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Karen Stone

Als Generalintendantin zieht sie die Fäden des Theaters Magdeburg. Im Interview mit Inter.Vista spricht Karen Stone darüber, wie sie nach Sachsen-Anhalt kam, die Stadt Magdeburg lieben lernte und die Bewerbung zur Kulturhauptstadt unterstützt. Außer dem erklärt sie in ihrem Büro, hoch über der Bühne, worin sich die Millionenmetropole Dallas und Magdeburg ähneln und welche Pläne sie für ihren absehbaren Ruhestand hegt.

Interview: Kevin Gehring | Fotos: Lara-Sophie Pohling

Ihr neuestes Stück feierte am Samstag Premiere. Wie erging es der Vanessa?
Vanessa ist ein wunderbares Werk. Ich liebe es. Ich kenne diese Musik seit meiner Jugend und habe mich sehr gefreut, dieses selten inszenierte Stück selbst auf die Bühne zu bringen. Und diese Vanessa blüht und gedeiht und ist sehr gut angekommen.

Wie verlief die Premiere aus Ihrer Sicht?
Es ist immer sehr schwer. Man sitzt in einer Premiere und kennt jedes Detail. Man kann sich nicht entspannen und einfach nur das Stück anschauen. Es ist ein wenig wie bei Eltern und Kindern.

Sie haben in Ihrer Laufbahn schon viele Stücke inszeniert. Wie groß ist die Aufregung vor einer  Premiere?
Ich bin mittlerweile mehr aufgeregt für meine Darsteller. Wir sind ein Ensembletheater und haben viele junge Sänger, die Rollendebüts geben. Dabei singen sie oft an der Grenze ihrer Möglichkeiten. Man will einfach, dass sie so sicher sind, dass sie mit großer Freude auftreten. Man bangt dabei mehr um sie, als um sich selbst.

Bei Ihnen ist also keine Aufregung dabei?
Natürlich hofft man, dass technisch alles gut läuft. Die Aufregung kommt bei mir, wenn ich merke, dass jemand auf der Bühne unsicher ist. Das macht mir Sorgen.

Inter.Vista, Karen Stone, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Karen Stone, Foto: Lara-Sophie Pohling

Sie sind in London aufgewachsen und waren danach eine Zeit lang in Rom. Wie war Ihre Kindheit?
Ein ganz großes Glück. Wir wohnten in den sechziger Jahren in London Chelsea. Das war eine Ecke, in die damals die gesamte Welt wollte. Ein Pilgerort für junge Menschen. Dort zu leben war ein großer Luxus. Ich genoss das sehr. Wir waren am Anfang einer ganzen Bewegung, in der junge Menschen erstmals Geld in ihren Taschen hatten. Wir konnten rausgehen in eine fantastische, vibrierende Clubszene mit toller Musik und Open-Air-Konzerten. Damals in London gewesen zu sein, war herrlich.

Also war Ihre Kindheit schon musikalisch geprägt?
Enorm.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie Ihr Leben der Musik widmen wollen?
 In der Schule war ich als Elfjährige in einem Projekt namens Youth and Music und da gingen wir in die Oper. Ich war von Anfang an begeistert. Es sprach mich sofort an. Ich fing dann an, Klavier zu spielen, Gesang, Musiktheorie und Komposition zu lernen. Parallel zur Schule war ich auf dem Royal College of Music. Für mich war es dann selbstverständlich, dass mein Leben der Musik gehört. Ich hatte gefunden, was mir am meisten Spaß macht.

Sie sind dann als Sängerin das erste Mal nach Deutschland gekommen.
Genau. Ich habe gesungen und Klavier gespielt. Damit bekam ich in Hagen einen dieser herrlichen Verträge, mit dem man in den großen Werken im Chor singt und sonst viele kleinere Solo-Rollen spielt. Damit lernte ich Deutsch und begann meine Karriere.

Ich weiß, das Lernen der deutschen Sprache war anfangs nicht leicht.
(lacht) Ich habe überhaupt kein Wort Deutsch gesprochen. Das hat die Regisseure ziemlich gefordert.

