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Jens Märker

Unter dem Namen PEST war Jens Märker Mitte der Achtziger in Dortmund ein Graffiti-Künstler der ersten Stunde. Etwa 25 Jahre später hat er mit der Aerosol-Arena in Magdeburg die größte Graffiti-Hall of Fame Europas eröffnet. INTER.VISTA erzählt er von einer Vergangenheit inmitten von waghalsigen Sprayeraktionen, diversen Gerichtsverhandlungen sowie einer frühen Vaterschaft, und von einer Gegenwart zwischen authentischen Szene-Events und fehlendem kommunalen Support. Explizite Worte gehen ihm dabei leicht über die Lippen. Ein Gespräch über Träume, Ärger, Hip-Hop-Milieus, Famebitches und Grenzerfahrungen.

Interview und Fotos: Leon Fischer

Wann hast Du Deinen ersten Zug besprüht und woran erinnerst Du Dich noch besonders?
Das war 1987. In Erinnerung geblieben sind mir noch heftige Schweißattacken, Angst vor jeglichem Geräusch und am nächsten Morgen ein Gefühl der Glückseligkeit.

Sah es wenigstens gut aus?
Natürlich nicht. Es war super schlecht und hat auch null meinem eigenen Anspruch genügt. Aber ich war glücklich, weil ich ein nächstes Level betreten habe.

Wie bist Du mit Graffiti in Berührung gekommen?
Ich habe in der Dortmunder Vorstadt gelebt und Kollegen sahen Wild Style! [einflussreicher Graffiti-Film von 1983, Anm. d. Red.] und begannen dann mit Edding ein paar Schmierereien zu machen. Das hat mich irgendwie angeturned, alles vollzuschmieren. Damit fing’s an.

Gab es damals schon eine Szene?
(lacht) Nein. Breakdance ist in Deutschland vor Graffiti populär geworden, vor allem durch Beat Street, der 1984 herauskam. In dem Film gibt es sehr viele Breakdance-Sequenzen. Als Wild Style! 1983 rüberkam, war das die Initialzündung für uns. Bei Wild Style! ging es nur um Graffiti. Das ganze Storyboard ist zwar total dumm, aber es war der erste Film, in dem du New York und die Züge gesehen hast. Du konntest sehen, wie die Writer in ihrer Familie Probleme haben und dann feststellen: Das ist genauso wie bei mir. Anfang der Achtziger war Graffiti noch absolut neu. Vor Gericht konnte der Richter damit nichts anfangen. Wenn man erwischt wurde, weil man eine Straßenbahn von innen angeschmiert hat, musste man ihm erklären, was das sein soll. Wenn man öfter denselben Richter hatte, wurde teilweise gedroht, dass man zu einer psychologischen Untersuchung muss. Alles, was nicht erklärbar ist, muss erst mal psychologisch untersucht werden. Heute weiß vermeintlich jeder, was Graffiti ist.

Hip-Hop besteht ja neben Graffiti auch aus DJing, Breakdancing, und MCing. Was ist Dein zweitliebstes Element?
Gibt’s nicht. Schon früher, als ich noch aktiv dabei war, habe ich keine Rap-Musik gehört. Haut mich nicht weg. Ich habe damals Electronic gehört. Ich finde Breakdance an sich sehr interessant. Nicht so geil wie Graffiti, aber für einen guten Breaker ist es genauso wie für einen guten Writer wichtig, immer wieder an seine Grenzen zu kommen. Du hörst auf, gut zu sein, wenn du denkst, dass du gut bist. Das gilt vielleicht noch fürs DJing, aber das Rappen geht an mir wirklich komplett vorbei.

Um auf Deine Ursprünge in Dortmund zurückzukommen: Du warst bei der Crew YCKB (You Can’t Keep It Back). Der Lange a.k.a. AtomOne von der legendären Dortmunder Hip-HopGruppe Too Strong hat ein gleichnamiges Album herausgebracht. Welche Verbindung gibt es da?
Anfang der Neunziger habe ich viel mit AtomOne gemacht. Auch mit den anderen Too Strong-Jungs. Man kennt sich halt, das sind Dortmunder Jungs. Wir haben zusammen gemalt, auch die Plattencover an die Wand gemacht und dann abfotografiert. Die Kumpels waren lustig, bis zu einem gewissen Grad. Von 1986 bis 1996 habe ich intensiv Graffiti gemalt, europaweit alles gesehen und alles gemacht. Mit 17 bin ich schon 1987 in Amsterdam gewesen. Einfach nur weil: Graff! Irgendwann kommt der Punkt in deinem Leben, an dem du dich entscheiden musst. Entweder stürzt du jetzt voll ab und machst dein Graff oder du kriegst die Kurve und lässt die Finger davon. Bei mir war es halt so, dass mir klipp und klar signalisiert wurde: Hier ist jetzt Feierabend. So Typen wie AtomOne sagten dann: Hey, du bist ’ne Fotze, du bist ein Weichei, hast Angst vor dem Knast.

