Stadtpark.
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.