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Franziska Briese

Eigentlich wollte sie Filme produzieren, doch nun leitet sie in Stadtfeld das Geschäftsstraßenmanagement und ist glücklich damit. Welche Rolle dabei das Studium an der hiesigen Hochschule spielte und was während der Studentenzeit wirklich zählt, verriet uns die gebürtige Potsdamerin an einem Aprilnachmittag in ihrem Büro. Außerdem wissen wir jetzt, was in Stadtfeld wirklich angesagt ist. Geheimtipps inklusive!

Interview und Fotos: Björn Reckmann und Nele Wlodasch

»Voll die Tussi«, so hast Du Dich zum Ende der Studienzeit in Eurem Matrikel-Jahrbuch selbst beschrieben. Würdest Du das heute immer noch so sagen?
Ich habe das nicht so ernst genommen, aber im Prinzip ja. Ich würde es aber eher als Pingeligkeit beschreiben. Am Ende muss alles perfekt sein.

»Ich komme seit zwei Jahren jeden Tag konsequent zu spät.«

Nur im Job oder auch privat?
Im Job auf jeden Fall, darum bin ich wahrscheinlich auch bei den kreativen Ingenieuren gelandet. Und privat wähle ich die Dinge, mit denen ich mich umgebe, bewusst aus.

Was fällt Dir als Erstes ein, wenn Du an Deine Studienzeit zurückdenkst?
Es war echt bombastisch. Ich hatte tatsächlich die beste Zeit meines Lebens während des Studiums in Magdeburg. Damals war das Ganze auch noch komplett anders strukturiert als heute. Wir waren viel freier, hatten ein größeres Angebot
an Kursen und konnten selbst Schwerpunkte setzen. Das Seminar Fünf Phasen der Filmherstellung hat mich besonders fasziniert und auch noch Jahre danach im Beruf begleitet. Lyrik-TV mit Gerd Conradt war großartig. Dort drehten wir richtige Kurzfilme und konnten dabei trotz Projektmanagementanspruch frei und künstlerisch arbeiten. In der Studienzeit konnten wir uns überall ausprobieren, sodass wir am Ende komplett ausgebildet waren und alle Medien bedienen konnten. Natürlich nichts so richtig (lacht).

Wie bist Du zum Studium nach Magdeburg gekommen?
Schon während der Schulzeit arbeitete ich bei einer Zeitung und einem Fotografen. Film interessierte mich schon immer, das Studium war die logische Konsequenz daraus. Ich
bekam dann schnell eine Zusage aus Magdeburg, der Studiengang war damals aber noch in Stendal. Ich dachte: Da machst du Abitur, die Welt liegt dir zu Füßen und dann kommst du nach Stendal. Aber es war großartig. Nach einem Semester wurde der Studiengang nach Magdeburg verlegt und wir mussten alle umziehen. Eigentlich wollte ich schnell studieren und dann wieder zurück nach Potsdam, aber dann lernte ich meinen Mann kennen. Jetzt bin ich hier und habe zwei Kinder.

Franziska Briese

Und wie fühlt sich das an?
Nach einer Weile war ich auch beruflich angekommen und hatte ein Netzwerk aufgebaut. Außerdem hatten wir einen tollen Kita-Platz. Jetzt wohnen wir günstig, ich habe einen tollen Job und mein Kind kommt bald in die Schule.

Du hast ein Auslandspraktikum in Madrid absolviert. Was hat Dir daran gefallen?
Ich habe zwei Auslandssemestergemacht, in Madrid und in Salzburg. Daraus mitgenommen habe ich auf jeden Fall Agentur- und Projekterfahrung und eine gute Zeit. An Madrid hat mich besonders beeindruckt, dass alles viel entspannter ist als hier. Zweieinhalb Stunden Mittagspause waren Standard, Leute schliefen im Anzug auf Parkbänken und machten Siesta. Eine tolle Stadt.

Du hast Journalistik und Medienmanagement studiert, aber jetzt bist Du in einem Architektenbüro. Wie kam es dazu?
Ich habe früher als Freelancer gearbeitet und war auch beim Moritzhof tätig. Irgendwann wollte ich als Basis im Monat wenigstens eine 20-Stunden-Stelle, um sicher die Miete zahlen zu können, aber trotzdem noch genug Zeit für eigene Projekte zu haben. Über Facebook fand ich ein Inserat für eine Stelle im Back-Office. Ich bewarb mich und bekam den Job. Nach einer Weile erfuhr ich von meinen Chefs von einer Ausschreibung der Stadt für das Geschäftsstraßenmanagement. Es war eine Mischung aus Networking,
Kommunikation und dem Erstellen eigener Inhalte, alles Dinge die ich aus dem Studium bereits kannte. Wir schrieben gemeinsam ein Konzept, setzten uns damit gegen die
Mitbewerber durch und jetzt bin ich hier.

