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Maurice Gajda

Man hat das Gefühl, Maurice Gajda benötigt keinen Schlaf. Gerade noch hat der gebürtige Magdeburger auf einer Party im Berliner Club SchwuZ als DJ aufgelegt. Nur wenige Stunden später steht der 32-Jährige in der Küche von Radio Fritz in Potsdam-Babelsberg und macht sich einen Pfefferminztee. Von Müdigkeit ist nichts zu spüren.

Interview und Fotos: Friederike Steemann 

Was machst Du als Erstes nach dem Aufwachen?
Ganz ehrlich: Ich checke mein Telefon! Jetzt ärgere ich mich darüber, dass die Nachricht, die ich heute Morgen verschickte, noch nicht beantwortet wurde.

Du hast, Stand Februar 2016, über 45.000 Facebook-Likes. Dein Profil verrät uns, Du beantwortest Nachrichten innerhalb von ein paar Stunden. Wie viel Zeit verwendest Du täglich dafür?
Ungefähr zwei Stunden.

Wie viele Stunden verbringst Du in den Sozialen Netzwerken?
Das begleitet mich den ganzen Tag. Morgens checke ich meine Nachrichten und schaue, wie mein Facebook-Morning-Post läuft. Im Prinzip ist Facebook die ganze Zeit wach, wenn ich wach bin. Wenn ich ins Bett gehe, checke ich auch nochmal bei Facebook, was passiert ist und arbeite ein paar Kommentare ab. So läuft das den ganzen Tag.

Inter.Vista, Maurice Gajda, Foto: Friederike Steemann

Inter.Vista, Maurice Gajda, Foto: Friederike Steemann

Ich lese abends im Bett eher ein Buch.
Wenn jemand mit dir interagiert, hat derjenige eine Erwartungshaltung. Diese möchte ich nicht enttäuschen. Ich nutze Facebook privat sehr wenig, aber wenn ich etwas kommentiere, möchte ich, dass eine Antwort kommt. Ich bin enttäuscht, wenn nichts zurückkommt. Ich habe Rihanna letztens bei Twitter geschrieben. Sie hat nicht reagiert. Das war mir schon vorher klar, aber ich fand es trotzdem enttäuschend.

Was bekommst Du für Nachrichten?
Die komplette Bandbreite. Vom einfachen »Hallo« über Penisbilder bis hin zu Abkürzungen, die ich nicht kenne und dann nachschlage. Jetzt weiß ich zum Beispiel, dass »Wie geht’s dir« »wgd« heißt. Aber ich frage mich auch: Wenn du jemanden anschreibst und hoffst, dass derjenige antwortet, dann schreibst du doch nicht nur »wgd«? Ich finde das ein bisschen respektlos. Dass man in ausgeschriebenen Worten miteinander kommuniziert, ist eine Grundansprechhaltung für mich.

Beantwortest Du auch die Nachrichten mit Penisfotos?
Ja, ich schreibe dann: Danke für diesen schönen Penis. Das habe ich einmal gemacht und dann kam noch einer (lacht). Darauf habe ich nicht mehr geantwortet, weil ich dachte, wenn das jetzt so weitergeht…

Wie wichtig ist die digitale Community?
Sehr wichtig. Zum einen ist mir die Community wichtig, zum anderen müssen wir auch kein Geheimnis daraus machen, dass Facebook-Likes und Youtube-Follower eine Währung geworden sind. MTV sucht heutzutage Moderatoren bei Youtube, nicht über Agenturen. Natürlich ist auch Interaktion eine Währung. Mal angenommen, ich brauche einen Moderator für tagesaktuelle Themen und sehe auf seinem Facebook-Profil, dass der letzte Post von Juni 2015 ist. Das wäre ein No-Go. Im Moderationsbereich schaut sich kein Mensch ernsthaft Vitas an. Facebook verrät: Wie viele Menschen ihn kennen, wie er interagiert, was er schreibt und wie er auf Bildern aussieht.

In welchen Momenten legst Du Dein Smartphone weg?
Im Kino. Im Theater. Nicht auf der Toilette. Es kann also durchaus sein, dass ich auf einen Kommentar antworte, während ich gerade auf der Toilette sitze. Als Follower kann man natürlich darüber nachdenken, ob das gut oder schlecht ist. Man wird es nie mitbekommen. Aber alleine zu wissen, es könnte so sein, ist schon interessant.