Der Volksstimme hast Du erzählt, wer Graffiti-Kunst betreibe, müsse mit Ärger mit dem Gesetz rechnen. Wie oft wurdest Du schon von der Polizei geweckt?
Zu meinen Hochzeiten konnte ich mit dieser blauen Post – du kriegst ja immer so eine Zustellungspost in einem blauen Umschlag – mindestens eine Wand in meinem Kinderzimmer tapezieren. Schlimm wurde es bei mir, als ich mich perspektivlos gefühlt habe. Ich bin sehr jung und unverhofft Vater geworden. Alles was danach kam, war für mich sehr verstörend. Ich konnte das wirklich nur durch Graffiti bewältigen. Das war für mich das Ventil, um diesen ganzen Scheiß herauszulassen. Aber irgendwann kommt das Ende, bei mir war das im August 1995. Da habe ich ein halbes Jahr und zwei harte Aktionen in Polen und Hamburg gebraucht, um zu erkennen: Ich muss jetzt leider damit aufhören. Egal, ob dein Hobby Graffiti oder Briefmarken sammeln ist, wenn du etwas über Jahre hinweg mit Leidenschaft machst, dann kann das zu einer Art Sucht werden und dich für andere Sachen blind machen. Dementsprechend schwer ist es, sich von dem Ganzen zu lösen, was vorher deine Welt war.

Wie kam die Entscheidung?
Ich hatte 1995 meine letzte Verhandlung wegen eines Graffiti-Delikts. Eine mir vollkommen fremde Person, die zwei Stunden vorher für meinen Bewährungshelfer einsprang, hat mich aus dieser Situation herausgeholt, in der ich dachte, dass ich noch im Gerichtssaal die Handschellen angelegt bekomme. Diese Person meinte, sie sei seit 25 Jahren Bewährungshelferin und sie wisse, dass es mir gar nichts ausmachen würde, wenn ich in den Knast komme. Aber danach hätte die Gesellschaft einen spitzen-organisierten Kriminellen mehr. Sie sagte, ich solle begreifen, dass ich nun eine letzte gelbe Karte bekommen habe. Das hat mir zu denken gegeben, auch, dass sie nur aufgrund eines Gesprächs meine Wertvorstellungen kannte. Alle wollten mich für fünf Jahre wegsperren, weil ich schon das dritte Mal in der Bewährung erwischt worden war.

Wie ging es dann weiter?
Ich war im Sommer 1995 für eine Hardcore-Action in Polen, das damals noch nicht EU war. Da hätte auch das Geld für Bestechung nicht gereicht. Und dann noch einmal 1996 in Hamburg bei so einer Zugaktion. Erst danach begriff ich: Wenn sie mich jetzt erwischen, komme ich nicht mehr raus. Dann war es auch erschreckend, mitzubekommen, dass das Hip-Hop-Milieu, die ganzen Kumpels, mit denen du zehn Jahre lang Karren gemacht, Partys gefeiert und Europa gesehen hast, auf ihrem Hip-Hop-Film hängengeblieben sind. Nur die richtigen Profis wie Loomit, CanTwo oder Chintz sagten, sie wüssten, dass ich an die Kante gegangen bin.

Und dann hast Du aufgehört, quasi ein kalter Entzug?
Sich von diesem ganzen Hip-HopMobiliar in Dortmund zu trennen, war schon schwer. Ich habe komplett aufgehört. Das war auch die Angst bei der Aerosol-Arena. Ich bin ein trockener Graffiti Maler. Ich habe damals bewusst nicht eine Dose genommen, um einen Style zu malen. Ich wusste, dann mache ich zwei, drei legale Bilder und es schmeckt wieder. Ich habe zwar noch mit den Jungs abgehangen, aber ab 1997 trennten sich unsere Wege komplett.

