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Birgit Münster-Rendel

Nicht nur als Geschäftsführerin der Magdeburger Verkehrsbetriebe bewegt sie viel. Auch privat schaut sie, dass alles gut läuft. Im Interview spricht die Managerin über Familienrituale, Frauenquoten und die Idee des kostenlosen Nahverkehrs. Außerdem erfahren wir einiges über Gefäßgrößen, Ticketkontrolleure und, dass Freiwasserschwimmen vor Island ganz schön anstrengend sein kann.

Interview: Rosalie Henkel und Marvin Michitsch | Fotos: Juliane Schulze und Lara-Sophie Pohling

Hand aufs Herz, sind Sie schon einmal schwarzgefahren?
Ja. (lacht) Da war ich aber noch nicht bei der MVB.

Wann haben Sie zuletzt den öffentlichen Personennahverkehr der Magdeburger Verkehrsbetriebe genutzt?
Vor zehn Minuten.

Müssen Sie ihre Fahrkarte bezahlen?
Wenn ich dienstlich unterwegs bin, nicht. Dienstfahrten sind für unsere Mitarbeiter frei. Nutzt man diese Freifahrt auch privat, muss man das versteuern und das mache ich.

Sie sind BWL-­Absolventin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Was bewog Sie zu dieser Studienwahl?
Ich bin Neunziger-Abiturjahrgang. Mit der politischen Wende wurde alles anders. Es winkte die große Freiheit. Manche Studienrichtung, die man sich vorher ausgeguckt hatte, gab es gar nicht mehr. BWL zu studieren stand in keiner Weise in meinem Fokus, ganz im Gegenteil. Ich schwankte zwischen Journalismus und Sportwissenschaften. In der DDR habe ich die Aufnahmeprüfung für Journalismus nicht bestanden, weil ich die einschlägigen Fragen nicht korrekt beantwortet hatte, zum Beispiel die der Partei-zugehörigkeit. Für Sportwissenschaften schaffte ich die Aufnahmeprüfung auf Grund meiner Unsportlichkeit nicht. (lacht) Insofern bin ich dann erst einmal für zwei Jahre in verschiedenen Studienrichtungen unterwegs gewesen. Irgendwann kristallisierte sich heraus, dass es doch BWL sein könnte, was mich mehr interessiert. Während des Studiums wurde immer deutlicher, dass es die richtige Studienrichtung ist. Mit den Vertiefungsrichtungen Unternehmensorganisation und Personalmanagement hat sich das auch im Nachhinein bestätigt. 

Welchen Beruf hätten Sie als Sportwissenschaftlerin ausüben wollen?
Ich wäre gern Trainerin gewesen. Mein BWL-Studium spielte sich wenig an der Uni, sondern mehr in der Schwimmhalle ab oder im Büro meines Arbeitgebers, einer Magdeburger Baufirma. Ich habe schon als Jugendliche Zeit damit verbracht, Schwimmtrainerin zu sein. Ich hatte auch die höchste Ausbildung, die man im Breitensportbereich erreichen kann. Dann wollte ich das auch beruflich machen. Zur Aufnahmeprüfung musste man aber eben nicht nur schwimmen können, und schon gar nicht nur theoretisch. (lacht)

Was war Birgit Münster-­Rendel für eine Studentin?
Wenn mich etwas interessiert hat, war ich sehr fleißig. Ich habe immer den Praxisbezug gesucht und mich gefragt, wie ich das später umsetzen kann. Das Studentenleben habe ich sehr genossen. Ich erinnere mich immer an das Dreieck zwischen Uni, Schwimmhalle und Büro. Außerdem war ich auf jedem Keimzeit-Konzert, das in dieser Zeit lief.

Was macht Magdeburg als Studienstandort für Sie aus?
Zunächst ist es meine Heimatstadt und durch meine Freunde und Familie bin ich eng mit der Stadt verbunden. Ich lebe sehr gerne hier. Es war auch von der Fachrichtung her die richtige Wahl. Die Wirtschaftsfakultät war damals auf Bundesebene im vorderen Bereich. Das, was ich an der Uni lernte, hat mich auf jeden Fall für den Job gerüstet. Wenn ich das heute aus der Ferne betrachte, bin ich begeistert, was man so alles studieren kann. Es ist meiner Meinung nach die Universität der kurzen Wege, es liegt alles dicht beieinander und es gibt ein super Semesterticket. (schmunzelt)

