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Roland Bach

Kurz nach Neujahr besuchten wir Roland Bach in seiner Klavierschule in der Altstadt. Der studierte Technologe lebt seit jeher in Magdeburg und lehrt Alt und Jung das Klavierspielen. Inter.Vista verrät er das ultimative Heilmittel gegen Kopfschmerzen, erzählt von seiner dramatischen Geburt und von einem ungewöhnlichen Nebenjob.

Interview und Fotos: Sophie Traub

Mit welchem Musiker, tot oder lebendig, würden Sie am liebsten zu Abend essen?
Nur mit einem? Das ist ja grausam! Vielleicht mit dem ›richtigen‹ Bach, meinem Namensvetter, oder Mozart. Es wäre cool, zu erfahren, wie diese Personen wirklich waren. Als Musiker kennt man nur deren Produkte und für gewöhnlich sind die dazugehörigen Persönlichkeiten dann doch recht enttäuschend. Das gilt für die Literatur, wie auch für die Musik und die Wissenschaften. Die haben alle ihre enttäuschenden Seiten.

Woher stammt Ihre Liebe zur Musik?
Das kann ich nicht erklären, die war einfach da. Als wenn es so vorherbestimmt gewesen wäre. Wenn ich als Kind eine Tastatur sah, fühlte ich mich zu ihr hingezogen, ganz un erklärlich. Ein nettes Schicksal. 

Sie komponieren selbst. Was ist Ihr bisher gelungenstes Werk?
Das ist ein kleines Klavierstück, das sich »Awolin« nennt. Darauf bin ich besonders stolz. Es wurde unter anderem sogar bei einem Darmstädter Musikverlag verlegt.

Inter.Vista, Foto: Sophie Traub

Inter.Vista, Foto: Sophie Traub

Wer oder was inspiriert Sie beim Komponieren?
Nichts. Entweder ist etwas da oder nicht. Ich höre anfangs immer ein paar Töne und spiele diese dann einfach weiter. Ich setze mich nicht hin und warte auf eine Idee. Das klappt nicht. Diese Töne kommen meist dann, wenn es gerade überhaupt nicht passt. Es ist auch schon geschehen, dass ich davon träumte. Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, ist die Idee auch wieder weg.

Haben Sie ein inspirierendes Vorbild?
Kein Vorbild, aber eine inspirierende Vorlage. Das ist der Jazzpianist Sir George Shearing. Er wurde blind geboren und schaffte es trotzdem, Klavier zu spielen und Lebensfreude sein Eigen zu nennen.

Sie spielen und unterrichten Klavier. In welchem Genre sind Sie musikalisch gesehen zu Hause?
Von der Ausbildung her in der Klassik, aber ich mag auch sehr gerne Jazz.

Wie kamen Sie zum Jazz?
Wie üblich, per Zufall. Die Geschichte dahinter ist ein wenig merk würdig. Es war ein ganz normaler Tag und ich hatte wirklich furchtbare Kopfschmerzen. Ein guter Freund kam vorbei und meinte, es finde ein Jazzkonzert in der Nähe statt und wollte mich mitnehmen. Das war damals im Klubhaus der Eisenbahner, das gibt’s heute gar nicht mehr. Ich hatte eigentlich keine Lust, aber: Was soll passieren? Schlimmer wird’s nicht. Als wir ankamen, erfuhr ich, dass es sich um Free Jazz handelte, also eine Form des Jazz, bei der nur improvisiert wird. Im Übrigen: So ›free‹ ist Free Jazz nun auch wieder nicht. In diesem Genre gibt es jede Menge Verbote. Na, jedenfalls klang das alles für mich nur nach noch mehr Kopfschmerzen. Wir saßen auch noch in der ersten Reihe, es war hübsch laut. Doch als das Konzert vorbei war, ging es mir richtig gut. Die Kopfschmerzen waren verflogen. Nach diesem Erlebnis interessierte ich mich also für Jazz und das ist bis heute so geblieben.

Auf Ihrer Website steht, Sie unterrichten von 6 Jahren bis 66+. Wie alt ist Ihr ältester Schüler und wie alt Ihr jüngster?
Ich glaube der Älteste zählt etwas über 70 Jahre und der Jüngste hat mit sechs Jahren angefangen. Viele der Erwachsenen hatten schon mal Unterricht und wollen das dann wieder auffrischen oder fortführen.