»Wir wissen: Der Liebe Gott sieht alles, dein Nachbar noch mehr.«

Lebt Graffiti nicht auch ein Stück weit von der Illegalität?
Für mich war das damals so. Als junger Mensch denkst du, dass du nichts zu verlieren hast. Du kennst noch nichts, also ist die Zukunft scheißegal. Das Jetzt zählt, eventuell noch das Morgenfrüh. In Amsterdam habe ich mal auf’s Gleis gepisst, als wir eine U-Bahn gemacht haben. Auf einmal sprangen alle weg, bis jemand fragte, ob ich bekloppt sei, denn das seien stromführende Schienen. Na und? Dann gehe ich halt kaputt. Aber dafür habe ich hier im Yard eine Karre gemacht. Ich habe das damals so gesehen: Ich bin hier, um zu bomben. Wenn ich jetzt krepiere, habe ich alles erreicht. Über meinen Fame habe ich mir auch nie Gedanken gemacht. Erst durch die Aerosol-Arena bekam ich mit, was ich für einen Namen hatte, dass ich ein Oldschool King bin. Aber, es war immer nur für mich, ich habe es nie für andere gemacht. Ich kannte bloß fünf Leute in meiner Crew, hatte auch kaum Kontakt zu anderen deutschen Städten. Was sollte ich denn in München malen? Wenn, dann einen Zug, aber eine Wand? Dafür fahre ich nirgendwo hin. Aber in andere Länder gab’s Connections.

Inter.Vista, Jens Märker, Foto: Leon Fischer

Inter.Vista, Jens Märker, Foto: Leon Fischer

Wie kam das zustande?
1990, als ich das erste Mal in Stockholm war, bist du aufgefallen, wenn du Superstars [Schuh von Adidas, Anm. d. Red.] mit dicken Laces drin getragen hast. Kumpels sind damals nach New York geflogen, haben dann den ganzen Koffer mit Schuhen vollgepackt und dann hast du mal eben 200 D-Mark für ein Paar bezahlt. Wenn du 1990 mit den Schuhen und Schnürsenkeln am Hauptbahnhof in Stockholm standest und fotografiertest, wurdest du automatisch von einem Writer angesprochen. Weil der auch Superstars trug. Heute sehen die Hip-Hop-Leute alle gleich aus.

Zurück zur Aerosol-Arena. Trotz des großen Geländes werden die Pieces regelmäßig übermalt. Wie läuft der Entscheidungsprozess ab, welche Bilder weichen müssen?
Wir kuratieren hier nichts. Auf der Wand hinter mir waren bestimmt schon drei, vier Bilder drauf. Wenn Du jetzt sagst, dass du gern an dieser Wand malen würdest, mach! Ist es hinterher Scheiße, sorgen wir dafür, dass das nicht lange dran bleibt.

Nicht nur an vergänglichen, legalen Wänden wird immer öfter ›für das Bild‹ gemalt. Statt auf Zügen erreicht Graffiti heute über soziale Medien eine breitere Öffentlichkeit. Wie stehst Du zu dieser Entwicklung?
Das Schlimmste für die gesamte Entwicklung der Graffiti-Szene war die Erfindung des Internets. Das Netz hat natürlich viele Vorteile, aber für Famebitches ist es einfach geworden, sich so zu positionieren, als sei man der Coolste. Ich habe früher nie irgendein Foto irgendwo hingeschickt. Ich weiß auch nicht, wo die Bilder, die im Netz zu finden sind, alle herkommen. Ich habe erlebt, dass in irgendwelchen Magazinen Pieces von mir waren und sich irgendwelche Peoples damit profiliert haben. Natürlich freute ich mich, dass ich Fotos von Wholecars hatte, die ich nie fotografieren konnte. Dieses Profilieren gab es auch schon früher, aber heutzutage ist es erheblich einfacher. Wir erleben hier oft, dass angesagte Internet-Famebitches bei uns vorbeikommen und ›den Dicken‹ raushängen lassen, aber dann hinterher einen ganz kleinen Schwanz kriegen, weil sie gar nicht so gut sind.

Wie sehr bestimmt Deine Arbeit in der Aerosol-Arena Deinen Alltag?
Meine gesamte Freizeit, meine gesamte Lebenszeit und mein gesamtes Portemonnaie. (Pause) Ich sehe hier nicht allzu viel von außerhalb der Arena, dafür ist nicht die Zeit. Ich wohne ja in Dortmund. Wenn wir hier in Magdeburg sind, dient das ausschließlich dazu, alle Zeit in die Arena reinzustecken. Ich bin hier mindestens alle 14 Tage und dann für drei, vier Tage am Stück. Je nachdem, wie ich im Vorfeld planen kann, was für Arbeiten hier anstehen.