»Ich hatte hier nicht das Gefühl von Stillstand.«

In einem Kurzinterview mit Ihrer ehemaligen Universität haben Sie sich als ›Hierbleiberin‹ beschrieben. Was meinen Sie damit?
Aus meiner Abiklasse sind in Magdeburg noch genau drei, alle anderen verließen die Stadt. Das lag an diesem Mischmasch aus Perspektivlosigkeit und der großen weiten Welt, die mit einem Mal offen stand. Lange Zeit habe ich es als Makel in meiner Biografie gesehen, dass ich nicht nach New York oder in eine andere Stadt gegangen bin. Aber je mehr ich darüber nachdachte, wie gut meine Ausbildung war und wie behütet ich studieren konnte, desto klarer wurde mir, dass es die richtige Entscheidung war. Deshalb kann ich heute sagen, dass ich in Magdeburg meinen Traumjob machen darf und stolz bin, eine ›Hierbleiberin‹ zu sein.

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Hatten Sie nie den Gedanken, Magdeburg zu verlassen?
Doch natürlich. Ich wollte unbedingt nach Berlin, wie meine große Schwester. 1990 ging ich an die Humboldt-Uni und fand heraus, dass man sich zwar für Journalistik einschreiben konnte, aber keine Lehrveranstaltungen stattfanden. Also beendete ich das. Außerdem war die ›Leere‹ dieser großen Stadt einfach nicht das Richtige für mich.

Wie schafft es die Stadt Magdeburg, Sie festzuhalten?
Hauptsächlich ist es die Familie und das Umfeld, in dem ich mich wohlfühle. Ich befand mich immer in Situationen, in denen ich etwas bewegen konnte. Ich hatte hier nicht das Gefühl von Stillstand. Ich geriet in eine Zeit, in der sich ganz viel bewegte und ich konnte Teil davon sein und sie sogar mitgestalten. Ich hatte nicht den Anlass wegzugehen, weil es hier so viel zu tun gab.

Nach dem Studium waren Sie in einer Immobilienagentur in Magdeburg tätig. Was war das für ein Job?
Das war bei TLG Immobilien, meine zweitlängste berufliche Station nach der MVB. Ich war damals für Vermietung zuständig. Das war auch ein Job, bei dem ich in Magdeburg Dinge schaffen konnte, die bleiben. Wir hatten von der Geschäftsführung in Berlin relativ freie Hand. Wir mussten nachweisen, dass die betriebswirtschaftlichen Kennziffern erfüllt wurden. Mein Team und noch ein weiteres haben zum Beispiel drei seniorengerechte Wohnanlagen er richtet. Diese wurden anschließend voll vermietet, ein Erfolg also. Das sind nach wie vor erfolgreiche Projekte, die man sehen und anfassen kann. Der Tätigkeitsbereich weitete sich sogar bis nach Thüringen und Sachsen aus. Ich kam mir vor wie ein Handelsreisender, jeden Tag woanders. Mit einem kleinen Kind war mir das zu viel.

Seit 2012 sind Sie Geschäftsführerin der MVB. Welche Eigenschaften sollte man in einer solchen Führungsposition mitbringen?
Das Wichtigste ist, ruhig zu bleiben. Zu 95 Prozent gelingt mir das auch. In einem Verkehrsunternehmen gibt es eigentlich zwei Handlungsstränge. Der normale Betrieb, damit draußen alle Straßenbahnen und Busse fahren. Dann planen wir für die Zukunft und bauen sehr groß und umfangreich, Projekte im dreistelligen Millionenbereich. Daneben gibt es immer noch kurzfristige Einflüsse, wie 2013 das Hochwasser, aber auch schwer wiegende Verkehrsunfälle, die uns aus dem Tagesablauf reißen. Insofern ist das Wichtigste an dieser Stelle: Ruhe bewahren und strategisch denken. Wir reden hier im Hause bereits über Dinge, die gehen weit über mein erwartetes Berufsleben hinaus. Wichtig ist auch, vertrauen zu können.

Nur circa ein Viertel aller Beschäftigten auf einer Führungsebene sind Frauen. Wie stehen Sie zu dieser Unterrepräsentation? Haben es Männer leichter?
Mir fällt es oft gar nicht auf, dass ich schon wieder alleine als Frau in einer Herrenrunde sitze. In unserer Branche ist das üblich. Es gibt deutschlandweit nicht viele Frauen, die Schienenverkehrsunternehmen führen und ich kenne eigentlich alle persönlich. Bei der MVB haben wir in der obersten Führungsebene im Moment wieder verhältnismäßig wenige Frauen, das war mal anders. Dennoch bin ich kein Unterstützer der Frauenquote. Ich glaube, dass man entweder Führungskraft sein kann oder man kann es eben nicht, das ist auch okay. Dieses Zwanghafte gefällt mir nicht. 