Als Sängerin sind Sie dann langsam in die Regie gerutscht?
In Hagen interessierte ich mich immer mehr für die Regie. Ich ging dann nach Frankfurt am Main und hatte dort als Schauspielerin in der Oper viele kleine Rollen. Zu der Zeit war Frankfurt der Ort schlechthin für Regietheater. Da haben alle Großen gewirkt. Damals bat ich immer darum, bei den anderen Proben dabei sein zu dürfen. Der damalige Intendant und Chefdramaturg half mir sehr, diesen Schritt zu machen, indem er mir eine Empfehlung gab. Es war damals schwierig, überhaupt zu erfahren, wo es Vakanzen für Regieassistenten gab. Und viele Frauen waren auch nicht in dieser Position tätig. Mit seiner Hilfe kam ich an eine Stelle in Freiburg im Breisgau.

Hatten Sie für Regie ein Talent oder war es harte Arbeit?
Ich war begeistert. Wenn jemand für etwas begeistert ist, egal ob Fußball oder Oper, dann spüren das die Leute. Sie merken, dass du etwas unbedingt willst und geben dir eine Chance. Damals gab es auch kein strenges Arbeitszeitgesetz. Es war normal, 16 bis 17 Stunden im Theater zu verbringen und das hat mir Spaß gemacht.

Half Ihnen dabei die Erfahrung als Schauspielerin?
Absolut! Wer selbst einmal auf der Bühne stand, weiß, wie schwer es ist. Man versteht sehr gut, wie man jemandem helfen kann, das Beste herauszuholen und sich auf der Bühne wohlzufühlen. Man fängt ja an, in eine Rolle hineinzuschlüpfen, sich in sie hineinzuversetzen. Du fühlst dich freier auf der Bühne, weil du in diesem Moment diese Person bist. Das musst du den jungen Leuten vermitteln.

Sie waren in Freiburg, London, München, Köln, Graz und Dallas fest angestellt. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Am Anfang in Freiburg, einfach weil es meine erste Stelle war, die mich begeisterte und die ich liebte. Natürlich gefiel es mir auch sehr gut im Royal Opera House in London. Dort Wiederaufnahmen zu inszenieren mit Darstellern wie Placido Domingo und anderen Weltstars, mit einem riesigen Chor und den besten Dirigenten, war eine große Freude. Jeder Ort hatte etwas, das mich begeisterte. Dann will man einfach selbst Intendantin werden und alles, was man super findet, im eigenen Theater zusammenbringen. Meine erste Intendanz in Graz war natürlich fantastisch oder die Funktion als erste Operndirektorin in Köln. Das war alles wunderbar. Meine Zeit in Amerika im neu gebauten Winspear Opera House von Stararchitekt Lord Foster war ebenfalls sehr schön. In Dallas fehlte mir aber das Ensembletheater, also die Arbeit mit jungen Menschen und eben ein Ensemble im Repertoire zu haben. Deswegen entschied ich mich, dort nicht zu bleiben. Ich kam zurück und fand das Theater in Magdeburg. Hier kann ich alles machen. Am Ende des Tages, und das sage ich bewusst, sind die Jahre in Magdeburg die besten für mich.

Und welche dieser vielen Stationen prägte Sie am meisten?
Das Royal Opera House Covent Garden in London. Dort habe ich viele Stücke zum ersten Mal mit Starbesetzung, besten Dirigenten und höchster Qualität erlebt. Das setzt die Latte für ein ganzes Leben sehr hoch.

Sie kamen aus der Millionenmetropole Dallas ins beschauliche Magdeburg. Wie war dieser Tapetenwechsel?
Natürlich ist Dallas eine faszinierende Stadt. Es gibt viele Szenen für Musik und Kunst. Mir pesönlich fehlte die unmittelbare Arbeit mit einem Ensemble. Das ist sowieso eine Rarität, die es nur im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Deutschland gibt: dieses Repertoire an Ensembletheatern. Die Deutschen nehmen das einfach so hin. Mein Gott, ich bin in Bielefeld, Münster, Magdeburg – und natürlich gibt es ein Theater! Das ist absolut nicht natürlich. Das ist sensationell. Gerade für dieses Ensembletheater blutet mein Herz. Ich liebe es.

