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Jennifer Stein

Powerfrau, Genießerin und Zigarrenexpertin. In ihrem eigenen Laden am Alten Markt verkauft sie nicht nur Tabakwaren, Pfeifen und Spirituosen, vor allem geht es darum, ihren Kunden Genuss näherzubringen. Zwischen Regalen voller edler Flaschen und Zigarrenvitrinen spricht sie mit Inter.Vista über ihre erste Pfeife, was sie von aktuellen Foodtrends hält und über Frauen in Führungspositionen. Und wisst ihr eigentlich, wie es ist, vier Tage durch Schottlands Brennereien zu touren?

Interview: Rosalie Henkel | Fotos: Lara-Sophie Pohling

Rosalie Henkel, Inter.Vista

Wie sind Sie ausgerechnet zu einem Tabak­- und Spirituosengeschäft gekommen?
Den Laden gibt es bereits seit 1954. In der DDR führte ihn eine Dame namens Ingrid Witek. Ich ging als Jugendliche dort schon ein und aus. Ich wurde öfter hier abgesetzt und bediente immer Kunden, wenn Frau Witek gerade mal verschwinden musste. Da war ich noch ziemlich jung, 15 oder 16 Jahre. Sie sprach mich an, als sie keinen Nachfolger fand. Da habe ich hier reingeschnuppert. Wir verabredeten uns immer abends heimlich. Das wussten selbst die Mitarbeiter nicht, in der Startphase wäre das sehr verunsichernd für das damalige Team gewesen.

Gibt es dann eine große Jubiläumsfeier für Sie?
Nein, die machen wir erst, wenn hier eine große 100 steht.

Wie kam es zu dem Namen Bottle & Pipe?
Zu DDR-Zeiten hieß das Geschäft einfach nur Tabakwaren. Der originale Schriftzug über dem Schaufenster ist von 1954 oder 1955. Der Name Bottle & Pipe wurde nach der Wende kreiert. Das hat sich Frau Witek ausgedacht. Sie sprach kein Wort Englisch, meinte aber, das sei jetzt zeitgemäß. Eine sehr selbstbewusste Frau. Ich finde den Namen sehr passend für uns.

»Wer ein Team hat, muss für das Team da sein.«

Beruflich haben Sie doch erst einen anderen Weg eingeschlagen?
Ich habe Design studiert und auch in der Branche gearbeitet. Das habe ich für Bottle & Pipe an den Nagel gehangen. Vieles kann ich aber auch hier anwenden.

Inter.Vista, Bottle & Pipe, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Bottle & Pipe, Foto: Lara-Sophie Pohling

Sie bieten in Ihrem Laden Pfeifenabende, Whisky­ und Weinverkostungen an. Wie läuft das ab?
Unterschiedlich. Für die Pfeifenabende kooperieren wir mit dem Ratskeller. Dort treffen wir uns im Bischofssaal, für die Magdeburger ein sehr wichtiger Ort. Das gibt unseren Pfeifenrauchern ein tolles Ambiente. Wir gestalten Themenabende und bringen Tabake aus verschiedenen Stilistiken, wie Englisch und Dänisch mit, über die unser Team hier bestens Bescheid weiß. Die Gäste können den ganzen Abend so viel Pfeife rauchen, wie sie wollen und wie sie natürlich vertragen. Wir hatten auch schon mal einen Pfeifenmacher dabei, der uns zeigte, wie Pfeifen hergestellt oder sogar aufbereitet werden. Unser Zigarrenabend After Work Smoke ist einmal im Monat. Da besteht die Möglichkeit, verschiedene Zigarren zu rauchen, auch in diversen Preislagen. So kann der Student kommen, der sieben Euro ausgibt, aber auch der Geschäftsmann, der für 20 Euro eine Zigarre rauchen möchte. Außerdem bringen wir an den AWS-Abenden feingeistige Getränke mit, so ist auch der flüssige Verkostungspart gedeckt. Auch Rum-, Whisky-, Gin-, Edelobstbrand- oder Weinverkostungen stehen hoch im Kurs. Die Weinabende finden bei schönem Wetter vor dem Laden statt. Ansonsten räumen wir den gesamten Laden leer und stellen Bänke und Tische hinein. Wir erzählen dann über Wein, Whisky, Portwein oder auch mal über Rum. Für diese Events muss man sich pünktlich eine Eintrittskarte kaufen, die sogenannten ›Privattastings‹ sind immer nur für 18 Personen. 

