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Nils Butzen

»Wir wollen Blau-Weiß siegen sehen« hallt es von den Rängen des Stadions. Und einer, der weiß wie es ist, zu gewinnen, steht unten auf dem Platz. Nils Butzen ist seit sieben Jahren beim 1. FC Magdeburg. In dieser Zeit hat er mit dem Verein viel erlebt – vom letzten Tabellenplatz bis zum größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte. Inter.Vista verrät er, warum er keine Vorbilder hat, erzählt von seinen schönsten Momenten im blau-weißen Trikot und seinem besonderen Ritual vor jedem Spiel.

Interview und Fotos: Tobias Barthel

Nils, du bist mit einem Marktwert von 325.000 Euro der drittwertvollste Spieler im Team. Was geht dir durch den Kopf, wenn du hörst, dass Paul Pogba für über 100 Millionen Euro Ablöse den Verein wechselt?
Letztens habe ich gerade erst mit einem Kollegen über das Thema gesprochen. Wir haben uns gefragt, ob das überhaupt noch Relationen sind, die für einen Verein Sinn ergeben. Er ein sehr beliebter Spieler und auch eine Werbefigur. Da könnte sich das durch die Trikotverkäufe für Manchester United sogar rechnen. Durch die steigenden Einnahmen der Vereine ist das wahrscheinlich eine legitime Entwicklung. Ich finde ihn fußballerisch gut, aber weiß nicht, ob die Höhe der Ablöse wirklich angemessen ist.

Wann kam bei dir das Interesse für Fußball auf?
Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Da meine Familie schon immer fußballbegeistert war, wurde mir das sozusagen in die Wiege gelegt. Ich habe aber erst mit neun Jahren angefangen, im Verein zu spielen. Aus heutiger Sicht ist das relativ spät.

»Heute bin ich froh, dass ich das Glück hatte, nach Magdeburg zu wechseln.« 

Warst du damals Fan eines bestimmten Vereins?
Familienbedingt war ich Fan von Borussia Dortmund, aber das hat sich mittlerweile gelegt. Ich glaube, je höher man selbst spielt, desto mehr verliert man die Faszination für einen anderen Verein. Ich schaue mir die Spiele ab und zu an, aber die Zeiten, in denen ich mit Dortmund-Trikot rumgelaufen bin, sind vorbei

Inter.Vista, Nils Butzen: Spieler beim 1. FC Magdeburg, Foto: Tobias Barthel

Inter.Vista, Nils Butzen: Spieler beim 1. FC Magdeburg, Foto: Tobias Barthel

In einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung sagtest du, dass du keine Vorbilder hast, es aber Menschen gibt, die dich inspirieren. Wen genau meinst du damit?
Aus fußballerischer Sicht ist das beispielsweise Philipp Lahm. Auch gerade bei seinem Umgang mit den Medien ist er ein positives Beispiel. Er ist ein Spieler, den man auch nach einer 0:6-Niederlage zum Interview schicken kann und er analysiert trotzdem alles sachlich. Den Begriff Vorbild finde ich immer schwierig, weil man sich dann darauf einschießt, genau wie diese Person zu werden. Das funktioniert einfach nicht.
Cristiano Ronaldo inspiriert mich mit seiner Professionalität. Ich finde gut, dass es Spieler gibt, bei denen man merkt, dass sie sich alles selbst erarbeitet haben. Dafür, dass sie immer ihre Leistung bringen, verzichten solche Spieler auf sehr viel.

Oftmals sind die Offensivspieler einer Mannschaft diejenigen, die die meiste Aufmerksamkeit der Fans erhalten. Warum hast du dich entschieden, Verteidiger zu werden?
Es ist schon so, dass man als Verteidiger nicht die Aufmerksamkeit wie ein Angreifer bekommt. Früher wollten alle Stürmer werden. Aber es hat sich dann so entwickelt, dass ich einfach ein besserer Verteidiger war. Für meine Begriffe habe ich auf meiner Position auch eine größere Chance, irgendwann höherklassig zu spielen. Es werden eben Außenverteidiger gesucht. Das sieht man auch aktuell bei der deutschen Nationalmannschaft. Ich habe mir die Position nicht ausgesucht, spiele sie aber im Männerbereich schon jahrelang.

Du kamst 2009 aus Mühlhausen nach Magdeburg. Warum hast du dich dazu entschieden, zum 1. FCM zu wechseln?
Das ist eine lustige Geschichte. Mein Kumpel und damaliger Mannschaftskollege rief mich abends an und sagte, dass er sich zum Probetraining beim FCM angemeldet hat und ich das doch auch machen soll. Also meldete ich mich über ein Online-Formular an und wir wurden zum Probetraining eingeladen. Relativ schnell stand fest, dass wir es beide in den Kader geschafft haben. Für mich war es ein Traum, bei einem Verein zu spielen, der eine gewisse Ausstrahlung hat. Erfurt und Jena wären naheliegender gewesen, aber bei denen bin ich immer durch das Raster gefallen. Heute bin ich froh, dass ich das Glück hatte, nach Magdeburg zu wechseln.