Ist das dann wie Fahrradfahren? Also man verlernt es nie?
Ich würde eher sagen, es ist wie Sport. Wenn man nicht hart trainiert, rostet man ein. Um nur das Niveau zu halten, muss man schon üben.

»Im Gegensatz zu vielen Leuten meines alters hatte ich wirklich viel Spaß in meinem leben.«

Sie sind so gut wie unsichtbar im World Wide Web. Misstrauen Sie den sozialen Medien?
Ich bin einfach kein Selbstdarsteller, ich mag das nicht. Ich habe kein einziges Selfie. 

Als Musiker müssen Sie sich aber doch auf eine gewisse Art und Weise selbst darstellen.
Ja, auf Konzerten. Ich wurde nicht nur einmal gefragt, ob ich meine Stücke bei einem Konzert spielen möchte. Aber letztendlich traute ich mich nicht, auf die Bühne zu gehen. Ich hatte gar keine Erfahrung vor ein paar hundert oder gar tausend Leuten zu spielen. Und dann auch noch meine eigenen Werke. Was ist, wenn es denen nicht gefällt? Dann stehe ich dumm da. Es spielten also andere. Danach war ich meist enttäuscht. Aber nicht, weil ich mich nicht traute, sondern, weil sie so schlecht spielten. Ich hätte es schöner gemacht.

Wie bekamen Sie Ihre musikalische Ausbildung?
Ich studierte in Magdeburg, zuerst Technologie. Danach kam die Musikerziehung und ich studierte Instrumentallehre. Das war nicht unbedingt mein absolutes Wunschstudium, aber für alles andere hätte ich wegziehen und meine Band im Stich lassen müssen. 

Inter.Vista, Roland Bach, Foto: Sophie Traub

Inter.Vista, Roland Bach, Foto: Sophie Traub

Wie hieß die Band? Gibt es Euch noch?
Die gibt’s nicht mehr. Antecedence nannten wir uns damals. Wir spielten elektronische Musik. Ich saß an den Keyboards und bediente auch Sequenzer und Drum-Computer, habe sozusagen mit Händen und Füßen gespielt. Die Band gab es fünf Jahre, dann kam die Wende und jeder ist seiner Wege gegangen.

Steht eine Wiedervereinigung an?
Dafür gäbe es schon Möglichkeiten, man fragt sich nur: Muss das sein? Nur für den Spaß? Im Gegensatz zu vielen Leuten meines Alters hatte ich wirklich viel Spaß in meinem Leben. Und jetzt mache ich einfach meinen Job, arbeite auch beim Buchverlag Marvin und beim Musikverlag Edition Walhall mit. Da mache ich das Layout oder den Notensatz. Ich beschäftige mich gerne mit dem, was kreativ ist und will immer ein bisschen mehr machen, als nur den einen Job.

War es schon immer Ihr Wunsch, musikalisch zu arbeiten?
Ja und nein. Hauptsächlich wollte ich aber – wie auch immer – künstlerisch tätig sein.

»Ich unterrichte Mathematik, da erlebt man nicht viel.«

Sie arbeiten nicht nur in Ihrer Klavierschule, sondern geben Patienten im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie Lochow Mathematikunterricht. Wie kam es dazu?
Auch dieses Mal: per Zufall. Ich gab jemandem, der dort tätig ist, Klavierunterricht. Und das ergab sich dann eben alles so. 

Wieso unterrichten Sie dort Mathematik und nicht Musik?
Wollte ich ja eigentlich. Nur gibt es dafür leider kein Budget. Also hieß es: Musik nein, Mathe ja. Anfangs habe ich sogar Deutsch und Mathe unterrichtet.

Haben Sie ein besonderes Erlebnis, das Ihnen dabei in Erinnerung geblieben ist?
Könnte man so sagen. Und gewiss nicht nur eines. Nur: Ich musste eine mehrseitige Geheimhaltungsbelehrung unterschreiben. Damit fällt also der echt unterhaltsame Teil weg.

Wie kann man sich den Unterricht vorstellen?
Am besten gar nicht. (lacht) Und ganz bestimmt nicht klassisch.

Wollen Sie das noch eine Weile weiter machen?
Dieses Jahr ›muss‹ ich hin, da ich den Schülern versprochen habe, zu kommen. Ob ich das Versprechen fürs nächste Jahr auch wieder abgeben werde, weiß ich noch nicht.

»Ich habe kein einziges Selfie.«

Ihr musikalischer Werdegang ist durchaus von Erfolg geprägt, Sie werden verlegt, haben eine eigene Klavierschule, einen Musikverlag und 1991 haben Sie das Arno-Schmidt-Stipendium für Komposition erhalten. Wie kam es dazu?
Irgendjemandem muss wohl das, was ich geschrieben habe, gefallen haben. (lacht) Eines Tages klingelte mein Kompositionslehrer bei mir und fragte, ob ich Interesse hätte, ein Stipendium anzunehmen. Ich war überrascht und total überrumpelt, aber er beharrte auf einem Ja oder Nein, also sagte ich einfach mal zu. Daraufhin bekam ich eine Einladung nach Benefeld in Niedersachsen. Vor Ort fragte man mich ein wenig aus und schlussendlich wurde ich für ›würdig‹ befunden. So nahm das Ganze seinen Lauf. Das Interessante war, dass das Stipendium deutschlandweit ausgeschrieben war, was ich gar nicht wusste. Es waren letztendlich fünf Personen in der engeren Wahl. Drei davon waren Professoren, einer Dozent und ich eben der ›Normalsterbliche‹. Man hat sich also für den einfachen Erdkrustenbewohner entschieden. So verbrachte ich sechs Monate in Niedersachsen und als die Zeit vorüber war, kam der Bürger meister zu mir und fragte, ob ich nicht noch drei Monate länger bleiben wolle. Da musste ich nun wirklich nicht viel überlegen. Viele Freunde besuchten mich dort und konnten nie so richtig fassen, wie jemand so viel Glück haben kann: Stipendium, ein temporär eigenes Haus und ich durfte den ganzen Tag machen, was ich wollte. Das Einzige, was ich bezahlen musste, war das Telefon. (lacht) Sie wollten mich dann sogar noch länger dort halten, denn in der Waldorfschule im Ort wurde ein Musiklehrer gesucht. 

Inter.Vista, Roland Bach, Foto: Sophie Traub

Inter.Vista, Roland Bach, Foto: Sophie Traub

Wieso entschieden Sie sich dagegen?
Ich bin einfach nicht der Typ dafür. (lacht) Das Leben ist doch schon mit so vielen Kompromissen behaftet, dass ich das bisschen Freiheit, das noch bleibt, pflegen und bewahren will.

Sie sind geboren und aufgewachsen in Magdeburg.
Nicht ganz. Die Ärzte in Magdeburg sagten meiner Mutter damals, kurz vor der Geburt, dass es mit mir Probleme geben würde. Die Kinderklinik Schönebeck wäre noch am ehesten in der Lage, zu helfen. Also fuhr sie zum Entbinden dorthin. Aber auch die hätten das niemals geschafft. Was mich rettete und am Leben hielt, waren Beziehungen zum Westen. Meine Mutter hatte Geschwister dort und per Ferngespräch haben dortige Ärzte dann denen in Schönebeck durchgegeben, was es zu tun galt. Wenn ein Leben so anfängt, das prägt einen dann doch schon ein bisschen. 

»Wenn man nicht hart trainiert, rostet man ein. Um das Niveau zu halten, muss man schon üben.«

Wie würden Sie Magdeburg in drei Worten beschreiben?
Interessant. Hoffnungsvoll. Und natürlich grün.

Wie stehtʼs mit ›dem Magdeburger‹?
Der ist nicht anders als die meisten Städter.

Januar 2019
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

Roland Bach wurde 1961 in Schönebeck geboren und teilt sich seinen Geburtstag mit Aretha Franklin, Elton John und Béla Bartók, Jim Lovell, Arturo Toscanini und Modest Petrowitsch Mussorgsky. Ihm gehört die Klavier schule BACH in Magdeburgs Altstadt. Ursprünglich studierte der Klavierlehrer Technologie, wandte sich dann aber der Musik und dem Komponieren zu. Müsste er sich entscheiden, würde er lieber Beethoven als Mozart treffen. Für Inter.Vista machte Roland Bach sein allererstes Selfie, was er letztendlich immerhin als ›nicht allzu schlimm‹ ansah. Sein selbst komponiertes Stück »Awolin« kann man sich sogar auf Spotify und auch auf YouTube anhören.

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