Hundeführerin bei der Polizei Sachsen-Anhalt und Ur-Magdeburgerin. Karin Meyer spürt mithilfe ihres vierbeinigen Partners Xerxes Sprengstoff, Waffen und Munition auf und war bereits 2007 beim G8-Gipfel im Einsatz. Welche Orte sie in ihrer Heimatstadt am meisten schätzt, inwiefern Fußball ein großes Thema in ihrem Job ist und wie sie am liebsten ihren Feierabend verbringt, erzählt sie uns im Interview. Und welche Eigenschaften musste eigentlich Xerxes mitbringen, um Polizeihund zu werden?
Interview und Fotos: Julian Seemüller und Katharina Gebauer
Angenommen, ich würde plötzlich ein Messer ziehen und Sie angreifen, wie würde der Hund reagieren?
Er würde mich verteidigen, auch ohne entsprechendes Kommando meinerseits. Dazu wurde er ausgebildet. Auch wenn ich nicht in der Lage bin, den Befehl zum Angriff zu erteilen. Sie entscheiden in einer Situation wie dieser selbst, ob Verteidigung geleistet werden muss.
Wie heißt Ihr Hund?
Xerxes.
Wie viele Diensthunde hatten Sie vor Xerxes?
Das ist mein zweiter. Eine weitere Diensthündin habe ich gerade in Ausbildung.
Wie finden Hund und Hundeführerin zusammen?
Wir bekommen eine Mitteilung, dass ein Hund bereitsteht. Den gucken wir uns dann beim Züchter oder Hundeverkäufer an. Anschließend wird vorgeführt, was der Hund alles kann. Dabei müssen die polizeilichen Standards erfüllt werden. Und natürlich spielt auch die Sympathie eine große Rolle. Wenn man merkt, dass das Verhältnis gar nicht passt, kann man es auch lassen. Um sicher zu gehen, gibt es eine Probezeit von vier Wochen. In diesem Zeitraum wird dann überprüft: Ist der Hund gesund? Macht er, was von ihm gefordert wird? Und vor allem: Stimmt die Chemie?
Welche Hunderassen eignen sich besonders für die Polizei?
Hauptsächlich werden die Rassen deutscher und belgischer Schäferhund geführt.
Auf welche Kriterien wird bei der Auswahl der Hunde geachtet? Wann taugt er etwas?
Erstmal muss der Hund gute Triebanlagen haben. Triebe sind die Motoren eines Hundes und bestimmen sein Verhalten. Für die Ausbildung ist vor allem der Spieltrieb wichtig. Dann schaut man auf Sachen wie die Umweltsicherheit des Hundes. Heißt: Der Hund sollte überall mit- und reinkommen. Er muss sich zurechtfinden in seiner Umgebung, da dürfen auch keine Abstriche gemacht werden. Natürlich sollte er auch nicht die Pfoten einziehen und wegrennen, sondern mich im Ernstfall verteidigen. Zuletzt der gesundheitliche Aspekt, der Hund muss in bester Verfassung sein. Wenn das alles stimmt, steht eigentlich nichts mehr im Weg.
Wie sieht die Ausbildung aus?
Die Ausbildung erfolgt von Anfang an mit dem Hundeführer. Zuerst gibt es eine vierzehnwöchige Ausbildung zum Schutzhund und parallel für uns zum Schutzhundeführer. Dabei wird der Fokus darauf gelegt, die Qualifikationen zu erlangen, generell einen Hund zu führen. Die Spezialisierung passiert dann in der zweiten Stufe, einer zwölfwöchigen Ausbildung, die auch wieder mit dem Hund zusammen vollbracht wird.
Einmal angenommen, ich hätte einen ›normalen‹ Hund zu Hause und möchte, dass er zum Polizeihund wird. Wie stehen die Chancen?
Genaue Zahlen habe ich nicht parat, aber man sollte niemals nie sagen. Wenn man der Polizei einen Hund anbietet, wird er erst einmal überprüft. Wenn er alles mitbringt, warum sollte er dann kein Polizeihund werden?
Auf was ist Xerxes spezialisiert?
Xerxes sucht und spürt Sprengstoff, Waffen und Munition auf.
Wieso genau darauf? Entscheidet sich das nach dem Bedarf bei der Polizei, nach Wunsch des Hundeführers oder nach den Eigenschaften des Hundes?