Ende 2015 wurdest Du in der Volksstimme in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Stadt zitiert mit: »Es wird uns richtig gut geholfen.« Jetzt habe ich gehört, dass Du nicht einmal mehr willst, dass die Stadt mit der Aerosol-Arena wirbt. Was ist passiert?
Diese Aussage war damals vermutlich auf den Wirtschaftsbeigeordneten und den Kulturbeigeordneten bezogen. Ich kann mich definitiv nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt super sei. Wir haben über die ganzen Jahre schon viel Besuch aus anderen Kommunen gehabt. Keiner versteht, warum es keine Zusammenarbeit mit der Stadt gibt. Eigentlich wäre das hier etwas, worauf man als Kommune stolz sein kann. Die Zusammenarbeit mit den unteren Ebenen der Stadt – also die Sachbearbeiter beim Ordnungsamt, der normale Polizist und der Feuerwehrmann – läuft spitzenmäßig. Und das von Anfang an. Aber sobald es eine Etage höher geht, zum Bereichs- oder Dezernatsleiter, kannst du das komplett knicken. Ich habe den Eindruck, dass, bis auf zwei Personen, die Führungsmannschaft der Stadt Magdeburg einfach für Kunst im dritten Jahrtausend noch nicht bereit ist. Unsere Nachbarn hier waren anfangs super reserviert. Und wenn sich ein Industrie- oder Gewerbenachbar beschwert, ist das eine andere Hausnummer, als wenn sich dein Nachbar in seiner Wohnung beschwert. Letztendlich stehen jetzt unsere Nachbarn, die aus Unwissenheit zuerst gegen das Projekt waren, zu 110 Prozent hinter der Geschichte. Wir bekommen Hebebühnen und alles was wir brauchen, wir müssen bloß beim Nachbarn fragen.

Wie wurden diese Vorurteile aus dem Weg geräumt?
Einerseits konnte man uns nichts verbieten, weil das hier ein Privatgrundstück ist. Andererseits ist alles, was wir vorher erklärt haben, auch so eingetroffen. Wir haben nicht einfach angefangen, sondern wir haben die Nachbarn vorab informiert. Wir wissen: Der liebe Gott sieht alles, dein Nachbar noch mehr. Dass wir mit offenen Karten gespielt haben, war anfangs auch ein Nachteil, aber im Nachgang war es das Beste, was wir machen konnten. Es ist unglaublich: Töchter der Stadt, ob der Hafen oder die Hafenbahn, helfen uns. Weil sie auch dadurch einen Vorteil haben. Aber für die Stadt selber sind wir so etwas wie ›die verbotene Frucht‹.

Von der Stadtverwaltung zum Stadtbild. Bei Graffiti geht es auch immer um das Abwägen von Qualität und Quantität. Als legale Hall of Fame steht die Arena ja auf der Seite der Qualität. Was hältst Du von der Masse der 1. FCM-Graffiti der hiesigen Ultraszene?
Das ist auch eine Variante von Graffiti. Das gibt es in jeder Stadt, dass die jeweiligen Größen in der Maler-Szene loyal gegenüber ihrem Verein sind. Auch in Dortmund haben wir schon vor 30 Jahren BVB-Züge gemalt, auch wenn du nicht Fußballfan warst, einer in deiner Crew war es. Also wurde ein Piece in schwarz-gelb gemalt, wenn die etwas Wichtiges gewonnen hatten. Zum Thema Qualität und Quantität: Es ist für mich beides elementar wichtig. Um Skills zu bekommen, musst du das erstmal lernen. Und lernen kannst du nur durch machen. Wenn du immer wieder den gleichen Scheiß malst, wirst du nicht besser. Wenn du aber 20 Bilder anders malst, als die nächsten 20, kann man eine Entwicklung sehen.