»Magdeburg hat ganz viel, was Berlin nicht hat. Zum Beispiel einen ernst zu nehmenden Fluss.«

Du hast unterschiedliche Standbeine: Radiomoderator bei Fritz, Reporter bei Galileo, Moderator bei joiz, ein eigenes Modelabel, einen Youtube-Kanal. Ab und an legst Du noch als DJ auf. Muss man sich heutzutage so breit aufstellen?
Die letzten drei Tätigkeiten sind keine Standbeine im klassischen Sinn. Mir geht es darum, dass ich Dinge, die ich im Kopf habe, gerne umsetze. Manchmal kommen Dinge auch zu einem. Ich habe mir nie in den Kopf gesetzt, dass ich Galileo-Host werde. Das hat sich ergeben und ich bin total froh darüber. Es ist nicht nötig, viel zu machen, aber es ist notwendig, Dinge mit Leidenschaft zu tun.

Besteht nicht die Gefahr, vieles halbherzig zu machen anstatt nur wenige Sachen mit voller Konzentration?
Nein. Mache ich etwas halbherzig, dann pausiere ich lieber. Ich habe letztens zum Beispiel eine Woche Youtube-Pause gemacht. Ich will diese Videos lieber so machen, dass auch ich sie gerne anschauen würde. Das kann ich aber nur, weil es kein richtiges Standbein ist, sondern etwas, worauf ich Bock habe. Bei einem hauptberuflichen »Youtuber« wäre das anders. Fritz, joiz und Galileo: Das sind Standbeine. Da kann ich nicht einfach eine Pause machen.

Wie viele Stunden schläfst Du durchschnittlich?
Das kommt auf den Tag an! Gestern eine halbe Stunde. Heute sieben Stunden.

An wie vielen Tagen im Monat hast Du frei?
An keinem.

Okay. Die Frage, was Du machst, wenn Du frei hast, fällt damit weg.
Naja, das ist die gesellschaftliche Konvention, die verlangt, dass man freie Tage hat. Man soll sich regenerieren. Aber ich bin keine Fleischfachverkäuferin, die Regeneration braucht. Ich bräuchte das, wenn ich jeden Tag tote Tiere verkaufen müsste. Wenn du aber – entschuldige die Floskel – dein Hobby zum Beruf machen kannst, dann arbeitest du anders. In dieser glücklichen Position bin ich. Es gibt ein paar Sachen, die ich als Arbeit empfinde. Aber bei Fritz zum Beispiel habe ich nicht das Gefühl, gerade zur Arbeit erschienen zu sein. Ich spiele gleich zwei Stunden lang Songs, die ich mag. Ich mache Dinge, die mir Spaß machen.

Wenn Du Dich irgendwann entscheiden müsstest: Radio oder Fernsehen?
Internet! Da kann ich Radio und Fernsehen machen. Die Frage stellen häufig wiss-begierige junge Menschen, die denken, dass man sich entscheiden müsse. Muss man nicht. Es sei denn, mir wird diese Entscheidung abgenommen. Vielleicht dann, wenn ich zu alt für das Jugendradio bin. Das wird wahrscheinlich der Moment sein, an dem ich mich vom Radio verabschiede. Es gibt kaum einen Sender, bei dem ich so gerne sende wie bei Fritz. Aber ich bin auch schon immer ein Fernsehmensch gewesen. Mein erstes mediales Produkt war Fernsehen.

Mit 16 Jahren hast Du das Format pop10 beim Offenen Kanal ins Leben gerufen. Wie war das? Noch nicht volljährig zu sein, aber schon seine eigene Sendung inhaltlich entwickeln und moderieren?
Cool! Da konnte ich im Rahmen der technischen Möglichkeiten schon sehr viel machen. Es war auch frustrierend, weil das Produkt oft nicht ernst genommen wurde. Da rief beim Plattenlabel irgendein Typ an und die Leute hatten noch nie von pop10 gehört. Das ärgerte und prägte mich. Ich nehme heute grundsätzlich jeden ernst mit dem, was er tut. Ich schaue mir das Produkt an und urteile dann.

»Ich muss nicht alle drei Tage mit meiner Mutter telefonieren. Und sie übrigens auch nicht mit mir.«

Du gehörst zur ersten Generation der deutschen joiz-Moderatoren. Viele Deiner Kollegen sind mittlerweile gegangen. Warum bist Du geblieben?
Nach der Insolvenz und der Neustrukturierung von joiz bekam ich eine sehr spannende Aufgabe. Ich wurde Head of music und hatte einen Gestaltungsspielraum, den ich bis dato nicht kannte. Außerdem ist joiz für mich bis heute super spannend. Für mich stand die Frage, ob ich gehe, nicht im Raum.

Gibt es Jobs, die Du nicht annehmen würdest?
Ja, alle Jobs, die in Badehose sind!