Bei mir war das so, dass ich eine Schutzhundeausbildung gemacht habe. Zu der Zeit wurden aber Sprengstoffhunde gebraucht. Also wurde entschieden, dass ich, solange mein Hund die Voraussetzungen dafür mitbringt, diese Richtung einschlage. Dabei bin ich dann geblieben. So funktioniert das auch in der Regel. Es wird geschaut, was gebraucht wird, und dann, welche Hunde sich dafür eignen.
Erinnern wir uns mal an die Krimiserie Kommissar Rex: Wie loyal und innig ist die Beziehung von Polizeihund und Herrchen tatsächlich?
Ich kann jetzt nur aus meiner Erfahrung sprechen. Xerxes kommt nach der Arbeit mit zu mir nach Hause und sobald er dort ist, kann er in der Familie, seinem Rudel also, Ruhe finden. Da kann man kuscheln. Aber mein Hund weiß auch: Im Einsatz ist er kein Familienhund mehr. Dann ist er in der Lage, wieder umzuschalten. Das können unsere Hunde gut voneinander unterscheiden. Und wenn er nicht mehr arbeitsfähig ist, aufgrund seines Alters oder der Fitness, bleibt er trotzdem mein Familienhund. Das nennt sich dann ›passiver Diensthund‹. Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen, wo der Hund nach seiner Laufbahn nicht beim Hundeführer bleiben kann.
Was haben Sie vor der Polizeiarbeit gemacht, wie kamen Sie hierher?
Ich war Elektronikfacharbeiterin. Bei uns im Betrieb wurden die jungen Kollegen entlassen. Meine Bewerbung bei der Polizei war eher eine spontane Sache. Der Beruf Polizist interessierte mich schon immer und zum Glück hat es dann auch funktioniert.
»Hundeführer und Hund bilden eine Einheit, sie sind unzertrennlich.«
Was reizt Sie konkret an Ihrem Beruf?
Mit den Menschen zusammen zuarbeiten. Der Polizeiberuf hat viele gute Seiten, denn ich kann hier erworbenes Wissen auch privat anwenden, bei Familienstreitereien zum Beispiel. Oder Bürger bedanken sich einfach und sagen: Gut, dass Sie da sind. Natürlich gibt es aber auch die andere Seite. Wenn dir einer gegenübersteht und meint, er müsse den großen Max machen. Es gibt, wie bei jedem Job, gute und schlechte Seiten.
Wann war der Weg zur Hundestaffel für Sie klar?
Zuerst war ich zwölf Jahre bei der Schutzpolizei. Ich bemerkte, dass mich die Arbeit mit Hunden reizt und ich ließ mich dann versetzen. Das funktionierte auch reibungslos.
Inwiefern hatten Sie bereits davor Erfahrung mit Hunden?
Zu Hause hatte ich einen kleinen Yorkie (Yorkshire Terrier, Anm. d. Red.). Der war aber nicht zu vergleichen mit unseren Polizeihunden. (schmunzelt)
Der technische Fortschritt macht auch vor der Polizei nicht halt, trotzdem bleiben Hunde ein altbewährtes Mittel. Woran liegt das?
Hunde sind flexibel. Gerade im Sprengstoffbereich probierte man viele Alternativen aus. Man hat beispielsweise Ratten in Kriegsgebieten eingesetzt, weil die leichter sind und so schnell nichts Explosives auslösen. Zurzeit werden technische Sensoren ausprobiert, die aber weder laufen noch klettern können, um Waffen, Munition und Sprengstoff zu finden.
Die Nase eines Spürhundes lässt sich also nicht künstlich nachbauen oder konstruieren?
Nein. So weit sind wir einfach noch nicht.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Einsatz?
Das war mit meinem ersten Diensthund, im Januar 2007. Da musste ich im Vorfeld des Neujahrsempfangs die Räumlichkeiten nach Sprengstoff, Waffen und Munition absuchen.
Und welcher war Ihr heikelster Einsatz?
2007 in Heiligendamm, beim G8-Gipfel. Da waren wir mit Sprengstoffhunden im Einsatz, haben aber angesichts der Situation auf Schutzhunde umgestellt. Brenzlig wurde es nämlich, als die Demonstranten über die Absperrung klettern wollten.
»Der Hund muss in bester Verfassung sein.«
Musste Xerxes zum Einsatz kommen?
Nein, zum Glück musste er nicht aktiv eingreifen.
