Posted by on

Julius Brinken

Als Koordinator des Nachhaltigkeitsbüros der Otto-von-Guericke-Universität beschäftigt er sich nicht nur beruflich damit, die Welt zu verbessern. Privat ist er bei jedem Wetter mit dem Rad unterwegs und baut in einem Gemeinschaftsgarten eigenes Obst und Gemüse an. Inter.Vista erzählt er von seiner Idee eines essbaren Campus̕ und was er von Flugreisen hält.

Interview und Fotos: Katharina Gebauer

Katharina Gebauer, Inter.Vista

Im Januar gibt es einen Science-Slam zum Thema Nachhaltigkeit. Wird man Dich dort auf der Bühne sehen?
Ich bin ein bisschen in die Organisation eingebunden und unterstütze die zwei zuständigen Mitarbeiter bei der Planung. Tatsächlich habe ich mir überlegt, eine Nachhaltigkeitsidee dort zu ›pitchen‹.

Wie sieht diese Idee aus?
Es ist noch nichts Festes, aber ich hoffe, mit der Idee eines essbaren Campus’ zu begeistern.

Wie muss ich mir das vorstellen?
Auf dem Campus sind viele un genutzte Grünflächen vorhanden, die für mehrjährige Obst- und Beeren pflanzen zu Streuobstwiesen umfunktioniert werden könnten. Momentan werden die Beete von der universitätseigenen Gärtnerei genutzt. Hier könnte man überlegen auch Kräuter oder Salat anzupflanzen, um die tägliche Butterstulle aufzupeppen. Dadurch würde der Campus für Studierende und Mitarbeiter lebenswerter werden. Die Nachhaltigkeitsidee könnte außerdem durch kleine Gastgeschenke, wie Marmeladen oder Aktionswochen, als Teil unserer Lebensqualität an der Uni nach außen vermittelt werden.

Wo liegt der Unterschied zwischen dem Nachhaltigkeitsforum und dem Nachhaltigkeitsbüro?
Das Büro fungiert als zentrale Anlaufstelle für die Vernetzung zwischen Nachhaltigkeitsaktivitäten verschiedener Ebenen, zum Beispiel bei Initiativen von Studierendengruppen hier an der Uni, daneben aber auch zwischen anderen Nachhaltigkeitsbüros und Universitäten oder Kontakten von städtischen Initiativen. Allerdings liefen viele Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte am Campus aufgrund fehlender Kommunikation getrennt voneinander ab, so dass eine Plattform für den konkreten Austausch auf Lehrstuhlebene entstanden ist: das Nachhaltigkeitsforum. Dort können sich Forscher und Lehrende zusammenfinden. So wurde zum Beispiel eine gemeinschaftliche Ringvorlesung zu Nachhaltigkeitsthemen auf die Beine gestellt. Das Forum agiert praktisch als eine von mehreren Vernetzungsebenen.

Wie kann man sich Deinen typischen Arbeitstag vorstellen?
Das variiert über die Semester hinweg, weil meine Aufgaben sehr vielfältig sind. Jetzt zum Jahresende bin ich damit beschäftigt, den Nachhaltigkeitsbericht für die Universität zu erstellen. Manchmal bereite ich Workshops oder Beiträge für Konferenzen vor. Ein typischer Tag fängt mit der Sichtung der Neuigkeiten im Bereich Nachhaltigkeit und der Beantwortung von E-Mails an. Vieles ist konzeptionelle Arbeit, das heißt, wir überlegen uns, welche Maßnahmen die Nachhaltigkeit hier an der Universität vorantreiben könnte. Natürlich gibt es auch viel Schreibarbeit.

»Ich wuchs sehr ländlich auf, aber das fand ich als Jugendlicher irgendwann nicht mehr so cool.«

Du meintest, Zeit sei bei Dir im Moment Mangelware. Ist das Deiner Arbeit geschuldet oder bist Du einfach ein vielbeschäftigter Mann?
Im Moment liegt das hauptsächlich an meiner Arbeit im Büro. Zum Jahres ende gibt es immer Sachen, die noch abgeschlossen werden müssen, wie eben der Nachhaltigkeitsbericht oder der Maßnahmenkatalog für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie. Für mich ist es gerade ein Balanceact zwischen der Arbeit und meinem Privatleben. Ich versuche jeden Tag so früh wie möglich nach Hause zu kommen, um viel Zeit mit meinem einjährigen Sohn zu verbringen.