Bist Du ein Familienmensch?
Nein. Ich weiß, das lässt mich total unsympathisch und asozial wirken. Ich mag meine Familie und bin auch öfters zu Besuch. Ich war schon früh sehr selbstständig. Ich muss nicht alle drei Tage mit meiner Mutter telefonieren. Und sie übrigens auch nicht mit mir.

Wie würdest Du Deine Beziehung zu Magdeburg beschreiben?
Das ist meine Heimatstadt. Auch wenn ich nicht mehr dort wohne, beobachte ich sie mit einem kritischen und einem fröhlichen Auge. Im Moment, aufgrund aktueller Geschehnisse, aber eher mit einem sehr kritischen.

Bist Du heute noch gerne in Magdeburg?
Im Moment nicht. In Magdeburg passieren für mich gerade zu viele Dinge, die in eine rechtsextreme Richtung gehen. Ich bin schockiert, wie viele Menschen sagen, man habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber… Nicht nur in Magdeburg ist das ein Problem, sondern im ganzen Land. Ich gehe momentan sehr ungern in viele deutsche Städte.

Inter.Vista, Maurice Gajda, Foto: Friederike Steemann

Inter.Vista, Maurice Gajda, Foto: Friederike Steemann

Du lebst in Berlin. Was hat Magdeburg, was Berlin nicht hat?
Magdeburg hat ganz viel, was Berlin nicht hat. Zum Beispiel einen ernst zu nehmenden Fluss. Die Spree kannst du nicht ernst nehmen. In Magdeburg, mit ungefähr 250.000 Einwohnern, kannst du sehr zügig und effizient Projekte umsetzen und wirst auch wahrgenommen. Du kannst schnell tolle Dinge machen und etwas auf kurzen Wegen regeln. Das weiß ich sehr zu schätzen, darum war ich lange in Magdeburg. Aber wenn man schnell vorankommt, dann erreicht man auch schnell das Ende. Das war bei mir irgendwann der Fall. In Berlin brauchst du einen langen Atmen und einen großen Anlauf, um wahrgenommen zu werden.

In einem Interview sagtest Du: »Ich bin auf jeden Fall geborener Magdeburger und Europäer, der gerade in Berlin lebt. Auf jeden Fall bin ich kein Sachsen-Anhalter.« Wo ziehst Du die Grenze zwischen einem »Magdeburger« und einem »Sachsen-Anhalter«?
Sachsen-Anhalt ist für mich ein Bundesland, das abgeschafft gehört. Es ist ein sinnloses Bundesland. Für mich liegt Magdeburg zwischen Börde und Altmark an der Elbe. Nicht in Sachsen-Anhalt. Es ist wirtschaftlich gesehen Quatsch, so ein Bundesland aufrecht zu erhalten. Ich finde es auch in kultureller Hinsicht Quatsch, weil es einen riesigen Bruch gibt zwischen dem Norden und dem Süden. Die Hallenser mögen die Magdeburger nicht und andersherum genauso. Das macht alles keinen Sinn, darum habe ich das gesagt. Ich fühle mich auch sehr europäisch.

»Es ist nicht nötig, viel zu machen. Aber es ist notwendig, Dinge mit Leidenschaft zu tun.«

Kannst Du Dir vorstellen, nach Magdeburg zurückzuziehen? Vielleicht eines Tages, wenn Du alt bist?
Ja, aber das hat nichts mit dem Alter zu tun. Das kommt immer auf die berufliche Situation an. Im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Das liegt auch daran, dass ich darauf angewiesen bin, in einer Stadt zu leben, in der ich innerhalb von 45 Minuten an einem Flughafen bin. Magdeburg bietet alles, was man zum Leben braucht, keine Frage.

Interview aus INTER.VISTA 1

 

Vista.schon?
Maurice Gajda, Jahrgang 1983, wurde in Magdeburg geboren. Hier produzierte und moderierte er ab 1999 wöchentlich die Musiksendung pop10 beim Offenen Kanal. Nach einer Ausbildung zum Mediengestalter arbeitete Gajda ab 2005 beim Radiosender Rockland und in diversen Clubs als DJ. 2008 übernahm er den sonntäglichen Soundgarden am Abend bei Radio Fritz, den er bis heute moderiert. Seit 2013 gehört er zum Moderatorenteam des Fernsehsenders joiz Germany. Maurice Gajda betreibt seinen eigenen Youtube-Kanal, seine eigeneModemarke Planet Sexor und ist seit 2015 Reporter für das Pro7-Magazin Galileo.

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