»Du hörst auf, gut zu sein, wenn du denkst, dass du gut bist.«

Bist Du als Ansprechpartner in der Arena mit einzelnen hiesigen Künstlern gut vernetzt?
Ja. Wir genießen große Unterstützung aller Künstler. Denn die Künstler wissen, dass das hier komplett autark ist, wie eine Art Botschaftsgelände. Wir zahlen unsere Stromrechnungen, wir zahlen unsere Steuern, aber ansonsten hört der Einfluss der Gesellschaft am Zaun auf. Und diesen Freiraum schätzen die Künstler. Dementsprechend unterstützen sie uns, sei es dadurch, dass sie die Hebebühnen selber bezahlen, selber anreisen oder einfach, dass sie intern sammeln. Wir [Annika Schmermbeck, Steven Such und Jens Märker; Anm. d. Red.] haben Anfang des Jahres erklärt, dass die Hip Hop OlymPics dieses Jahr schwierig werden, weil wir keine Kohle haben. Dann wurde innerhalb der Szene gesammelt und zwei Leute haben zweieinhalb tausend Euro zusammengeschmissen. Das Geld wollten wir nicht annehmen, aber die haben gesagt: ›Wir haben bei euch gelernt, von dem kleinen Bild vor fünf Jahren an. Jetzt verdienen wir nebenbei Geld mit Fassaden. Hätte es euch nicht gegeben, hätten wir das niemals lernen können.‹ Die letzten Hip Hop OlymPics zu Pfingsten 2018 waren für uns drei einfach nur: Wow! Da kriege ich schon wieder Gänsehaut. Die Künstler haben ihren Müll zusammengeräumt, uns ihren gesammelten Pfand geschenkt und ein, zwei Euro in die Spendenkasse getan. Wir sind zum allerersten Mal mit plus minus Null rausgegangen. Die haben Musiker aktiviert, die sind für eine Kiste Bier aufgetreten. Nicht für Spritgeld, nicht für Essen! Nur für die symbolische Kiste Bier. Das hat uns so gefreut. Wir sind da angekommen, wo wir ankommen wollten. Das war nie ein Projekt für Magdeburg, es war schon immer für Deutschland bestimmt. Und jetzt, nach sechs Jahren, bekommen wir auch endlich die Props von Deutschland zurück. Man sammelt für uns, Hauptsache, es findet statt.

Wie oft malst Du heute noch?
Gar nicht. Das letzte Bild hier habe ich vor drei Jahren gemacht. Ich möchte hier kein Bild machen, weil ich mich damit selber unter Druck setze. Ich habe es hier drei, vier mal erlebt, dass ich ein Bild malte und dann kamen so Kommentare wie: Boah, geil, wie früher aus den Büchern. Ich habe Angst vorm Versagen, darum male ich nicht mehr. Ich will nicht abliefern müssen. Nachdem ich hier zwischendurch immer wieder gemalt hatte, ist mir das unangenehm geworden.

Graffiti ist nach wie vor eine umstrittene Kunst. Wie stand und steht Deine Familie dazu?
Familie habe ich nur ganz begrenzt. Mein engster Freundeskreis feiert hier drauf ab. Nicht wegen der Graffitis, sondern wegen des gesellschaftsverändernden Potenzials. Die sind selber soziokulturell beschäftigt und finden das einfach geil, dass es hier nicht nur um Graffiti geht, sondern darum, die Künstler durch optimalen Support an ihre Grenzen zu bringen und Gästen die Möglichkeit zu geben, sich diese Kunstform unter besten Bedingungen zu erschließen. Das gibt es sonst so nicht. Entweder gehst du ins Museum oder in eine Galerie, aber du gehst als normaler Malocher nicht einfach mal sonntags mit dem Kinderwagen und deiner Frau durch eine Graffiti-Hall of Fame. Und das ist unser Ansatz hier: Eine Plattform schaffen, wo beide Seiten sich kennenlernen können, um festzustellen, dass wir gar nicht so unterschiedlich sind.

Juni 2018
Interview aus INTER.VISTA 6

Vista.Schon?

Jens Märker wurde 1970 in Dortmund geboren und hat eine Ausbildung zum Bäcker gemacht. Nach einem Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften machte er sich mit einer eigenen Firma selbstständig. Auf dem Gelände der ehemaligen Brot- und Nudelfabrik der Volkseigenen Betriebe eröffnete er 2012 in Magdeburg die Aerosol-Arena, die er gemeinsam mit Annika Schmermbeck und Steven Such betreibt. Ursprünglich war die Arena nur für ihn und ein paar Freunde gedacht, nun ist sie mit 30.000 Quadratmetern die größte Hall of Fame Europas. Nach sechs Jahren ist die Arena nun ein Privatgelände mit geschütztem Namen – so »autark, wie eine Art Botschaftsgelände«.

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