Bei Pfeifenabenden denkt man schnell an alte Herren, die beieinander sitzen und an ihren Pfeifen ziehen. Ist das denn tatsächlich so?
Nein. Das haben mich schon viele Leute gefragt, und ich muss immer sagen, der Pfeifenraucher ist relativ jung. Viele von ihnen rauchen vielleicht eine Pfeife in der Woche. Das sind meistens die etwas jüngeren Leute wie Studenten oder Berufseinsteiger. Pfeife rauchen ist im Moment en vogue. Selbstverständlich haben wir auch ältere Kunden, das ist wirklich querbeet.

Wann fingen Sie selbst an, Pfeife zu rauchen?
Als ich den Laden übernahm. Frau Witek hat mich in die Pfeifenrauchermaterie eingeführt. Wir rauchten dann zusammen eine kunterbunte Pfeife von Fancy. Ich bin nicht die riesengroße Pfeifenraucherin, sondern eher eine Zigarrenraucherin. Wenn wir neue Tabake haben, dann probiere ich diese. Ansonsten bin ich nicht diejenige, die den ganzen Tag mit einer Pfeife im Mund herumläuft. Das sind eher die Jungs im Team. Jeder im Laden hat seine Präferenz und ich bin eher für die Flüssigkeiten und Delikatessen da. 

Sind Pfeife­ und Zigarrerauchen nicht mit Vorurteilen behaftet?
Es gibt schon Leute, die sagen: Schau dir die Angeber mit der dicken Zigarre an. Oder: Das ist wieder so ein Stylist mit einer Pfeife. Wer sich eine Zigarre oder Pfeife in den Mund steckt, dem ist das sowieso egal. Man setzt sich damit ja nicht an eine Bushaltestelle. Die Pfeife nimmt man nur im richtigen Moment. Man muss eine chillige Situation haben. Man kann das nicht mit Zigarettenrauchen vergleichen. Mit einer Pfeife oder Zigarre setzt man sich hin und entspannt einfach ein bisschen. Das ist das Besondere daran.

»Die Magdeburger sind mehr Genießer, als man sich das so vorstellt.«

Früher galt die Unternehmensführung als Männerdomäne. Wie behaupten Sie sich als Frau?
Ich habe keine Probleme damit. Die Welt ist offen und ich würde nicht sagen, dass nur Männer oder Frauen sich mit Genussartikeln auskennen. Es gab am Anfang im Geschäft ein oder zwei Kunden, die ein bisschen die Nase rümpften. Würde ich hier als graues Mäuschen stehen, dann wäre das vielleicht heute noch so. Wenn man sich aber Fachkompetenz aneignet, Lehrgänge besucht und wirklich mitreden kann, dann spielt es keine Rolle, ob hier eine Frau oder ein Mann steht. Vielleicht muss man sich als Frau manchmal ein bisschen mehr beweisen. Es gibt schon Leute auf dieser Welt, die Frauen nicht ganz so ernst nehmen. Aber dann sage ich immer: sollen sie doch gehen.

Was ist das Beste am eigenen Geschäft und der Selbstständigkeit?
Ich bin ein sehr selbstbestimmter Mensch. Ich erfülle mir einen Traum, indem ich das mache, was ich für richtig halte, ohne dass jemand anderes darauf einwirken kann. Ich bin aber nicht allein. Wir haben hier ein Team und arbeiten hervorragend zusammen.

Gibt es auch Schwierigkeiten?
Vieles ist anstrengend am Selbstständig-sein. Ich mache mir immer Gedanken, auch wenn es mal nicht gut läuft. Ich habe eine wahnsinnige Verantwortung für die Mitarbeiter und den Laden. Das muss einem bewusst sein. Wer ein Team hat, muss für das Team da sein.