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Wäre Home-­Office eine Option für Dich?
Es ist eher nicht vorgesehen, aber generell wäre es möglich. Bei wissenschaftlichen Mitarbeitern wird darauf geachtet, dass am Ende des Tages alle Aufgaben abgearbeitet sind und nicht von wann bis wann wir genau hier sind. Diese Flexibilität nutze ich vor allem dann, wenn der Kleine krank oder die Tagesmutter mal verhindert ist.

Was machst Du nach einem stressigen Arbeitstag um zu entspannen?
Ich strample mich erst einmal zwanzig Minuten ab, denn ich fahre jeden Tag und bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit. Danach ist mein Kopf meistens durchgepustet und mein Feierabend kann beginnen.

Du warst von Anfang an bei den Ökosozialen Hochschultagen dabei. 2019 gehen sie in die sechste Runde. Was hat sich über die Jahre im Programm verändert und was gibtʼs Neues?
Neu ist im nächsten Jahr eine Fokussierung auf einen Themenbereich. Das ist quasi eine Rückbesinnung auf die ersten Ökosozialen Hochschultage 2014. Damals hatten wir uns einen Überbegriff gesetzt: Stadt ohne Öl. Die Konzepte der darauffolgenden Jahre waren in den Veranstaltungsangeboten meiner Wahrnehmung nach sehr breit gefächert. Nächstes Jahr wollen wir dagegen thematisch in die Tiefe gehen. Die beiden Überbegriffe werden ›gender equality‹ und ›climate action‹ sein. Wir werden auf deren Aspekte eingehen und gucken, wo sich die beiden Felder überschneiden und so eine thematische Rahmung schaffen.

Wo steht Ihr gerade in der Planung?
Wir hatten gerade unsere ersten beiden Teamsitzungen. Dort lernten wir uns erst einmal kennen und schauten, welches Konzept wir uns bezüglich dieser Themen vorstellen. Der nächste Schritt wird dann die konkrete Erarbeitung von inhaltlichen sowie methodischen Veranstaltungsideen und deren Umsetzung sein.

Gibt es noch weitere Projekte?
Die Ökosozialen Hochschultage 2019 sind erstmal die nächste große Veranstaltung, sowohl vom Engagement als auch von der Öffentlichkeitsarbeit her. Im Januar schlagen wir dann den Maßnahmenkatalog mit zehn bis zwölf konkreten Punkten vor. Dieser beinhaltet ganz simple Vorschläge wie die Mülltrennung, aber auch komplexere Sachen, wie die Bereitstellung von Mitteln für weitere Nachhaltigkeitsprojekte.

Wo ist eine Mitwirkung möglich, wenn man sich für die Nachhaltigkeitsidee an der OVGU engagieren will?
Mindestens einmal im Monat veranstalten wir ein offenes Teamtreffen und wollen damit für Studierende und Mitarbeiter eine Möglichkeit bieten, sich in den Nachhaltigkeitsprozess einzubringen. Neben dem Engagement hier im Büro kann man eigene Ideen in Workshops oder Aktionswochen im Rahmen von Veranstaltungsreihen umsetzen. Studierende können sich bestimmten Hochschulgruppen anschließen, um dort durch gesellschaftliches Engagement Projekte voranzutreiben.

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Welche einfachen Änderungen kann jeder im Alltag vornehmen, um die Umwelt zu schonen?
Ein ganz präsenter Aspekt ist nach wie vor der Klimawandel. Eines der wichtigsten Dinge, die man meiner Meinung nach tun kann, ist auf Flugreisen zu verzichten. Muss es wirklich Malle sein, oder Südafrika? Kann ich nicht vielleicht auch mit dem Nachtzug nach Barcelona oder auf den Balkan fahren? Interessante Urlaubsziele findet man auch in Deutschland. In der täglichen Mobilität kann man auch etwas ändern. Fahre ich früh am Morgen mit dem Auto oder mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zur Uni? Ich als Familienvater mit einem jungen Kind kann aus eigener Erfahrung behaupten, dass es sehr gut möglich ist, jeden Tag das Fahrrad zu nutzen und auch die Wocheneinkäufe damit zu erledigen. Ich beobachte eine Selbstverständlichkeit der Autonutzung, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, denn gerade hier besteht die Möglichkeit, die direkten Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Zudem kann der eigene Einfluss auf das Klima mit tierfreier Ernährung, sowohl vegetarisch als auch vegan, reduziert werden. Generell kann man bei der Ernährung viel durch sein Einkaufsverhalten tun, indem man möglichst regional und saisonal einkauft.

