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Kai Perret

Er war der jüngste Zoodirektor Deutschlands. Nach Magdeburg kam er vor dreizehn Jahren mit dem Ziel, den Zoo komplett neu zu entwickeln. Im Interview mit Inter.vista spricht Kai Perret über Geburten von weißen Löwen, Morddrohungen und die Sogwirkung von Zoos.

Interview: Julia-Janine SchwarkFotos: Viktoria Kühne und Zoo Magdeburg

Was ist Ihr Lieblingstier im Zoo?
Ich habe viele Jahre mit Menschenaffen gearbeitet. Mit Schimpansen und später auch mit Gorillas. Die sind mir sehr ans Herz gewachsen. Außerdem habe ich ein unglaublich großes Faible für Elefanten entwickelt. Wir haben aber auch besondere Tiere, wie zum Beispiel unser kleiner Tapir. Da bekommt man einen ganz anderen Zugang zu so einer Tierart. Ich will nicht sagen, dass das Lieblingstier bei mir wechselt, es kommen eher immer mehr dazu.

Sie arbeiten den ganzen Tag mit Tieren. Haben Sie privat auch Haustiere?
Ja, früher hatte ich sogar Schlittenhunde. Von diesen sportlichen Tieren bin ich dann auf eine etwas gemächlichere Hunderasse umgestiegen: Einen Rhodesian  Ridgeback. Damit bin ich auch sehr zufrieden.

Haben Sie sich denn ein ruhigeres Tier angeschafft, weil Sie nicht mehr so viel Zeit haben neben dem Beruf?
Ja, der Beruf hat da sicher auch mit reingespielt. Schlittenhunde bedeuten schon eine extreme Art der Haustierhaltung. Sie brauchen sehr viel Auslauf und ein Außengehege. Da sie sehr viel Arbeit machen, bin ich auf die häuslichere Form umgestiegen. Aber wenn es die Zeit wieder erlaubt, kann es schon sein, dass ich mir wieder Schlittenhunde zulege.

Inter.Vista, Kai Perret, Foto: Viktoria Kühne, Zoo Magdeburg

Inter.Vista, Kai Perret, Foto: Viktoria Kühne, Zoo Magdeburg

Was machen Sie in Ihrer Freizeit zum Ausgleich?
Ich schaue mir gerne Fußball- oder Handballspiele an. Ich treibe aber auch gerne selber Sport: ein bisschen laufen, ein bisschen Fitness und ein bisschen Rad fahren. Außerdem gehe ich gerne in das Theater in Magdeburg. Durch meinen Hund verbringe ich natürlich auch viel Zeit an der frischen Luft.

Sie selbst sagen, dass Sie aus einer Architektenfamilie kommen. Da liegt der Beruf des Zoodirektors nicht unbedingt nahe. Wie hat sich dieser Wunsch bei Ihnen ergeben?
Mein Großvater und mein Urgroßvater waren in diesem Bereich tätig. Durch meine Eltern bin ich aber an die Natur herangeführt worden. Wir waren sehr viel draußen. Ich bin in Duisburg groß geworden und hatte eine Jahreskarte vom Zoo. Wir haben fast jedes Wochenende dort verbracht. Aber man merkt, dass mir auch die Architektenveranlagung im Blut liegt. Ich kann mir schon im Kopf sehr genaue Vorstellungen davon machen, wie eine Anlage oder ein Gebäude später aussehen soll. So kann ich meine Ideen gut den Architekten vermitteln.

Wie wird man Zoodirektor?
Das kann man nicht planen. Das ist nicht so zielstrebig wie beispielsweise ein Medizinstudium. Das ist bei uns Biologen etwas anders. Ich hatte als Schwerpunkt Zoologie studiert und ich wäre gerne an der Universität geblieben. Aber wie das manchmal so ist, ist damals die Abteilung, in der ich arbeitete, geschlossen worden. Deshalb musste eine Alternative her. Ich hatte schon immer Richtung Zoo geliebäugelt und habe alle meine wissenschaftlichen Arbeiten über Zoos verfasst. Deshalb wollte ich mir dort ein zweites Standbein aufbauen. Durch meine Studien mit Menschenaffen hatte ich dort schon den Fuß in der Tür. So bin ich in die Zoowelt gerutscht.