»Mir fällt es oft gar nicht auf, dass ich schon wieder alleine als Frau in einer Herrenrunde sitze.«

Ist es Ihnen in Ihrer Karriere jemals schwergefallen, sich zu behaupten?
Ist das überhaupt das Ansinnen? Ich sehe eher, dass es um die Sache geht. Aber natürlich merke ich, dass manchmal Diskussionen nur deshalb laufen, weil ich eine Frau bin. Dafür haben wir bei der MVB bestimmte Taktiken entwickelt, wie wir damit umgehen. Die verrate ich natürlich nicht. (lacht)

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Innerhalb von vier Jahren stiegen Sie zur Geschäftsführerin auf, wie haben Sie das gemacht?
Als ich Assistentin wurde, war ich an einer ganz wichtigen Stelle angekommen. Das war mir nie so bewusst. So konnte ich sehen, wie das Unternehmen funktioniert. Während der vier Jahre hatte ich nicht das Ziel, Geschäftsführerin zu werden. Es war wie so oft in meiner Karriere: Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. So ging es mit meiner Interimsgeschäftsführung los. Danach kam das ordnungsgemäße Bewerbungsverfahren, bei dem ich mich als eine unter vielen durchsetzte. Eigentlich war immer klar, dass ich gerne bei der MVB arbeiten würde. Schon als Kind interessierten mich Straßenbahnen und Busse. Ich bin auch schon immer ÖPNV-Nutzerin.

Wie flexibel ist Ihr Arbeitsalltag und wann endet Ihr persönlicher Fahrplan?
Eigentlich endet er nie. Es kann passieren, dass ich nachts angerufen werde und dann bin ich da, egal, ob ich vorher auf einer Party war oder nicht. Allgemein habe ich einen sehr geregelten Arbeitsalltag, der allerdings bis zu 12 Stunden lang sein kann. Die MVB tickt sehr früh, dementsprechend bin ich auch früh da. Das passt aber gut zu meinem persönlichen Lebensumfeld.

Bleibt bei so viel Arbeit noch ausreichend Zeit für die Familie?
An den Wochenenden versuchen wir es. Meine Tochter und mein Mann sind auch gut beschäftigt und haben ebenfalls sehr lange Tage. Natürlich bin ich nicht die Mutter, die nachmittags, wenn das Kind aus der Schule kommt, zu Hause mit einem Stück Kuchen und einer Tasse Kakao wartet. Wir kommen zur gleichen Zeit nach Hause und verbringen dann gemeinsam Zeit.

Was bringt Sie nach einem ausgedehnten Arbeitstag am besten zur Ruhe?
Als Familie achten wir darauf, das Abendbrot zusammen einzunehmen. Mein Mann kocht gerne, insofern bin ich da entlastet. Dass wir drei gemeinsam am Tisch sitzen, ist für uns wichtig. Ich lese recht viel, mehr als ich zum Beispiel fernsehe. Vor ein paar Jahren habe ich mir noch ein zweites Hobby zugelegt, ich häkle. Das wirkt beruhigend.

Welches Buch liegt momentan auf Ihrem Nachttisch?
Aktuell die Trilogie von Carmen Korn. Die Geschichte spielt in Hamburg beginnend um 1900 und endet zur Jahrtausendwende. Es geht um vier Frauen und deren unter schiedliche Entwicklungen durch die beiden Weltkriege. Das ist Geschichtsunterricht noch einmal anschaulich erzählt.

Wie schwer ist es heutzutage, kompetentes Personal bzw. Auszubildende zu finden?
Sieben Ausbildungsberufe gibt’s bei uns. Insgesamt müssen wir uns mehr anstrengen, um die Stellen zu besetzen. Manchmal gelingt das erst im letzten Moment. Wir bilden so aus, dass wir die Leute auch übernehmen können. In diesem Jahr haben wir 21 Straßenbahnfahrer neu eingestellt und selbst ausgebildet. Das ist auch etwas für Quereinsteiger. Die reine Fahrschule dauert zwölf Wochen. Straßenbahnfahrer kann man mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einem Führerschein werden. Busfahrer zu finden ist schon schwieriger, weil wir die nicht selbst ausbilden. Wir müssen am Markt grasen und sehen, dass wir nicht anderen Busunternehmen die Mitarbeiter wegnehmen. Wir pflegen eine gute Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Kaufleute finden wir noch ganz gut, aber Ingenieure sind schwer zu bekommen.