Bist Du noch in der Grünen Hochschulgruppe aktiv?
In der GHG brachte ich mich während meiner Studienzeit viel ein, mittlerweile bin ich dort nicht mehr aktiv. Nachdem ich meinen Job im Nachhaltigkeitsbüro annahm und mein Sohn geboren wurde, haben sich meine Interessen etwas verschoben.
 

»Ich beobachte eine Selbstverständlichkeit der Autonutzung, die ich absolut nicht nachvollziehen kann.«

Was machst Du sonst noch, um möglichst nachhaltig zu leben?
Privat betreibe ich ›urban gardening‹ in einem Gemeinschaftsgarten in Magdeburg und versuche damit, einen Teil der Nahrungsmittel für meine Familie und mich selbst anzubauen. Daneben geht es natürlich auch um Aspekte wie Gemeinschaft und sozialen Austausch. Zudem bin ich in einer Gruppe aktiv, die versucht, ein Mehrfamilienhaus zu erwerben, um ein soziales und demokratisches Wohnprojekt zu starten.

Kannst Du dieses Projekt näher erläutern?
Wir sind eine Gruppe von zehn Personen und auf der Suche nach einem Haus, in dem wir und auch weitere Personen wohnen können. Unser Projekt soll im Rahmen des Mietshäuser Syndikats realisiert werden, eine deutschlandweite Initiative, die schon über 100 Wohnprojekte mit umsetzte. Es geht darum, Häuser zu kaufen, die dann dauerhaft in die Hand der Bewohner gegeben werden. Soll heißen, die Bewohner sind gleichzeitig die Besitzer des Hauses. Es gibt weder Vermieter, noch Investoren oder eine Hausverwaltung. Alles ist von den Bewohnern selbstorganisiert und selbstbestimmt. Alle Entscheidungen sollen nach dem Konsensprinzip gemeinschaftlich und demokratisch getroffen werden. Momentan haben wir allerdings noch kein Haus. Mit diesem Wohnprojekt wollen wir aber nicht nur sozialverträgliche Mieten für uns selbst schaffen, sondern auch einen positiven Einfluss auf den Stadtteil, die Stadt und die Gesellschaft nehmen.

Quasi wie eine private Genossenschaft?
Ja genau, das Wohnprojekt Thiembuktu in Buckau zum Beispiel wurde auch im Rahmen des Mietshäuser Syndikats realisiert. Neben den genannten Aspekten der Demokratie, der Selbstbestimmtheit und Sozialverträglichkeit, geht auch möglichst eine gemeinschaftliche Nutzung einher. Räumlichkeiten werden geteilt, es gibt Veranstaltungsräume, die zum Austausch dienen und Küchenmaschine, Lastenrad oder Auto sollen gemeinschaftlich genutzt werden.

Du kommst ursprünglich aus Niedersachsen. Was hat Magdeburg, was andere Städte nicht haben?
Für mich hat Magdeburg ein enormes Potenzial zur Selbstverwirklichung. Wenn man sich erstmal auf die Stadt eingelassen und Fuß gefasst hat, kann man hier sehr viele Dinge bewirken und umsetzen, vielleicht sogar mehr als in anderen Städten. Die Wege sind kurz, aktive und engagierte Leute kennen sich untereinander und Möglichkeiten werden geteilt. Wenn man eine gute Idee hat oder ein cooles Projekt umsetzen möchte, erfährt man viel Unterstützung aus der ›Szene‹. Ich bezweifle, dass Projekte, wie die Ökosozialen Hochschultage, das Nachhaltigkeitsbüro oder unser Gemeinschaftsgarten in der Form auch in anderen Städten so möglich gewesen wären. Das macht Magdeburg eben aus. Gerade weil es hier weniger gibt, ist es guter Nährboden, um eigene Dinge zu schaffen.