Dallas und Magdeburg sind ja doch sehr unterschiedlich.
Ich liebe auch diese Stadt. Um ehrlich zu sein, wenn man sechs Wochen hintereinander Temperaturen von über 40 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent hat, ist man froh, im Winter in Magdeburg zu sein. (lacht) An Magdeburg mag ich, dass es sehr grün ist. Ich liebe den Rotehornpark und die Elbe. Was mir hier, ähnlich wie in Dallas, noch sehr gut gefällt: Es ist eine Aufbauzeit. Wir leben hier nicht in der Vergangenheit, sondern versuchen nach vorne zu schauen. Diese Energie ist vergleichbar mit der in Dallas. Dort war es damals die Prozedur, ein neues Opernhaus zu bauen und ein Arts District zu gründen. Alle haben nach vorne geblickt. Den Gedanken, dass Kunst und Kultur zum Erfolgskonzept einer Stadt gehören, sehe ich hier im Stadtrat ebenso. Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025, das sind Sachen, die sich schon ähnlich sind.

»Damals in London gewesen zu sein, war herrlich.«

Sie waren auf der anderen Seite des Ozeans. Wie kam der Kontakt mit Magdeburg zustande?
In Dallas bekam ich eine Vertragsverlängerung angeboten und habe mit mir gerungen, ob ich sie annehme. Ich verschob die Entscheidung immer weiter und entschloss mich dann, nicht zu verlängern. Auf der Suche nach etwas Neuem wurde ich damals hinsichtlich verschiedener Positionen angesprochen, denn ich war zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen bekannt. Jemand hat mich dann auf Magdeburg aufmerksam gemacht und ich bewarb mich einfach. Ganz banal und regulär. Es waren, wie ich hörte, insgesamt 70 Kandidaten und ich bin es geworden.

Inter.Vista, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Foto: Lara-Sophie Pohling

Mittlerweile ist es Ihr zehntes Jahr in Magdeburg. Was war die größte Veränderung im Theater?
Als ich kam, war die langfristige Finanzierung des Theaters unsicher. Wir haben 440 Festangestellte im Haus, 80 Prozent unseres Jahresetats gehen in Personalkosten. Dort können wir nur sehr schwer sparen oder etwas ändern, weil wir viele unkündbare Tarifverträge haben. Deswegen ist ein langfristiger Finanzplan am wichtigsten. Vor kurzem unterschrieben wir einen neuen Vertrag mit der Stadt und dem Land für eine fünfjährige Finanzierung. Er ist nicht üppig, man kann immer mehr brauchen, aber er gibt uns Planungssicherheit.

Sie haben Ihren Vertrag kürzlich bis 2022 verlängert. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Als ich nach Magdeburg kam, ging man davon aus, dass Deutschland 2020 das nächste Mal mit der Europäischen Kulturhauptstadt dran sein wird. Durch eine Änderung der Richtlinien ist dies auf 2025 verschoben worden. In der Bewerbungsprozedur muss eine Präsentation abgegeben werden, was im September 2019 passiert. Die Auswertung dazu folgt dann im Dezember. Im Januar 2020 gibt es eine Shortlist und dann kommt 2022 erst die Entscheidung. Den Intendanten genau in diesem Zeitrahmen zu wechseln, wäre nicht klug gewesen. Deswegen fragte man mich, ob ich die Intendanz nicht noch bis zur endgültigen Entscheidung begleiten möchte. Das habe ich angenommen, weil ich es sehr gerne mache.

Unter uns: Hat Magdeburg überhaupt das Zeug zur Kulturhauptstadt?
Die Entscheidung fällt oft nicht für Städte, die offensichtlich schon kulturell gut aufgestellt sind, sondern für die, die als Teil eines Erfolgsplans in Kultur investieren. Wenn eine Stadt glaubwürdig machen kann, dass die Investitionen in Kultur groß sind und eben diese Kultur langfristig dafür sorgt, sie noch attraktiver zu machen, dann hat sie das Zeug. Genau das kann Magdeburg und deswegen sehe ich sehr gute Chancen.

Inwiefern kann das Theater dazu beitragen?
Wir haben uns sehr an der Analyse, wie es um die Stadt und die Kulturszene steht, beteiligt. Außerdem ist das Theater ein gutes Beispiel dafür, wie in Kunst und Kultur investiert wird. Wichtig für die Entscheidung ist auch, wie offen eine Stadt ist. Wir machen viele Koproduktionen mit anderen Ländern Europas und der Welt. Diese internationalen Verbindungen sind wichtig, weil sie zeigen, wie wir über Kultur nach außen gehen und wie wir andere Kulturen hier reinbringen, wie zum Beispiel mit unserem Ukraine-Gastspiel. Natürlich arbeiten wir jetzt auch schon an Projekten, die die Menschen bis 2025 und darüber hinaus an die Kultur binden sollen.