Wie wird man eigentlich Ticketkontrolleur?
Dafür gibt es einen IHK-Lehrgang. Anschließend werden sie von uns geschult, wenn wir Tarife ändern oder neue Fahrkarten einführen. Wie hoch ist der jährliche Wirtschaftsschaden durch Schwarzfahrer? Schwer zu sagen, weil doch ein großer Anteil an Graufahrern dabei ist. Wir gehen branchenweit von ungefähr drei Prozent Schwarzfahrern aus, aber die wenigsten davon werden tatsächlich festgestellt. Ungefähr 41 Millionen Fahrten werden jährlich mit uns unternommen, ungefähr drei Prozent davon finden ohne Fahrschein statt. 

»Ich kam mir vor wie ein Handelsreisender, jeden Tag woanders.«

Wünschen Sie sich aus diesem Grund mehr Kontrolleure?
Eigentlich schon. Das kostet jedoch Geld und muss im Verhältnis mit den damit erwirtschafteten Einnahmen stehen. Die Kunst ist, zu variieren, dass der Fahrgast nicht berechnen kann, auf welcher Strecke gerade kontrolliert wird. Einige Verkehrsunternehmen machen auch schon Abgangskontrollen. In Paris bin ich selbst einmal hinein geraten. Man kann den Bahnhof nicht verlassen, ohne einen Fahrausweis gezeigt zu haben. Aber das geht bei uns nicht, weil wir auf der Straße unterwegs sind. Gibt selbst einmal hinein geraten. Man kann den Bahnhof nicht verlassen, ohne einen Fahrausweis gezeigt zu haben. Aber das geht bei uns nicht, weil wir auf der Straße unterwegs sind. 

Inter.Vista, MVB, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Inter.Vista, MVB, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Gibt es in Magdeburg eine ›No­Go Station‹, an der Sie ungern aussteigen würden?
Natürlich nicht. Meiner Meinung nach ist man im ÖPNV sicher. Wir haben wenig Vorfälle. Wenn sich jemand unsicher fühlt oder bedroht wird, kann er sich immer beim Fahrer melden, die haben einen direkten Draht zur Leitstelle.

Die MVB beschreibt sich als modernes Unternehmen mit großer Tradition. Was macht es so modern?
Die Herausforderung der neuen Zeit. Wir haben die Chance, in Magdeburg unser Straßenbahnnetz um 25 Prozent zu erweitern. Wir werden auch demnächst neue Straßenbahnen beschaffen, wir sind gefordert, uns permanent mit neuer Technik auseinander zu setzen und sie auch unseren Kunden zu bieten. Im Verhältnis zu anderen sind wir ja ein relativ kleines Verkehrsunternehmen, aber unser Auftritt im Social-Media-Bereich wird gut angenommen. Auf Facebook haben wir 11.000 Follower, mehr als die Leipziger Verkehrsbetriebe, die doppelt so groß sind. Mit einem gewissen Wortwitz treffen wir den Nerv der Fahrgäste.

Zur Zeit fahren wir häufig mit einer recht alten Straßenbahn zur 8 Uhr–Vorlesung, woran liegt das?
Unser Fahrzeugpark ist extrem knapp bemessen. Wenn Fahrzeuge länger ausfallen, dann fehlen sie uns. Anfang des Jahres hatten wir beispielsweise einen schweren Unfall mit einem 30-Tonner und einer Straßenbahn. Dieses Fahrzeug befindet sich nach wie vor in Reparatur. Ein Auto verschrottet man, die Straßenbahn kann man aber nicht einfach zum Schrottplatz bringen, weil man sie nicht einfach neu kaufen kann. Also wird sie wieder aufgebaut. Einen ähnlich schweren Unfall hatten wir im Breiten Weg, das Fahrzeug fiel drei Monate aus. Die fehlen in der Berechnung und dann müssen wir auch auf die Alten zurückgreifen. 