Sie sind eine vielbeschäftigte Frau. Wie entspannen Sie am besten?
Indem ich sonntags meine Freunde besuche. Zusammensitzen, einen schönen Feuerkorb anzünden, tolle Zigarren rauchen und herrlichen Wein trinken. Dabei ›fahren wir runter‹, unterhalten uns über andere Sachen als die Arbeit. Schöne Gespräche, nette Leute, das ist das Wichtigste. Aber Essen und Trinken sind auch wichtig. (lacht) 

Inter.Vista, Bottle & Pipe, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Bottle & Pipe, Foto: Lara-Sophie Pohling

Wie oft rauchen sie eine Zigarre?
Etwa einmal in der Woche. Aber nur, wenn der Moment passt. Anders ist es, wenn eine neue Zigarre herauskommt und wir diese testen. Dann rauchen wir sie einmal an. Das würde ich persönlich nicht als Rauchen bezeichnen, nur weil ich 10 oder 15 Minuten mit der Zigarre beschäftigt bin. Das hat nichts mit Genuss zu tun. Mich hinsetzen, Beine hochlegen und neben mir ein netter Gesprächspartner, das ist wirklich Hochgenuss. Was wir machen, ist eher Arbeitstesten. Genauso läuft das bei den Flüssigkeiten, die müssen ja auch geprüft werden.

Auf Ihrer Website steht, dass Sie Ihre Kunden mit Leidenschaft und Liebe zum Detail empfangen. Empfangen Sie Ihre Gäste zu Hause genauso?
Ja. Wenn uns Freunde besuchen, möchte ich, dass sie sich wohlfühlen.

In Magdeburg sind Sie jedes Jahr auf der Messe Winterträume dabei. Wie kann man sich das vorstellen?
Das ist eine Messe für Dekorationen, Kleidung, Feinkost und alles, was mit Winter und Weihnachten zu tun hat. Die Messe ist eher frauenlastig und die Männer langweilen sich ein bisschen. Wir haben dort ein Genusszelt mit schönen Loungemöbeln. Bei uns können die Kunden sitzen, Zigarre rauchen, Wein trinken oder einen Whisky probieren. Oft landen die Männer nach einer Viertelstunde bei uns und verweilen, bis ihre Frauen sie wieder abholen und alle sind glücklich. Auf der Messe haben wir als Highlight immer eine Zigarrenrollerin dabei, meistens aus Brasilien, einmal kam sie aus Honduras.

»Man muss eine chillige Situation haben.«

Sind Sie nur als Ausstellerin auf Messen unterwegs oder auch als Besucherin?
Beides. Wir sind jedes Jahr auf der weltweit größten Weinmesse ProWein im Frühling dabei und auch bei der Tabakmesse InterTabac in Dortmund. Außerdem fahren wir oft zu kleineren Messen wie zum Beispiel Rum-Events. Ansonsten sind wir auch Aussteller bei vielen Veranstaltungen und man kann uns als Genuss-Team oder auch einzeln als Genuss-Person für Events buchen, zum Beispiel für Firmenjubiläen.

Inter.Vista, Jennifer Stein, Foto: Lara-Sophie Pohling

Was halten Sie von aktuellen Foodtrends?
Schön ist, dass die Leute mehr darüber nachdenken, was sie in ihre Körper reinlassen. Sie essen und trinken nachhaltigere Lebensmittel. Vielleicht nur einmal in der Woche Fleisch, den Rest der Zeit dann eher Gemüse. Genauso ist das mit einer tollen Spirituose, die zehn Euro mehr kostet oder mit einem hochwertigen Tabak. Grundsätzlich hat ein Trend, der in Richtung Gesundheit geht, immer etwas für sich. Man kann es aber auch übertreiben. Wichtig dabei ist, das Glücklichsein nicht zu vergessen. 

