Als ihr während des Jurastudiums langweilig wurde, kaufte sie sich das ›schönste Pony‹ der Welt. Dessen gesundheitliche Leiden behandelte sie kurzerhand selbst. Seitdem arbeitet Christina Karina Wilczek als selbstständige, ganzheitliche Pferdefachtherapeutin und absolvierte sogar eine Ausbildung zur Huforthopädin. Mit Inter.Vista spricht sie zudem über ihre Vorliebe für Senf, wie sie zum Thema Pferdefleisch steht und weshalb wir uns für Geschichte interessieren sollten.
Interview und Fotos: Benjamin Holz
Wie bist Du auf ›das Pferd‹ gekommen?
Ich habe mit sechs Jahren Zorro geguckt. Er hat gepfiffen und das Pferd kam. Das faszinierte mich so sehr, dass ich auch ein Pferd haben wollte. Meine Mutter schleppte mich dann zu einem Bekannten, der Pferde hatte. Seitdem reite ich.
Als studierte Juristin arbeitest Du als ganzheitliche Pferdefachtherapeutin. Wie kam es dazu?
Aus Langeweile kaufte ich mir während meines Jurastudiums ein Pony, das ›schönste Pferd‹ der Welt. Es ließ sich aber nicht reiten. Ich rief einen Tierarzt an und sagte, dass mein Pferd Rückenschmerzen habe. Er meinte, ich solle es zurückgeben. Ich habe nach Alternativen gesucht und errechnet, dass ich für das Geld, das ich einem Therapeuten drei Jahre lang bezahlen würde, auch selbst diese Ausbildung machen könnte. Nachdem mein Pferd wieder reitbar war, mussten die Hufe gemacht werden. Der Huforthopäde aus Halle wollte irgendwann nicht mehr nach Magdeburg kommen, deswegen habe ich auch eine Ausbildung als Huforthopädin absolviert.
Willst Du irgendwann als Juristin arbeiten?
Nein. Ich habe hinter die Kulissen gesehen. Recht haben und Recht bekommen sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich habe keine Lust, mich dafür bezahlen zu lassen, um jemanden zu vertreten, der nicht Recht hat, aber wahrscheinlich Recht bekommen wird.
Was ist Dir an Deiner Arbeit besonders wichtig?
Reiter und Pferd sind immer ein Team, das über sich hinauswächst und gemeinsam zum Ziel kommt. Ich finde es toll, wenn Menschen begreifen, was sie tun. Ich möchte meinen Kunden helfen, das Problem zu erkennen, an sich selbst zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln. Ich bin nicht das schlechte Gewissen, das sagt: Ich repariere, was du kaputt gemacht hast.
Wenn nicht Pferdetherapeutin, was dann?
Wahrscheinlich wäre ich Lehrerin für Geschichte und Englisch. Ich halte es für wichtig, dass wir die Geschichte kennen und uns verständigen können. Menschen haben früher auch Fehler gemacht, daraus kann man lernen. Mich interessiert das Mittelalter, die Epoche um Sissi, auch die ganzen Kriege und die Industrialisierung, wie man sich damals selbst Steine in den Weg gelegt hat. Ich denke aktuell auch oft über den Zweiten Weltkrieg nach, auch bezüglich der AfD. Ich weiß nicht, was ich damals gemacht hätte, aber vielleicht müssen wir uns damit bald wieder auseinandersetzen. Früher interessierte ich mich auch sehr für Ägypten und wollte Archäologie studieren. Das Zweistromland Mesopotamien, die ganzen Pharaonen in ihren ›Totendingern‹, das Tal der Könige und die Mumien. Was die Menschen damals auch über das Leben nach dem Tod dachten, dass sie den Körper festhalten wollten, das finde ich sehr spannend.
»Der Weg ist das Ziel, du musst jetzt anfangen zu leben.«
Schlummern in Dir noch andere verborgene Talente?
In Amerika habe ich Zeichenkurse belegt, das entspannt mich. Ich lese gern und habe gerade festgestellt, dass ich gar nicht so schlecht bastele. Wenn ich Zeit habe, koche ich auch, am liebsten mit Senf. Bockwurst mit Senf, Senfsoße mit Ei, Honig-Senf-Dressing für Salate. Schinkensahnesoße mit Senf, Schweinefilet kleingeschnitten mit Senf, Knoblauch mit einem Löffel Honig mariniert, dazu eine Weißweinsoße, schmeckt super!
Durch Deine Arbeit baust Du ein enges Verhältnis zu Pferden auf. Hast Du jemals Pferdefleisch probiert?
Nein. Aber ich glaube, ich würde sogar mein eigenes Pferd essen, denn ich weiß am besten, was ich jahrelang gefüttert habe. Im Endeffekt esse ich ja nicht meinen Freund, denn das Pferd ist dann tot. Sterben muss sowieso jeder. Ich würde natürlich nicht mein Pferd töten, damit ich es essen kann, aber irgendwann kommt sowieso das Ende. Der Körper ist dann nur noch eine Hülle. Ob ich diese wegschmeiße, Hundefutter daraus mache oder mir ein Steak brate, wenn es mir schmeckt, warum denn nicht?
Zurück in die Gegenwart, was findest Du an Magdeburg spannend?
Das bleibt immer irgendwie meine Heimat. Ich bin hier geboren und mit vier Jahren nach Landhaus (Stadtteil von Möckern, Anm. d. Red.) gezogen. Magdeburg hat nach Köln den schönsten Dom. Wir haben auch die Magdeburger Halbkugeln, die überall herumstehen und meistens besprüht und dreckig sind. So wirklich weg will ich eigentlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, irgendwann ins Warme zu ziehen.
Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?
Eines Tages lief ich am Friedhof vorbei und mir fiel auf, dass wir als Kinder immer darauf gewartet haben, endlich in die Schule zu kommen. In der Schule wollten wir dann endlich in der siebten Klasse sein, dann wollten wir das Abi haben, endlich studieren, den Führerschein machen, endlich 25 sein, Kinder haben. Jetzt habe ich Kinder, Abi, studiert und den Führerschein. Auf was will ich mich jetzt freuen? Auf die Rente und dann vielleicht die Gicht? Der Weg ist das Ziel, du musst jetzt anfangen zu leben. Ich möchte mir die Welt ansehen und die Zeit mit den Kindern genießen.
März 2018
Interview aus INTER.VISTA 5
Vista.Schon?
Christina Karina Wilczek, 1988 in Magdeburg geboren, ist Mutter zweier Kinder. Sie war mit 17 Jahren als Ausstauschschülerin in Cambridge (Ohio), machte dann das Abitur in Deutschland. Während des Jurastudiums in Wolfenbüttel begann sie 2010 eine Ausbildung im Bereich Akupunktur-Massage nach Penzel und Osteopathie. Seit 2011 ist sie selbstständige Pferdefachtherapeutin. Zu ihrer Arbeit gehören neben Kundenberatungen unter anderem das Beheben von Verspannungen, das Richten von Muskelund Wirbelblockaden, Blutegel- und Lasertherapie. Zusätzlich arbeitet sie teilweise als Tierarzthelferin und bildet zudem Osteopathen an den Paracelsus-Schulen aus.
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