Du hast private Projekte angesprochen. Gibt es die immer noch?
Ja, die Féte de la Musique zum Beispiel. Meine privaten Projekte wurden aber weniger, dafür gibt es jetzt mehr, die wir hier anstoßen. Zurzeit arbeiten wir an dem Projekt Walls of Magdeburg, kurz #WOM. Dabei wollen wir Hauswände in Stadtfeld von Künstlern gestalten lassen. Bei privaten Projekten war das Geld früher immer knapp, es musste so gut wie alles selbst gemacht und finanziert werden. Jetzt muss ich mir darüber nicht permanent Gedanken machen und kann einfach inhaltlich arbeiten. 

Kannst Du Dir vorstellen, das Management für einen anderen Stadtteil zu machen?
Mein Herz schlägt für Stadtfeld. Ich hätte mich für keinen anderen Stadtteil um die Aufgabe beworben.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den anderen Stadtteilen aus?
Wir sind zu dritt, ein Geschäftsstraßenmanagement existiert für jedes Stadtteilzentrum neben der Innenstadt, also für Stadtfeld, Neustadt und Sudenburg. Darüber hinaus gibt es noch Quartiers- oder Stadtteilmanager, die haben allerdings andere Schwerpunkte.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Dir aus?
Ich komme seit zwei Jahren jeden Tag konsequent zu spät. (lacht) Üblicherweise beginne ich den Tag mit einer klassischen Presseschau. Anschließend arbeite ich mich durch die Post und beantworte E-Mails. Zurzeit frisst das Urst urbane Straßenfest so ziemlich alle
Kapazitäten. Ansonsten treffe ich viele Menschen, netzwerke, sitze in Arbeitsgruppen und -kreisen, bringe Angebot und Nachfrage zusammen, plane Veranstaltungen und so weiter. Nachher treffe ich noch meine Studentengruppe. Mit ihnen muss
ich nachher noch am zukünftigen Volleyballplatz zwei Löcher für die Fundamente graben.

Wie läuft die Realisierung einer Idee ab? Nehmen wir mal als Beispiel das Urst urbane Straßenfest?
Da arbeite ich mit einer Studentengruppe aus der Uni zusammen. Wir erarbeiten, wie im klassischen Projektmanagement, ein Hauptziel, aus dem sich strategisch alle anderen Ziele ableiten. Aus denen schnüren wir Arbeitspakete, so dass sich jeder an der Stelle einbringen kann, die ihm am besten zusagt. Die Studenten lernen dabei einen Zeit und
Kosten-Finanzplan zu erstellen und mit einer Deadline zu arbeiten.

Woher kommen die Ideen für solch ein Straßenfest-Projekt?
In diesem Falle tatsächlich von meiner Kollegin Camila und mir. Die Landeshauptstadt fordert beispielsweise dazu auf, am Tag der Städtebauförderung etwas zu veranstalten. Wir überlegten, was es hier so noch nicht gab und entschieden uns für die Veranstaltung
eines Straßenfestes. Das Büro lässt uns für so etwas viel Raum.
META ­architektur hat sich ja auf die Fahnen geschrieben, »urbane Zukunft
[zu] gestalten« und »urbanes Leben [zu] fördern«. Dazu gehören auch solche Projekte. Manchmal weiß man anfangs gar nicht, wie viel Arbeit dahinter steckt. Für den Bau eines kleinen Volleyballplatzes mussten wir beispielsweise einen Bauantrag stellen und 3.000 Euro allein für Sand ausgeben. 

»Am Ende muss alles perfekt sein.«

In einem Interview hat Dich die Volksstimme als Kommunikationsexpertin bezeichnet. Bist Du eine Quasselstrippe? 