Die meisten Menschen haben bei dem Wort Zoodirektor erst mal ein sehr idyllisches Bild im Kopf. Ein Dr. Tierlieb, der einen kleinen Zoo in Neustadt führt und nie ein Problem hat, das ein sprechender Elefant nicht lösen könnte. Wie sehen Ihre Aufgaben und Verantwortungen wirklich aus?
Es ist sehr vielschichtig. Die fachliche Kompetenz in der Zoologie und der Tierhaltung entwickelt sich im Laufe der Berufsjahre. Das muss man aus meiner Sicht als Grundlage haben. Außerdem braucht man ein gutes Gespür für die Entwicklungen der Zooführung und der Tierhaltung. Das ist schon fast eine politische Ausrichtung. Ein weiteres Feld ist im weitesten Sinne alles, was mit Betriebsführung zu tun hat. So ein Zoo ist ein mittelständisches Unternehmen, das auch so geführt werden muss. Auch wenn wir vom Staat gefördert werden. Ich selbst mache vielleicht noch 20 Prozent zoologische Dinge.

Inter.Vista, Kai Perret, Foto: Viktoria Kühne, Zoo Magdeburg

Inter.Vista, Kai Perret, Foto: Viktoria Kühne, Zoo Magdeburg

Warum ist es wichtig, dass eine Stadt wie Magdeburg einen Zoo hat?
Zoos sind ein ganz wesentlicher Punkt eines Angebots einer Stadt. Ich würde sogar sagen, er zählt zu den harten Standortfaktoren. Denn nach diesen Kriterien entscheidet man, ob man in dieser Stadt leben möchte. Außerdem sind wir als Zoo ein überregionaler Anziehungspunkt. Unsere Institution hat eine Sogwirkung für die Region und die Stadt. Die Zoobesucher bringen auch Geld in die Stadt. Außerdem hat der Zoo ideelle Ziele. Bei uns sind wir ganz klar auf die Kinder- und Jugendförderung spezialisiert. Nur an exemplarischen Beispielen kann man Emotionen für die Natur wecken und je früher man damit anfängt, desto besser. So können wir die neue Generation für die Umweltprobleme unserer Welt sensibilisieren.

»Man ist immer überzeugt, dass man das Richtige tut.«

Sie sind 2003 nach Magdeburg gekommen. Was hat sich in den letzten Jahren alles verändert?
Was den Zoo betrifft, haben wir in den letzten Jahren die Hälfte davon umgekrempelt. In der Stadt selbst hat sich auch viel getan. Die ganze Infrastruktur hat sich verbessert. Auch was die Angebote im Freizeit- und Bildungsbereich betrifft, haben wir unglaubliche Sprünge gemacht. Davon ein Teil zu sein, ist toll.

2016 gab es im Zoo ja auch ein freudiges Ereignis. Die weißen Löwenbabys Shaira und Jasiri wurden geboren. Warum war diese Tiergeburt etwas so besonderes?
Die Geschichte der weißen Löwen kann man nicht kurz erzählen. Es ist ein Paradebeispiel, wie wir mit unserer Natur umgehen. Denn Mitte der siebziger Jahre gab es keine weißen Löwen mehr in Südafrika. Die meisten Leute meinen, weiße Löwen seien eine Zuchtform, aber es ist eine natürlich vorkommende Farbvariante des afrikanischen Löwen, speziell aus einem Teil in Südafrika in der Nähe vom Krüger National Park im Bereich Timbawati. Nur durch sehr engagierte Farmer und einige Zoos konnten Tiere gerettet werden und diese natürlich vorkommende Farbvariante so bis heute erhalten werden. In den letzten Jahren konnten einige Tiere wieder in ihrem natürlichen Lebensraum ausgewildert werden. Derzeit gibt es 13 weiße Löwen in Südafrika in ihrem natürlich angestammten Lebensbereich und etwa 100 Tiere in europäischen Zoos.

Können Shaira und Jasiri denn in Magdeburg bleiben?
Leider nein, wir mussten sie rechtzeitig von der Mutter trennen, da sie sie nicht mehr ernähren konnte. Der Vater wird seine Töchter nicht als Töchter erkennen. Da wäre die Gefahr der Inzucht sehr groß. Aber es gab schon viele Anfragen von anderen Zoos.