Welche Einsatzbereiche sind hier in Magdeburg die Größten?
Der Fußball macht einen großen Teil aus, genauso wie Demonstrationen. Ansonsten kleinere Bereiche und eben normale Streifen.
Man hat den Eindruck, die Hemmschwelle gegenüber der Polizei ist gesunken. Inwiefern kann ein Hund da weiterhelfen?
Sie ist tatsächlich gesunken. Wir merken das besonders bei den Fußballeinsätzen. Da sind wir mit Schutzhunden vor Ort. Ein Hund sorgt in der Regel zusammen mit dem Dienstführer für mehr Respekt, als wenn die Einsatzkräfte allein unterwegs sind. Man merkt, dass dieser Respekt steigt, wenn ein Hund dabei ist. Gegenüber Polizisten ist er leider kaum noch vorhanden.
Thema Fußball: Mit Magdeburg bringt man vor allem den FCM in Verbindung. Wie anstrengend ist ein Einsatz am Stadion, wenn Spieltag ist?
Das kommt darauf an, welche Mannschaft zu Gast ist. Es gibt feindliche, neutrale und freundliche Mannschaften. Gewinnt eine feindliche Mannschaft, kommt es oft zu Ausschreitungen.
»Ein Hund sorgt in der Regel zusammen mit dem Dienstführer für mehr Respekt.«
Wir Menschen haben alle mal schlechte Tage. Wie sieht man das einem Hund an?
Tiere sind ja auch bloß Menschen. (lacht) Die haben auch mal einen schlechten Tag. Dann wollen die nicht so richtig, stehen einfach ein bisschen neben sich. Dann guckt man auch, ob vielleicht gesundheitlich etwas vorliegt.
Woran merkt man das?
An der gesamten Mimik. Ein Hundeführer sollte seinen Hund lesen können. Wenn die Ohren zur Seite stehen und der Hund nur trottet, kann man die Gestik interpretieren.
Erwächst daraus auch mal eine ›Beziehungskrise‹? Sie sind ja schließlich die meiste Zeit mit Ihrem Hund zusammen.
Natürlich kann das manchmal schwierig werden, aber solche Krisen werden überwunden. Aufgeben oder den Hund weggeben ist keine Option. Das wäre so, als wenn man das eigene Kind ins Kinderheim schickt. Xerxes gehört zur Familie. Hundeführer und Hund bilden eine Einheit, sie sind unzertrennlich.
»Im Einsatz ist er kein Familienhund mehr.«
Was machen Sie nach einem stressigen Tag auf der Arbeit?
Einfach eine große Runde mit dem Hund spazieren. Ein bisschen durch die Gegend laufen. Abschalten.
Wie hundefreundlich ist die Stadt Magdeburg? Welche Einschränkungen haben Sie hier erfahren?
Kaum welche. Ich gehe aber auch nicht mitten in der Stadt mit meinem Hund auf der Hauptstraße spazieren. (lacht) Im Stadtpark oder am Herrenkrug kann ich ihn laufen lassen. In Gaststätten nehme ich ihn nicht mit. Wirkliche Hürden habe ich mit meinem Hund in der Stadt keine. Ich muss ihn ja auch nicht immer dabeihaben.
Was fasziniert Sie als Ur-Magdeburgerin an der Stadt am meisten?
Die Geschichte und die Entwicklung der Stadt. Die Altstadt, die Festung Mark und der Elbauenpark, vor allem im Sommer. Mit Xerxes bin ich am liebsten am Herrenkrug.
Welche Attribute schreiben Sie dem typischen Magdeburger zu?
Stur. (lacht) Trotzdem freundlich und hilfsbereit.
Januar 2019
Interview aus INTER.VISTA 7
Vista.Schon?
Karin Meyer, Jahrgang 1965, ist Hundeführerin bei der Polizei Sachsen- Anhalt. Die gebürtige Magdeburgerin arbeitete als Elektronikfacharbeiterin, bevor sie sich für eine Laufbahn bei der Polizei entschied. Nach zwölf Jahren bei der Schutzpolizei ließ sie sich in die Hundestaffel versetzen, startete dort mit Polizeihund Lex und bestreitet derzeit ihren Berufsalltag mit Hund Xerxes. Ihre Heimat beschreibt Sie mit den Worten schön, geschichtsträchtig und kulturell vielfältig. Abseits der Arbeit ist Karin Meyer glühende FCM-Anhängerin.
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.