Mit Leuten zu sprechen ist die Kernaufgabemeiner Arbeit, dafür muss ich eine Quasselstrippe sein. Ob ich eine Kommunikationsexpertin bin, weiß ich nicht. Ich bin ja 

Inter.Vista, Franziska Briese, Foto: Björn Reckmann, Nele Wlodasch

Inter.Vista, Franziska Briese, Foto: Björn Reckmann, Nele Wlodasch

auch privat letztlich immer in meiner Rolle als Geschäftsstraßenmanagerin unterwegs
und muss für bestimmte Dinge im Stadtteil jederzeit ansprechbar sein.

Wie begegnen Dir die Leute, erkennen Dich viele wieder?
Gott sei Dank lesen ja nicht alle die Volksstimme. Ich bin aber bei allen Ladeneröffnungen dabei, um die Leute zu begrüßen, von daher kennen
mich viele. Ich will, dass es eine Person mit Gesicht gibt, die sich nicht hinter einer Institution versteckt.

Wie gehen Stadtfelder auf Dich zu? Wie beteiligen sie sich an Deiner Arbeit?
Meine Arbeit richtet sich in ersterLinie an die Gewerbetreibenden, die Bewohner sind aber auch wichtig. Beim Straßenfest beispielsweise stehen sie im Mittelpunkt. Händler und Bewohner kommen mit Vorschlägen auf mich zu und ich helfe ihnen dann bei der Umsetzung. Einmal im Quartal gibt es ein Unternehmerfrühstück, zu dem alle Gewerbetreibenden Stadtfelds eingeladen sind, um sich auszutauschen.

»Produktionsleitung beim Film war ja immer mein Ziel, jetzt leite ich das hier.«

Gibt es Initiativen, die Dich besonders beeindrucken?
Viele. Stadtfeld ist ein sehr dankbarer Stadtteil mit einer engagierten Bewohner- und Händlerschaft. Es gibt die Händlerinitiative Schellheimer Kiez, ein Verbund von Händlern rund um den Schellheimer Platz, die gemeinsame Aktionen veranstalten. In der Interessengemeinschaft IG Stadtfeld e.V. bündeln die Händler ihre Interessen, um
gemeinsam den Standort zu stärken. Darüber hinaus gibt es auch einen sehr aktiven Bürgerverein, den ich sehr schätze und als Partner gewinnen konnte.

Du hast von der Leichtigkeit des Studentenlebens gesprochen. Kommt sie wirklich nicht wieder?
Ja, das unterschreibe ich noch genauso. Ich kann Euch allen nur empfehlen: Probiert euch aus, geht ins Ausland, macht Praktika, so viele ihr könnt. Dafür habt ihr später nie
wieder den Freiraum. Es geht nicht darum, so schnell wie möglich fertig zu werden. Ich habe sieben Jahre studiert und zwischendurch immer gearbeitet.

Welches Deiner Praktika hat Dich am meisten geprägt?
Bei den Filmarbeiten war die Lernkurve am höchsten. Im ersten Semester fing ich mit einem Set-Praktikum an, wodurch ich Einblick in alle Bereiche hatte.  Von da an habe ich mich weiter spezialisiert und war letzten Endes Regieassistentin. Besonders gefiel
mir daran, dass ich die Inhalte aus meinem Filmphasen-Seminar an der
Hochschule eins zu eins anwenden konnte.

Wo siehst Du Dich in zehn Jahren?
Keine Ahnung. Hätte mir vor ein paar Jahren mal jemand gesagt, ich würde bald als Geschäftsstraßenmanagerin in einem Architekturbüro arbeiten, hätte ich ihm den Vogel
gezeigt. Früher wollte ich immer zum Film, heute bin ich ganz froh, dass daraus nichts geworden ist. 

Im besagten Matrikel-Jahrbuch Rückblende 04 wurdest Du gefragt, wo Du Dich in der Zukunft siehst. Deine Antwort lautete: »Ich bin Produktionsleiterin, die unbestechlich nur das Beste fordert, während Eva Herrmann mein Haus putzt und Harald Schmidt meine Kinder hütet.« Was ist daraus geworden?
Produktionsleitung beim Film war ja immer mein Ziel, jetzt leite ich das hier. Jemanden, der mein Haus putzt und meine Kinder hütet, suche ich immer noch, aber damals dachte ich ja auch noch nicht, dass ich so früh Kinder bekomme. Ja, doch, ich bin nah dran. (lacht)

Inter.Vista, Franziska Briese, Foto: Björn Reckmann, Nele Wlodasch

Inter.Vista, Franziska Briese, Foto: Björn Reckmann, Nele Wlodasch

Ein Tag in Stadtfeld, hast Du ein paar Geheimtipps für uns?
Klar. Stadtfeld ist das besterhaltene Gründerzeitviertel in Magdeburg, allein das ist schon einen Spaziergang wert. Handschuhschmidt ist  für mich der absolute Geheimtipp,
das ist ein schon über 60 Jahre alter Maßhandschuhladen, ein Familienbetrieb, der mittlerweile von der Enkelin geführt wird. Einer von zweien in ganz Deutschland, etwas ganz Besonderes. Außerdem backen die Bäcker Ebel und Braune die besten Brötchen der Stadt.  