Welche Probleme bringt die Vielzahl an Baustellen in Magdeburg für die MVB mit sich?
Wir sind teilweise auch Auslöser dieser Baustellen. Wir dürfen unser Streckennetz erweitern und das baut man natürlich nicht auf der grünen Wiese, sondern da, wo Menschen wohnen. Wir sind also ein Teil des Problems, aber auch andere Baustellen haben gravierende Auswirkungen. Pro Jahr hat man normalerweise drei bis vier Fahrpläne und die werden angepasst, sobald es eine Baustelle gibt. Wir hatten jedoch in der MVB allein im Jahr 2017 200 Fahrplanänderungen, das merkt der Fahrgast mitunter gar nicht. Neuer Fahrplan heißt immer neuer Dienstplan, Beantragung bei der zuständigen Behörde, Mitbestimmung des Betriebsrates, kurz: ein extremer Aufwand. Dann gibt es Bauvorhaben, die uns zwingen weite Umwege zu fahren. Der ›Tunnel‹ zum Beispiel bedeutet für uns das Fehlen einer wichtigen Ost-West-Achse und wir müssen mit allen Bahnen, die in den Westen der Stadt fahren, zehn Minuten Umweg in Kauf nehmen.

»Es war wie so oft in meiner Karriere: ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«

Haben Sie Zukunftsprojekte, was innovative Beförderungstechniken angeht? Wie stellen Sie sich den ÖPNV der Zukunft vor?
Leider hat noch keiner das Beamen erfunden. Und selbst wenn – wie funktioniert das, wenn 130 Leute gleichzeitig vom Alten Markt zum Herrenkrug fahren wollen, wie beame ich die? Da braucht man ja auch Fahrkarten. Volocopter sind schon erfunden, das ist eine Drohne zum Einsteigen. Das wird aber auch nicht die Beförderungsart der Zukunft sein. Unsere Branche wird als Verkehrsunternehmen im Umweltverbund immer der Mittelpunkt sein, weil wir mit unseren Gefäßgrößen [Größe der Fahrzeuge, Anm. d. Red.] die meisten Leute von A nach B befördern können. Der ÖPNV der Zukunft geht aber noch weiter. Als modernes Verkehrsunternehmen muss man sich mit dem ›first mile, last mile‹­Problem beschäftigen, also mit der Frage, wie kommt der Fahrgast zur Haltestelle und was macht er danach. In Hamburg gibt es mit Switchh Carsharing-Systeme. Wir hatten in Magdeburg schon mal so ein Angebot, das wurde allerdings kaum in Anspruch genommen. Vielleicht wäre Bikesharing ein Thema oder kleine Elektroroller.

Wie steht es um die E­-Mobilität?
Rein technisch gesehen, wird das im Bussektor noch eine Weile dauern. Wir fahren elektromobil mit der Straßenbahn, im Busbereich schauen wir uns an, wie sich das entwickelt. Wir beschäftigen uns auch mit Technologien des Ticketerwerbs. Handytickets haben wir ja schon. Das bargeldlose Bezahlen mit der NFC-Technologie kann für uns ein ganz großer Weg sein, vieles zu vereinfachen und die Bargeldmenge zu reduzieren.

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Inter.Vista, Birgit Münster-Rendel, Foto: Lara-Sophie Pohling / Juliane Schulze

Was ist Ihre Meinung zum Thema kostenloser Personennahverkehr?
Eigentlich könnte es mir egal sein. (lacht) Am Ende muss es ja irgendwer bezahlen. Der kostenlose ÖPNV ist nur die halbe Wahrheit. Die Frage ist, woher das Geld kommt. In Tallinn wird es beispielsweise über eine Zwangsabgabe organisiert. Das kann ein Weg sein, man muss sich dabei aber immer fragen, für wen das Fahren kostenfrei ist. Für jeden Magdeburger und für Gäste nicht? Dann brauche ich trotzdem die gesamte Vertriebsstruktur, Fahrkartenautomaten, Fahrkartenhäuschen, Kontrolleure und alles Mögliche. Oder sagt man, dass es deutschland- oder europaweit zählt? Das ist eine politische Frage, die kann ich nicht beantworten. Ich sage aber, es muss bezahlt werden, es kostet Geld, was wir da draußen tun.