Wo ist Dein Lieblingsort in Magdeburg?
Das ist am Stadtpark direkt an der Elbe, kurz vor der Rotehorn-Spitze. Im Sommer spanne ich dort meine Slackline und kann mit Blick auf’s Grüne und die Elbe in Ruhe die Natur genießen.

Deinen Master hast du in Wirtschaftsingenieurwesen Logistik gemacht. Wie kam es dazu?
Ich entschied mich schon vor dem Bachelor für dieses Masterstudium, weil ich mich nicht auf eine bestimmte Laufbahn oder einen Karriereweg begrenzen wollte. Wirtschaftsingenieurwesen ist ein sehr interdisziplinärer Studiengang mit unterschiedlichen Fächern, der sehr viele Möglichkeiten für das spätere Arbeitsleben bietet. Das sieht man auch an meinem jetzigen Job, der ja eigentlich wenig mit Logistik zu tun hat. Trotzdem konnte ich vieles aus dem Studium mitnehmen. Allerdings weniger Fachwissen wie beispielsweise die Eigenschaften von Gabelstaplern, sondern eher bestimmte Methoden und Denkweisen, Prozess- und Systemverständnis sowie interdisziplinäres Arbeiten, was ich in meinem Job auch anwenden kann. 

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Inter.Vista, Julius Brinken, Foto: Katharina Gebauer

Wurde Dir der Umgang mit der Natur und der Umwelt schon früh mit in die Wiege gelegt?
Nachhaltigkeit ist ja ein Konzept aus der Forstwissenschaft und da mein Vater Förster ist, kann ich schon sagen, dass mich diese Idee bereits früh begleitete. Ich wuchs sehr ländlich auf, aber das fand ich als Jugendlicher irgendwann nicht mehr so cool. Das prägende Ereignis war wohl mein Zivildienst, denn ich wollte nicht wie viele andere in den Krankentransport, sondern viel lieber etwas in der Natur machen. Den Dienst leistete ich dann in der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer. Dieser beinhaltete praktische Naturschutzarbeit wie Moore entwalden und wieder vernässen, sowie umweltpädagogische Aspekte wie die Zusammenarbeit mit Kindern. Der Dienst hat mich sehr geprägt und mir eine Vorstellung gegeben, in welche Richtung ich später gehen will.

Was wolltest Du sonst werden?
Tatsächlich wollte ich immer in die Richtung Ingenieurwissenschaften gehen, allerdings nicht zu technisch. Dadurch kam der Schwerpunkt Logistik anstatt Maschinenbau oder Elektrotechnik zustande. Die Entscheidung lag dann zwischen dieser Richtung oder dem Lehrerberuf. Diese Möglichkeit resultierte aus meiner Zeit im Zivildienst, in der mir die pädagogische Arbeit mit Kindern sehr viel Spaß gemacht hat. Zum Beispiel über Feuchtwiesen laufen oder an Wasserstellen keschern.

»Interessante Urlaubsziele findet man auch in Deutschland.«

In den Campusgeschichten der OVGU nanntest Du als Deinen beruflichen Wunsch, nach dem Studium Unternehmen zu helfen, ›ihre Geschäfte nachhaltig zu gestalten‹. Bleibst Du dem Nachhaltigkeitsbüro vorerst erhalten?
Im Moment sehe ich meine Zukunft hier und würde mir auch wünschen, noch möglichst lang Projekte umsetzen zu können. Wenn meine Stelle nicht mehr verlängert wird, könnte ich mir durchaus vorstellen, in der Industrie oder in der Wirtschaft zu arbeiten. Mein Ziel wäre dann, Veränderungsprozesse von Unternehmen und Organisationen in Richtung Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung zu unterstützen. Ich hoffe, dass meine Zukunft in Magdeburg ist.

Dezember 2018
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

Julius Brinken, 1989 in Celle geboren, studierte im Bachelor Maschinenbau und machte anschließend seinen Master im Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Logistik. Er lebt mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn in Stadtfeld. Für das Nachhaltigkeitsbüro der Otto-von-Guericke-Universität ist er als Koordinator tätig. Der gebürtige Niedersachse assoziiert mit Magdeburg Grün, Freundschaft und Selbstverwirklichung. Wäre er Lehrer anstatt wissenschaftlicher Mitarbeiter geworden, würde er Biologie unterrichten und ein Fach, das ihm nicht so viel Spaß macht.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen