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Frank Hengstmann

Frank Hengstmann ist Musiker, Gärtner und Großvater aus Leidenschaft. Und er ist Kabarettist im eigenen Haus nach Hengstmann‘s, angesiedelt zwischen »Sushi Uschi und Beate Uhse«, so Hengstmann. Gemeinsam mit seinen Söhnen steht er sechs Tage pro Woche auf der Bühne. Warum er Kabarett in der DDR leichter fand, sich selbst nicht leiden kann und denkt, dass Kabarett keine Vorbildfunktion erfüllen kann, erzählt der 60-Jährige im Interview.

Interview und Fotos: Maria Bachmann und Katerine Janietz 

Frank, bist Du eigentlich kitzelig?
Sehr kitzelig. Aber ich lasse mich nur von Menschen kitzeln, die ich mag. Am liebsten von meinen Enkelkindern. Die lachen auch mehr als ich. 

Was kann man denn noch so tun, um Dich zum Lachen zu bringen?
Komisch sein. Also eine normale Situation völlig umdrehen. Wenn zum Beispiel etwas festgefahren ist und man weiß, dass es stereotyp abläuft, aber dann passiert irgendetwas, das nicht in den Kram passt, darüber könnte ich mich kaputt lachen. Witze funktionieren nicht; es kann mir keiner einen neuen erzählen. Es sei denn, ich bekomme Alzheimer, dann fängt es vielleicht von neuem an.  

Inter.Vista, Frank Hengstmann: Kabarettist, Foto: Maria Bachmann, Katerine Janietz

Inter.Vista, Frank Hengstmann: Kabarettist, Foto: Maria Bachmann, Katerine Janietz

Über wen lachst Du weniger, Mario Barth oder Dieter Nuhr?
Barth! Kabarett oder Comedy, wo ist da die Grenze? Aber Barth ist einfach nur flach. Nuhr ist auch nicht mein Fall, weil er diesen Oberlehrer raushängen lässt. Ich versuche, mich mit dem Publikum zu verbünden und niemals über es hinweg zu spielen. Ich würde nie sagen, dass die Welt so ist und dass du es so begreifen musst, damit du richtig liegst. Kabarett kann es nicht leisten, eine Vorbildfunktion zu erfüllen. 

Worüber macht man keine Witze?
Kurt Tucholsky sagte, dass Satire alles darf. Das ist wahr. Über Kinderschänder würde ich keine Witze machen, da würde mir nichts einfallen. Aber über Behinderte kann man durchaus Witze machen. Ansonsten würden sie sich doch nur ausgegrenzt fühlen. Wir haben auch viele Rollstuhlfahrer bei uns. Da kommt schon mal der Scherz: »Na, hören Sie mal auf zu trinken, Sie müssen noch fahren.«

Was bedeutet Heimat für Dich?
Ich mache das nicht an einem Ort fest. Meine Heimat wird immer da sein, wo meine Liebsten sind. Trotzdem habe ich eine ganz große Beziehung zu Magdeburg. Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen und habe mein Publikum hier. Ich muss mich nicht mehr vorstellen, wenn ich irgendwo hingehe. Man kennt mich und das ist sehr schön.  

Ist Magdeburg ein guter Nährboden für Kabarett?
Ja. Magdeburg war schon immer eine Arbeiterstadt und ist es noch heute. Mit Beginn der Industrialisierung ging das los und setzte sich zu DDR-Zeiten fort. Aber durch die Universität und die Hochschule wohnen in Magdeburg auch viele junge Intellektuelle. Ich muss aufpassen, dass ich auch jeden bediene. Magdeburg hat eine wunderschöne Kabarett-Tradition. Mittlerweile gibt es drei Kabarett-Spielstätten in der Stadt. Aber das größte Kabarett steht auf dem Domplatz. Das ist der Landtag (lacht). 

Welches Land auf der Welt würdest Du gerne mal bereisen?
Ich bin gelernter DDR-Bürger und auch nie ein großer Fan von Reisen gewesen, weil ich sowieso immer auf Tourneen viele tausend Kilometer im Jahr fahren musste, und das im Trabant. Früher hatte ich vor, als Rentner irgendwann einmal New York zu sehen. Das war mein Traum. Aber ich habe mit vielen Freunden gesprochen, die dort waren und jetzt möchte ich da nicht mehr hin. Ich bin ein einziges Mal, wie jeder anständige Deutsche, auf Mallorca gewesen. Außerdem habe ich furchtbare Flugangst. Und mit dem Schiff kann ich auch nicht reisen, weil ich Land sehen muss. Also wird es dazu auch nie kommen. Es sei denn, man entführt mich mal. 

»Der Montag ist eigentlich unser Sonntag.«

Gibt es irgendetwas, wovor Du Angst hast?
Krank zu werden, ja. Davor habe ich richtig Angst. Ich bin im Januar 60 Jahre geworden. Und toi, toi, toi. Ich rauche, ich trinke mal ein Glas Wein, mal zwei. Ich treibe keinen Sport, Gott sei Dank. Aber ich gehe jeden Tag in die Sauna. Und ich fühle mich gut. 

War es zu DDR-Zeiten einfacher, kritisch zu sein?
Das ist eine Frage, bei der ich ins Stottern komme. In der DDR wusste der Kabarettist genau, was er sagen kann und was nicht. Heute ist es möglich, sich über Angela Merkels Frisur lustig zu machen. Damals hätte man sofort ein Auftrittsverbot bekommen, zum Beispiel wegen Erich Honecker mit Strohhut und Brille (lacht). Es gab eine ganz bestimmte ästhetische Ebene, die man nicht überschreiten durfte. Trotzdem war es wesentlich leichter, Kabarett zu machen. Das Publikum dachte das Unausgesprochene selbst zu Ende. Dadurch entstand die eigentliche Komik. Heute ist das schwieriger. Jetzt, wo du alles sagen darfst, musst du das dem Publikum auch so sagen. Du musst dich mehr anstrengen, ansonsten lachen die nicht. Die Probleme sind seit 1990 immer die gleichen: Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskriminalität und so weiter. In der DDR konntest du acht Jahre lang das gleiche Programm spielen. Aber jetzt erwarten die Leute, dass du auf der Bühne dazu etwas sagst.  

Apropos Probleme: Bist Du kritischer geworden? 
Nicht kritischer, sondern fleißiger. In unserem Kabarett müssen wir im Jahr mindestens vier Premieren spielen. Ich komme vom Schreibtisch eigentlich nicht mehr weg. Ich sitze dann im Keller vor meinem Laptop und lasse mich inspirieren.  

Du stehst schon seit über 50 Jahren auf der Bühne. Gibt es noch Momente, die Dich bewegen?
Ja, jeden Abend auf die Bühne zu gehen. Mit zunehmendem Alter wird das Lampenfieber komischerweise immer größer.

Wie sehen denn die letzten zehn Minuten vor dem Auftritt aus? Gibt es Rituale?
Direkte Rituale habe ich nicht. Aber ich trinke vorher immer ein Glas Sekt zum »Raufkommen«. Außerdem machen wir immer den Einlass, damit wir gleich präsent sind. Das ist ein Stück Firmenphilosophie.

Hörst Du Dich selbst gerne reden?
Nee, das ist ganz schlimm. Ich sehe mich auch nicht gern. Da ist so ein Schamfaktor. Wenn ich mich selbst sehe, dieses Overacting, das ist ganz schlimm. Ich kann mich einfach nicht leiden. Ich bin auch furchtbar selbstkritisch. 

Bist Du denn eitel?
Ja!

Wie äußert sich das?
Ich dusche jeden Tag (lacht). Wenn Du auf der Bühne stehst, musst Du schon schauen, dass die Klamotten passen. Ich bin auch in letzter Zeit etwas dicker geworden, da darf das Hemd nicht über der Hose sitzen. Ich renne auch zu Hause nicht in Jogginghose rum. Ja, ich bin ein bisschen eitel, das gebe ich zu. Der Spiegel lügt, die Wahrheit siegt.

Hattest Du schon einmal ein Programm, welches Du heute als Flop bezeichnen würdest?
1982 kam das DDR-Fernsehen auf mich zu und bot mir eine Samstagabendshow aus der Moritzburg in Halle an. Und ich, 24 Jahre alt, dachte mir: Geil, mein Durchbruch! Das Schlusslied sollte von Silly kommen. Der Drummer sah nur leider aus wie ein besoffener Waldschrat. DDR-Fernsehchef Heinz Adameck empfand das wohl als nicht publikumstauglich. Deshalb sollte ich einen anderen Schluss drehen und bekam mit, wie im Schneideraum meine Moderationen auf Klassenstandpunkt überprüft wurden. Lange Rede, kurzer Blödsinn, meine Show verlief dann so: Ich kam raus und sagte: »Guten Abend meine Damen und Herren«. Dann lief die Sendung und zum Schluss kam ich nochmal raus und sagte »Tschüss«. Ich habe dann ein halbes Jahr nichts mehr zu tun gehabt, weil mich keiner mehr wollte. Das war richtig schlimm. 

Denkst Du denn schon mal an Rente? 
Ich werde auf der Bühne sterben wie Rolf Herricht, der zusammen mit Hans-Joachim Preil das Komiker-Duo in der DDR war. Das lief bei ihm wirklich so: Vorhang auf, Finale, verbeugen, Vorhang zu und bums. Herzinfarkt, tot. So werde ich auch sterben. Ich kann nicht in Rente gehen. Was soll ich denn zu Hause machen?  

Wie viel Kind durftest Du in Deiner Kindheit noch sein? Du standest bereits mit fünf Jahren auf der Bühne. 
Mein Vater hatte in Magdeburg ein Amateur-Kabarett, die Kritikusse. Bei Auftritten sind wir Kinder immer mitgekommen und waren fasziniert, was die für Spaß hatten. Irgendwann sagten wir uns, dass wir das auch machen wollen. Mein Vater meinte, wir hätten doch eine Meise, Kinderkabarett würde nicht gehen. Aber wir waren dann das erste Kinder- beziehungsweise Pionier-Kabarett der DDR. Ich habe immer schon viel gespielt und in der Schule war ich nie eine Leuchte. Nach der zehnten Klasse bewarb ich mich an Schauspielschulen. Aber dann kam plötzlich ein Erlass von der Ministerin für Volksbildung, Margot Honecker – wir nannten sie immer liebevoll Miss Bildung – und deshalb musste ich zuerst eine Berufsausbildung machen. Ich habe Fräser gelernt. Das war sehr kontraproduktiv (lacht). 

»Wenn ich auf die Bühne gehe bin ich meistens ich selbst.«

Wird man als Kabarettist zynisch?
Ja! Also eine gewisse Portion Zynismus muss man haben. Man sollte ihn aber publikumstauglich herstellen. Denn das Publikum kommt zu mir und hat dafür bezahlt. Der Autor Peter Handke hat Mitte der sechziger Jahre diese furchtbare, zynische Publikumsbeschimpfung gemacht. Als er auftrat und schrie: »Ihr seid alle Idioten, ihr stinkt…«, sollte das eben Kunst sein. Und das wäre überhaupt nicht mein Ding. Ich möchte, dass mein Publikum mich lieb hat. 

Auf Deiner Website ist zu lesen, dass die Programme aus einem »familiären Miteinander, aber auch Gegeneinander« entstehen. 
Ich habe mein Rüstzeug noch aus der DDR und meine Jungs sind nun in einer bürgerlichen Gesellschaft groß geworden. Und meine Reflektion zu meiner Vergangenheit ist natürlich eine ganz andere als die der Jungs. Die können sich überhaupt nicht mehr an die DDR erinnern. Dadurch entstehen Konflikte. Dann sagen sie zu mir, dass ich nicht schon wieder mit der DDR kommen soll, die ist vorbei. Aber viele Leute, die zu uns kommen, haben die gleichen Wurzeln. Deshalb können wir den Gag jetzt noch machen. Das ist kontrovers. Wir haben eine humanistische Grundhaltung, aber bei solchen Sachen streiten wir uns auch schon mal im positiven Sinne. 