Wie sieht es mit autofreien Innenstädten aus?
Bei einem guten ÖPNV-Angebot wie in Magdeburg, wäre das natürlich eine Möglichkeit. Wir beschäftigen uns auch in Zusammenarbeit mit den Potsdamer Verkehrsbetrieben mit der Frage, was passieren würde, wenn sich die Anzahl der Fahrgäste plötzlich verdoppelt. Aus technischer Betrachtung fragt man sich, ob die Fahrzeuge ausreichen. Und wie verdoppelt sich die Anzahl der Fahrgäste? Die Rahmenbedingungen müssten sich ändern. Ob das eine autofreie Innenstadt ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall muss der ÖPNV attraktiver als Autofahren sein. Das ist nicht nur durch Preissenkung möglich. In Oslo kostet es beispielsweise etwa 35 Euro, sein Auto einen ganzen Tag zu parken, eine ÖPNV-Tageskarte kostet etwa sieben Euro. Da fängt man an zu überlegen.

Welchen Beitrag kann die MVB zum Projekt Kulturhauptstadt Magdeburg 2025 leisten?
Wir entwickeln gerade Ideen. Man kann eine Art Kombiticket-Lösung für Gäste anbieten. Die Essener Kollegen hatten 2010 eine Straßenbahnlinie als Kulturhauptstadtlinie. Die Strecke gab es sowieso, aber an ihr lagen sehr viele Attraktionen.

Wo waren Sie in diesem Jahr im Urlaub und wohin geht die nächste Reise?
Zuletzt waren wir in Kroatien. Eine spontane Entscheidung. Wir waren mit einem kleinen Wohnmobil unterwegs, damit ist man völlig frei, solange man einen gültigen Reisepass hat. (lacht) Teilweise ist das wetterabhängig. Manchmal fahren wir einfach weiter. Die nächste Reise ist allerdings nicht so spontan. Über die Weihnachtsfeiertage wollen wir zum Skifahren nach Südtirol.

Sie sind engagierte Blutspenderin. Wie wichtig sind Ihnen derartige gesellschaftliche Beiträge?
Was ich an ehrenamtlichen Beiträgen leisten kann, versuche ich umzusetzen. Dazu gehört auch Blutspenden. Meiner Gesundheit tut es auch gut. Eine Win-Win-Situation.

2013 waren Sie Teilnehmerin am Harz-­Gebirgslauf. Wie halten Sie sich heute fit?
Ich laufe immer noch. Jahrelang bin ich geschwommen, dann habe ich eine Zeit lang Triathlon gemacht. Ein- bis zweimal im Jahr absolviere ich auch ein Freiwasserschwimmen. In diesem Jahr habe ich mich an einem Marathon probiert, das muss ich aber nicht nochmal haben. (lacht)

Wo finden diese Freiwasserschwimmen statt?
Beim Sundschwimmen in Stralsund bin ich jedes Jahr. Dort schwimmt man von der Insel Rügen nach Stralsund. 2017 habe ich auch mal beim Freiwasserschwimmen in Island mitgemacht. Dort gingen wir mit einem Neoprenanzug ins Wasser, doch meiner hatte leider keine Ärmel. Bei acht Grad Wassertemperatur. (lacht) Eigentlich wollte ich 1.500 Meter schwimmen, aber der Veranstalter meinte, da gibt es nur zwei Starterinnen und das waren wir Deutschen. Es gibt bestimmt einen Grund, warum die anderen das nicht tun, also dachten wir, machen wir das lieber auch nicht. Wir wollten nicht die einzigen sein, die erfrieren. Im Nachhinein hätten wir es geschafft, die Temperaturen sind nicht so schlimm, wenn man einmal im Wasser ist.

Wo laufen Sie in Magdeburg am liebsten?
Im Stadtpark. Oder irgendwo die Elbe entlang. Wir probieren aber auch immer mal was anderes aus. Ich kenne in Ottersleben oder nach Niederndodeleben raus gute Laufstrecken.

Dezember 2018
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

Birgit Münster­-Rendel wurde 1971 in Magdeburg geboren. Mit zwei älteren Geschwistern wuchs sie in der Landeshauptstadt auf. Sie studierte BWL mit den Vertiefungsrichtungen Unternehmensorganisation, Personalmanagement und Operations Research. Seit 2012 ist die Diplom-Kauffrau Geschäftsführerin der Magdeburger Verkehrsbetriebe. Bestellt ist sie bis 2023. Einige Kunstwerke aus der Galerie ihrer Schwester schmücken ihr Büro im Hauptgebäude der MVB. Magdeburg beschreibt sie mit folgenden Worten: Zuhause, Grün und manchmal etwas verschlafen.

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