»Als ich zum ersten Mal die Elbbrücken überquerte, fragte ich mich, ob das zwei verschiedene Flüsse sind.«

Was wärst du geworden, wenn es mit dem Profifußball nicht geklappt hätte?
Wahrscheinlich hätte ich ein Studium angefangen. Ich wäre dann vielleicht in die Richtung BWL gegangen. Aber zum Glück hatte ich vor meinem Abitur schon einen Vertrag für die 1. Mannschaft unterschrieben. Dadurch war für mich klar, dass ich nach meinen bestandenen Prüfungen Fußball spielen kann.

Wie war dein erster Eindruck von Magdeburg?
Bei der Fahrt zum Probetraining kam mir die Stadt riesig vor. Als ich zum ersten Mal die zwei Elbbrücken überquerte, fragte ich mich noch, ob das vielleicht zwei verschiedene Flüsse sind. Damals hatte ich noch gar keine Orientierung. Mittlerweile ist alles vertraut.

Hast du noch oft Zeit, deine Familie zu besuchen? Kommt deine Familie oft zu Besuch und unterstützt dich bei den Spielen im Stadion?
Da es bei uns in der Mannschaft immer die gleichen Abläufe gibt, sind meine Besuche in der Heimat selten. Den zweiten Tag nach jedem Spiel haben wir frei. Weil wir aber schon wieder am nächsten Morgen trainieren und ich für Hin-und Rückweg vier Stunden brauche, wäre es für mich kein Tag, den ich in Ruhe verbringen und zur Regeneration nutzen kann. Daher bin ich vielleicht alle zwei Monate in der Heimat. Meine Familie kommt aber zu jedem Heimspiel, und teilweise auch zu Auswärtsspielen. Ich sehe sie also relativ oft.

Was unternimmst du in deiner Freizeit abseits des Trainingsplatzes?
Ich gehe oft mit den Jungs essen. Ab und zu unternehmen wir auch etwas zusammen wie zum Beispiel Kino oder Go-Kart-Fahren. Ich war auch schon mal im Moritzhof und im Theater. Man muss auch mal was anderes machen, damit es nicht so eintönig wird.

Du warst auch bei der Junimond-Convention als DJ aktiv. Hast du sowas schon öfter gemacht?
Ich interessiere mich für Musik, aber als DJ war das das erste Mal für mich. Ich fand es spannend, zu sehen, was ein DJ eigentlich macht. Das ist richtig kompliziert. Aber das war eine coole Aktion und ich hatte viel Spaß. Trotzdem bleibe ich lieber beim Fußball.

Mittlerweile bist du ein Publikumsliebling. Wie oft wirst du auf der Straße angesprochen?
Wenn ich durch die Stadt laufe, werde ich mindestens ein-oder zweimal angesprochen und nach Fotos gefragt. Ich bekomme auch oft mit, dass Leute mich erkennen, mich aber nicht ansprechen. Wenn ich einfach nur in Ruhe essen möchte, finde ich es schön, dass Leute darauf Rücksicht nehmen. Aber natürlich freue ich mich, dass die Leute sich für mich interessieren. 

»Am schlimmsten ist immer die erste Nacht nach einem verlorenen Spiel. Da schläft man sehr schlecht.«

Du hast in den sozialen Netzwerken deine eigenen Fanseiten. Schaust du dir die Beiträge der Fans an?
Ja, regelmäßig. Bei den vielen Nachrichten ist das nicht ganz so einfach. Wenn ich es schaffe, versuche ich, auf alle Nachrichten zu antworten, aber manchmal fällt auch etwas hinten runter. Ich bin auch eine Privatperson und kann nicht mit jedem ein persönliches Gespräch aufbauen.

Inter.Vista, Nils Butzen: Spieler beim 1. FC Magdeburg, Foto: Tobias Barthel

Inter.Vista, Nils Butzen: Spieler beim 1. FC Magdeburg, Foto: Tobias Barthel

Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Ich bin ein ruhiger und bodenständiger Typ. Mit den richtigen Leuten, mit denen ich mich wohlfühle, kann ich auch mal lauter werden. Dann kann ich auch ein Spaßvogel sein. In den letzten Jahren habe ich gelernt, mich auch außerhalb des Fußballs professionell zu verhalten. Ich weiß nicht, ob das mit dem Alter zu tun hat, oder einfach nur damit, dass ich kapiert habe, worum es geht. Weil ich so ruhig bin, schätzen mich andere Menschen manchmal als arrogant ein. Das wird aber vollkommen falsch gedeutet. Arrogant bin ich überhaupt nicht.

Man kann als Fußballer nicht jedes Spiel gewinnen. Wie lange hast du an einer Niederlage zu knabbern und was hilft dir dabei, diese zu verarbeiten?
Niederlagen sind nie schön. Am schlimmsten ist immer die erste Nacht nach einem verlorenen Spiel. Da schläft man sehr schlecht. Wenn ich selbst eine schlechte Leistung gebracht hat, denke ich darüber zusätzlich nach. Dann dauert das schon zwei bis drei Tage. So richtig abgeschlossen ist das erst, wenn wir die Videoauswertung zum Spiel gemacht haben. Ich bin sowieso jemand, der viel über seine eigene Leistung nachdenkt. Das hat aber auch etwas Gutes, weil ich so lerne, meine eigene Leistung zu reflektieren.