Euer Programm wird durch Kunstfiguren unterstützt, richtig?
Wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich meistens ich selbst. Ich habe nur eine Kunstfigur, den Manni. Und die Figur ist 1990 mit Einführung der D-Mark geboren. Ich wohnte damals im Neustädter Feld in so einem 16-Geschosser und davor stand ein Imbisswagen. Viele hier im Osten hatten ihre Arbeit verloren. Und dort standen die eben schon um sechs Uhr herum und haben Bier getrunken, Zigaretten gekauft und erzählt. Wenn sie besoffen waren, sind sie nach Hause getorkelt. Ich habe mich dazugestellt und den Gesprächen zugehört. Und da stand er. Er hatte wirklich diese Ballonjacke an und so ein rotes Basecap auf. Er hieß auch noch Manni. Dadurch ist diese Kunstfigur entstanden. Ich kann in der Weihnachtszeit nicht einfach über den Weihnachtsmarkt gehen, denn wenn die alle vorgeglüht haben, dann rufen sie oft: »Maaanniii! Komm ma‘ her, trink ma’n Glühwein mit!«

Inter.Vista, Frank Hengstmann: Kabarettist, Foto: Maria Bachmann, Katerine Janietz

Inter.Vista, Frank Hengstmann: Kabarettist, Foto: Maria Bachmann, Katerine Janietz

Du hast in einem Interview gesagt, Manni dürfe das sagen, was Frank nicht sagen darf. Was darf Frank denn nicht sagen?
Frank darf auf der Bühne nicht betrunken sein. Frank muss auf der Bühne versuchen, anständiges, grammatikalisch richtiges Deutsch zu sprechen und muss gut gekleidet sein. Das muss Manni alles nicht. Er kann sabbeln, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das macht das alles sehr leicht. Manni sagt auch Dinge, die ich eigentlich nicht sagen würde, die aber zur Figur passen, derbere Ausdrücke wie »Oarschloch« zum Beispiel. Natürlich ist es meine Figur. Aber viel Manni steckt nicht in mir. Erstens trinke ich kein Bier (lacht) und zweitens würde ich auch nicht so herumlaufen. 

Welche Bedeutung hat Musik in Deinem Leben?
Ich bin in einem sehr musikalischen Elternhaus groß geworden. Meine Mutti hat hervorragend Klavier gespielt und das wollte ich auch. Ich habe dann mit zehn Jahren begonnen, Klavierunterricht zu nehmen. Das war jedoch nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe (lacht). Mein Klavierlehrer wollte aus mir einen Lang Lang machen. Ich wollte aber damals I Want To Hold Your Hand von den Beatles und so etwas können. Ich musste immer wieder diese Etüden spielen. Später habe ich mir selbst Gitarre beigebracht, bestimmte Zusammenhänge begriffen und mich nochmal an das Klavier gesetzt. Bei einem Pianisten habe ich mir ein bisschen etwas abgeguckt, harmonische Strukturen und so, weil meine Söhne und ich für das Kabarett selber komponieren. Kurz: Musik ist mein Leben.

Du bist ein Arbeitstier. Was machst Du denn als Ausgleich zum Beruf?
Wir haben uns vor 23 Jahren in Egeln ein Häuschen gekauft, so eine Doppelhaushälfte. Das Wort Doppelhaushälfte muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Doppel-Haus-Hälfte. Aber offiziell heißt es so und dazu gehört ein kleines Grundstück mit 200 Quadratmetern Garten. Da relaxe ich dann. Ich habe einen grünen Daumen. Alles, was ich gepflanzt habe, ist bisher gewachsen. Ach, und handwerklich bin ich auch sehr begabt. Also, wenn mal was ist (zwinkert). 

Du kochst sehr gerne Kartoffelsuppe, auch mit der Familie?
Ja! Außerdem bin ich rund um die Uhr Großvater mit Leidenschaft. Zeit mit der Familie ist mir wichtig. Nur haben wir alle wenig Zeit und sind jeden Tag, außer montags, im Kabarett. Der Montag ist deshalb eigentlich immer unser Sonntag. Da macht jeder das, was er will. Nur Weihnachten sitzen wir wirklich massiv zusammen. Weihnachtslieder singen, essen, Geschenke öffnen und stundenlang erzählen von früheren Zeiten. Und jedes Jahr die gleichen Geschichten (lacht).  

Interview aus INTER.VISTA 1

 

Vista.schon?
Frank Hengstmann ist 1956 geboren und ist ein Urgestein der Magdeburger Kabarettszene. Mit seinem eigenen Kabarett nach Hengstmann’s prägte er die Szene in Magdeburg. Besonders die Kunstfigur Manni funktioniert auf Magdeburger Boden perfekt. Die Stadt inspiriert Hengstmann täglich auf’s Neue und ist für ihn ein guter Nährboden für Kabarett.

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