Zoos stehen öfter in der Kritik, gesunde Tiere einzuschläfern. Auch der Zoo Magdeburg war 2008 damit in die Kritik geraten. Warum?
Das Ziel koordinierter Zucht ist es, eine Tierart genetisch zu sichern. Der Sinn ist es, Tiere in der Reserve zu haben für eine eventuelle Auswilderung. In einigen Fällen hat es schon stattgefunden, bestimmte Rassen in ihrem angestammten Lebensraum anzusiedeln. Dafür benötigt man eine sehr reine Form der Tierart. Bei uns wurde allerdings nachgewiesen, dass unsere sibirischen Tiger nicht reinrassig waren. Wir mussten uns deshalb fragen, welche Opfer wir für eine reine Zucht bringen wollen. Wir haben beschlossen, die Tiere direkt nach ihrer Geburt einschläfern zu lassen. Uns wurde vor Gericht gesagt, dass dieser Zeitpunkt falsch war und wir vorschnell gehandelt haben. Es gibt eine Kontroverse zwischen unserem Fernziel der Auswilderung und den ethischen und moralischen Vorstellungen der Gesellschaft. Das ist ein großes Problem, für das wir eine Lösung finden müssen. Es liegt noch ein langer Weg vor uns.

Treffen Sie solche Entscheidungen auch  persönlich?
In diesem konkreten Fall hat es mich persönlich sehr getroffen. Denn ich bin nicht als Zoodirektor, sondern als die Person Kai Perret angeklagt worden. Von persönlichen Attacken bis hin zu Morddrohungen war alles dabei. Das konnte man nicht auf die ›leichte Schulter‹ nehmen. Wir waren davon überzeugt, das Richtige zu tun. Auch Fachleute bestätigten uns, dass es fachlich richtig war. Trotzdem nimmt es einen mit. Schließlich bin ich nicht Zoodirektor geworden, weil ich Manager werden wollte, sondern aus Tierliebe.

»Ich habe auch ein unglaublich großes Faible für Elefanten.«

Sie selbst sind in Duisburg aufgewachsen und haben, bevor Sie nach Magdeburg gekommen sind, auch in Münster gearbeitet. Sind Sie in Magdeburg angekommen oder würde Sie noch eine andere Stadt reizen?
Ich bin in Magdeburg auf jeden Fall angekommen. Ich fühle mich sehr wohl und auch sehr heimisch. Das, was ich mache, ist aber kein Dauerjob. Ich kann nicht entscheiden, ob ich bis zum Ruhestand in Magdeburg bleiben kann. Das sind immer Zeitverträge von fünf Jahren. Letztendlich entscheidet der Stadtrat, ob ich dann für die nächsten fünf Jahre wieder dieses Unternehmen leiten soll.

Sind nach der Fertigstellung der Africambo noch weiter Projekte hier im Zoo geplant?
Es geht natürlich weiter. Der Zoo ist jetzt etwa zur Hälfte gemacht, bis 2024 soll die andere Hälfte fertig werden. Die ersten Projekte stehen schon auf der Agenda und sind in der Vorplanung bereits skizziert. Wenn der Umbau stattgefunden hat, geht es mit der ersten Hälfte wieder von vorne los, in Form von Sanierungs- und Verbesserungsarbeiten. Ein Zoo ist immer eine riesige Baustelle.

Wenn Sie mal nicht aufs Budget achten müssten und die freie Wahl hätten, was würden Sie am Zoo verändern?
Gar nichts. Ich bin davon überzeugt, dass es gar nicht so sehr um die Höhe des Budgets geht. Denn ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben immer das Geld bekommen, das wir brauchten. Das war sicherlich im Vergleich zu anderen Zoos knapp bemessen, aber aus meiner Sicht vollkommen ausreichend. Damit werden wir die nächsten Schritte auch machen. Wenn man ein bisschen sparsamer ist, sind die wirtschaftlichen Risiken für den Zoo und die Stadt auch überschaubar.

Dezember 2016
Interview aus INTER.VISTA 3

Vista.schon?
Dr. Kai Perret wurde 1965 in Duisburg geboren. Von 1989 bis 1997 studierte er Biologie an der Ruhr Universität in Bochum. Nach seiner Zeit an der Universität arbeitete er zunächst im Allwetterzoo in Münster. 2003 kam er schließlich nach Magdeburg, um den Zoologischen Garten zu leiten, zu entwickeln und durch seinen eigenen Stil zu prägen. Besonders wichtig ist ihm, Kinder und Jugendliche an Tiere und Natur heranzuführen. Der Zoo in Magdeburg beherbergt daher auch den ersten Zoo-Kindergarten weltweit.

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