Hast du ein bestimmtes Ritual vor jedem Spiel?
Als Mannschaft haben wir vor jedem Spiel den gleichen Ablauf. Ich persönlich habe die Angewohnheit, beim Anziehen von Strümpfen, Schienbeinschonern und Schuhen immer mit der linken Seite anzufangen und betrete auch den Platz immer zuerst mit dem linken Fuß. Das hat sich in meinem Kopf irgendwie so festgesetzt.

»Es gibt als Fußballer nichts schlimmeres, als sich jede Woche das Spiel von der Tribüne aus anzusehen.«

Du hast hier beim FCM erfolgreiche Zeiten erlebt, aber auch Saisons, in denen es nicht gut lief. Wie hast du dich während dieser Zeit persönlich weiterentwickelt?
Für mich ging es denkbar schlecht los. Während meiner ersten Saison in der 1. Mannschaft hatte ich vier verschiedene Trainer und am Ende der Saison sind wir Letzter geworden. Danach ist man einfach durch.

Das hat mich dazu gebracht, dass ich jetzt jeden Sieg noch mehr genieße und Erfolg zu schätzen weiß, weil ich ja auch erfahren habe, wie es ist, wenn man von den Zuschauern ausgepfiffen wird und die Fans nicht mehr hinter der Mannschaft stehen. Es gab es auch eine Saison, in der ich nur einen Einsatz über 31 Minuten hatte. Da habe ich kapiert, dass ich um meinen Platz in der Mannschaft kämpfen muss. Es gibt als Fußballer nichts Schlimmeres, als sich jede Woche das Spiel von der Tribüne aus anzusehen.

»Beim Abpfiff in Offenbach hatte ich ein Gefühl von Zufriedenheit, das ich bis heute nicht wieder gespürt habe.«

Was waren die schönsten Momente, die du bis jetzt im blau-weißen Trikot erlebt hast?
Das Aufstiegsjahr. Als wir zwischenzeitlich mit 11 Punkten Rückstand fast weg vom Fenster waren. Dann kam die Aufholjagd und das Spiel gegen Hertha BSC II, in dem wir die Meisterschaft klar gemacht haben. Anschließend folgten noch die Relegationsspiele gegen Offenbach mit den ganzen Emotionen. Wenn ich die Videos von diesen Spielen sehe, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Mein Körper versetzt sich dann nochmal in diese Situation. Ich habe dann immer im Hinterkopf, wie ich mich damals gefühlt habe. Ich war noch nie so nervös, wie vor diesen Spielen. Drei Stunden vor dem Spiel saßen wir alle angespannt beim Essen und keiner hat irgendwas gesagt, weil es für den Verein und die Fans einfach um so viel ging. Beim Abpfiff in Offenbach hatte ich ein Gefühl von Zufriedenheit, das ich bis heute nicht wieder gespürt habe. Mit der anschließenden Aufstiegsfeier waren das die schönsten Momente, die ich mit der Mannschaft erlebt habe.

Der FCM befindet sich in der zweiten Drittliga-Saison. Welche Ziele hast du für die aktuelle Saison?
Mein persönliches Ziel ist es, mich immer zu verbessern. Das hört sich zwar an wie eine Phrase, aber wenn jeder so denkt, wird auch die ganze Mannschaft besser. Außerdem habe ich mir vorgenommen, noch mehr Spiele als in der letzten Saison zu bestreiten (2015/16: 32 Spiele; Anm. d. Red.). Ich versuche natürlich, von Verletzungen verschont zu bleiben und den Trainer davon zu überzeugen, mich so oft wie möglich aufzustellen. Das große Ziel der Mannschaft ist es, in keiner Phase der Saison etwas mit dem Abstieg zu tun zu haben.

Wo siehst du den Verein in der Zukunft?
Ich denke schon, dass es das Ziel sein kann, in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Um das ernsthaft anzugehen, fehlt es aber noch an Strukturen. Von daher wäre ein erneuter Aufstieg in der letzten Saison wahrscheinlich zu früh gekommen. Aber mittelfristig ist das sicherlich das Ziel.

August 2016
Interview aus INTER.VISTA 3

 

Vista schon?
Nils Butzen, Jahrgang 1993, wurde in Mühlhausen in Thüringen geboren. Der Rechtsverteidiger trägt die Rückennummer 16 und kam 2009 von Union Mühlhausen zum 1. FC Magdeburg. Dort ist er seit 2011 im Profikader und damit aktuell der dienstälteste FCM-Akteur. 2015 stieg er mit dem FCM von der Regionalliga Nordost in die 3. Liga auf. Sein Lieblingsort in Magdeburg ist die Strandbar. Die Stadt in drei Wörtern beschreibt er als sympathisch, grün und sportbegeistert.

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