Warum glauben Sie, dass ein Tabak-­ und Spirituosengeschäft gerade in Magdeburg funktioniert?
Die Magdeburger sind mehr Genießer als man sich das so vorstellt, auch wenn wir manchmal ein bisschen ›schnodderschnützig‹ sind. Aber so ein Laden hat eigentlich in jeder größeren Stadt eine Existenzberechtigung. Wichtig ist, dass die Leute, die darin arbeiten, sich Mühe geben und es mit Liebe machen. Ob man einen Spirituosenladen, ein Gastronomieobjekt oder eine Bäckerei hat, man muss seine Arbeit immer mit Leidenschaft tun.

Ich habe herausgefunden, dass Sie südafrikanische Rotweine lieben. Was macht diese aus?
In Südafrika herrscht ein besonderes Klima. Es gibt viele Länder, die tolle Weine herstellen. Da ich allerdings schon öfter in Südafrika war, entwickelte ich ein Faible für die dortigen Weine. Das ist für mich ein Stück Erlebnisfaktor. Die landestypische Rebsorte ist Pinotage. Die Trauben sind sehr klein und schalenlastig. Daraus entstehen kräftige, dunkle Weine. So ein Wein passt super zur Zigarre, toll zur Schokolade und hervorragend zu deftigem Essen.

Sind diese Reisen privat oder beruflich?
Eher beruflich. In Südafrika besuchten mein Partner und ich in sieben Tagen 20 Weingüter. Ich war auch schon in Nicaragua oder auf La Palma, dort gibt es Zigarrenplantagen. Ich würde solche Reisen gerne öfter unternehmen, irgendwo hinfahren und mir alles anschauen, aber dafür fehlt leider die Zeit. Wenn es passt, kombinieren wir das auch mit Urlaub. Dieses Jahr waren wir in Schottland auf der Insel Islay, wo wir eine Whiskytour gemacht haben. In zwei Tagen besuchten wir jede Destillerie auf der Insel. Das war ein hartes Programm. Danach fuhren wir aufs Festland in Richtung Edinburgh und haben dort auch noch verschiedene Brennereien besucht. Nach vier Tagen waren wir wieder in Magdeburg. Das war null Urlaub. (lacht) 

»Pfeife rauchen ist im moment en vogue.«

Inter.Vista, Jennifer Stein, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Jennifer Stein, Foto: Lara-Sophie Pohling

Das klingt nach viel Whisky in vier Tagen.
Man spuckt beim Tasting ja aus. Bei der Kommunikation muss ich klar bei Verstand sein. Wenn man als Privatperson so etwas macht und nach dem dritten Whisky rote Bäckchen hat, dann ist das völlig in Ordnung. In beruflicher Hinsicht möchte ich jedoch wichtige Informationen bekommen und die richtigen Fragen stellen.

Whiskey oder Whisky?
Trinkt man Whiskey, ist man in Irland. Trinkt man Whisky, ist man in Schottland. In Amerika schreibt man Whiskey auch mit ›e‹. Irland und Schottland streiten sich allerdings, wer der Urheber des Whisk(e)ys ist. Jeder behauptet, er war es. Das ist einfach eine Glaubenssache.

Wenn es mal kein Wein, Whisky oder Rum sein soll, welches ist Ihr liebstes alkoholfreies Getränk?
Gerne Tee, Kaffee und Wasser. Ich bin nicht unbedingt der Brausetyp.

November 2018
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

Jennifer Stein, geboren 1980, wuchs in der Nähe von Magdeburg auf. Aus ihrem Jahrgang empfiehlt sie unter anderem den besonderen Portwein Colheita von J. H. Andresen. Nach der Schule studierte sie zunächst Design und arbeitete auch in diesem Bereich. Heute führt sie mit ihrem Lebenspartner und gleichzeitigem Geschäftspartner Bottle & Pipe. Von ihrer Wohnung im Zentrum aus kann sie jeden Morgen zum Laden laufen. Ihr Geheimtipp für Magdeburg ist in den Wintermonaten definitiv der Weihnachtsmarkt, der direkt vor ihrer Tür stattfindet.

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