Warum ist Stadtfeld zurzeit so im Trend?
Ich glaube, der Trend hält schon seit längerem an. Stadtfeld bietet günstige, gute Wohnmöglichkeiten, ist nah am Bahnhof und am Zentrum und dicht besiedelt. Es ist der jüngste und familienfreundlichste Stadtteil Magdeburgs. Früher wohnten hier die Studenten mit wenig Geld. Heute sind sie fertig ausgebildet, leben immer noch hier, aber mit ihren Familien und gestalten das Stadtviertel mit.

»Ich will, dass es eine Person gibt, die sich nicht hinter einer Institution versteckt.«

Was ist denn momentan das neue Studentenviertel?
Gefühltermaßen drängt der Großteil der Studenten mittlerweile nach Buckau. In zwanzig Jahren wird es dort vielleicht ähnlich sein wie in Stadtfeld. Ich habe sowieso das Gefühl, dass mehr Leute nach dem Studium hierbleiben als früher.

Gibt es den typischen Stadtfelder?
Ich will nicht alle über einen Kamm scheren, aber es gibt ja Statistiken. Der typische Stadtfelder ist jünger als der Großteil der Stadt, hat Kinder, ist Akademiker, wählt wahrscheinlich eher die SPD und die Grünen und hat das im Schnitt höchste Einkommen im Vergleich zu den anderen Stadtteilen. Außerdem fährt er gern Fahrrad.

Wenn es etwas gäbe, das Du an Magdeburg ändern könntest, was wäre das?
Ich glaube, der Stadt fehlt noch eine Vision. Alles, was wir momentan in dieser Hinsicht haben, ist ein Tunnel und ein Stadion. Ich wünsche mir, dass die Stadt sich zukunftsfähiger aufstellt, mit Ideen, neuen Verkehrskonzepten, vielleicht sogar mit
neuen Ansätzen zum Thema Stadtentwicklung. Die Verwaltung muss begreifen, dass es nicht nur darum geht, junge Leute zur Ausbildung herzuziehen, sondern auch darum,
sie zum Bleiben anzuregen.

Worauf bist Du in Magdeburg besonders stolz?
Nicht Fußball! Mir gefällt, dass auch jemand wie ich, der nicht von hier ist, mit relativ einfachen Mitteln die Stadt mitgestalten kann. Anderenorts stelle ich mir das schwieriger
vor. In Berlin oder Leipzig beispielsweisegibt es ja alles schon. Mit einem Streetfood-Markt kann ich dort niemanden mehr beeindrucken. Hier ist das alles noch ein bisschen
anders, das fiel mir auch anhand des Urst urbanen Straßenfestes letzten
Jahres auf. Das war etwas, das es so noch nicht gab und die Leute waren total dankbar. Dieses Maß an Mitgestaltung ist etwas, das ich sehr schätze. Ob ich darauf stolz bin,
weiß ich nicht, aber das macht die Stadt aus.

April 2018
Interview aus INTER.VISTA 6

 

Vista.Schon?
Franziska Briese ist 1984 in Potsdam geboren. Nach der Schule wollte sie eigentlich beim Film arbeiten und gelangte so an die Hochschule Magdeburg-Stendal, um hier Journalistik/Medienmanagement zu studieren. Das Studium beschreibt sie als die ›beste Zeit ihres Lebens‹. Mehr durch Zufall wurde sie Geschäftsstraßenmanagerin von Stadtfeld. Ein Beruf, der für sie wie geschaffen ist: sich kreativ einbringen und Stadtfeld nach vorn bringen. In Zusammenarbeit mit dem Büro META architektur GmbH veranstaltet sie unter anderem das Urst urbane Straßenfest. Stadtfeld ist ihr sehr ans Herz gewachsen: Brötchen holt sie bei Bäcker Ebel oder Braune und ihr Lieblingsort im Stadtteil ist der Schelli.

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