»Ich spüre eine spezielle Energie in Magdeburg, einen zukunftsorientierten Erfolgskurs.«

Wie sieht eigentlich der Alltag als Generalintendantin aus? Gibt es überhaupt einen?
Nein. (lacht) Ich habe eine künstlerische Tätigkeit als Regisseurin für mindestens ein Stück pro Jahr. Das nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Die langfristige Planung liegt auch beim Intendanten. Zum Beispiel die Frage, was wir im Jahr 2022 spielen wollen und wer das inszenieren soll. Dazwischen gibt’s noch die mittelfristige Planung. Zum Beispiel habe ich aktuell eine Sängerin, die hat einen großen Schritt gemacht und jetzt viele Verträge vorliegen. Die muss ich ersetzen. Gerade auch für zukünftige Rollen, für die sie schon fest eingeplant war. Dann kommen noch die kurzfristigen Probleme. Von erfreulichen Nachrichten wie Schwangerschaften bis hin zu unerfreulichen Nachrichten wie Disziplinarproblemen oder banalen Krankheiten. Man weiß nie, was am nächsten Tag hereinkommt.

Was macht Karen Stone, wenn Sie mal vom Theater­Business abschalten möchte?
Karen Stone hat einen Hund namens Rogue, mit dem sie gerne spazieren geht, obwohl der arme kleine Kerl mittlerweile schon sehr alt ist. Sie geht gerne zum Kieser-Training. Sie spielt sehr gerne Bridge, was man zum Glück endlich auch online spielen kann. Sie liest enorm viel, recherchiert Sachen und hört gerne Musik.

Fernsehen gehört nicht dazu?
Ich habe keinen Fernseher. Wenn ich etwas schauen möchte, dann auf meinem Laptop. Als ich vor 25 Jahren irgendwann das dritte Mal hintereinander um drei Uhr nachts auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher aufwachte, dachte ich mir: Raus damit! Ich interessiere mich aber sehr für Politik und verfolge alles, sei es online oder in der Zeitung.

Während Ihrer Zeit in Magdeburg wurden Sie deutsche Staatsbürgerin. Wie kam es dazu?
Der dumme Brexit, was denken Sie denn? (lacht) Ich habe die Zeit als EU-Bürgerin mit all diesen Vorzügen genossen. Ich möchte meinen Ruhestand gerne in Frankreich verbringen und hatte die Befürchtung, dass dies mit einem britischen Pass eines Tages nicht mehr so leicht geht. Darum bemühte ich mich um die deutsche Staatsbürgerschaft. Das war kompliziert, verbunden mit viel Papierkram und hat ein Jahr gedauert. Weil ich nicht in Deutschland studiert habe, musste ich noch einen Sprachtest ablegen und einen umfangreichen Test mit politischen Fragen absolvieren. Das überstand ich alles, so dass ich jetzt die doppelte Staatsbürgerschaft habe.

Verfolgen Sie den Brexit noch?
Enorm. Es ist ja nicht nur für Großbritannien ein Problem, sondern für alle. Allein wenn man schaut, was es für die europäische und deutsche Wirtschaft bedeutet. Das wird einen negativen Effekt für die gesamte EU haben. Das Ganze ist in meinen Augen dumm, aber wir leben in merkwürdigen politischen Zeiten. Der Brexit in Großbritannien, die AfD in Deutschland, Trump in den USA, diese absurde Regierung in Spanien, wo du in Katalonien für ein Referendum im Gefängnis landest. Ich bin froh, dass ich mit Trump an der Macht nicht mehr in Texas bin. Ich weiß nicht, ob ich das überlebt hätte. (lacht)

Fühlen Sie sich mittlerweile als Deutsche?
Ich sag immer, wir sind alle Angelsachsen. Ich bin sowieso fasziniert von der DNA und dem gemeinsamen Ursprung aller Menschen, wonach wir alle von einer Frau in Afrika abstammen. Ich habe einen Abstammungs-DNA-Test gemacht. Damit kannst du zurückverfolgen, wo deine Vorfahren herkamen. Und was stellte ich bei mir fest? 40 Prozent meiner Gene kommen aus Norddeutschland. Wahrscheinlich habe ich mehr norddeutsche Gene als viele Deutsche, die hier leben. (lacht)

Sie waren schon vor der Jahrtausendwende das erste Mal in Magdeburg. Welchen Eindruck hat die Stadt damals hinterlassen?
Das müsste so 1996 oder 1997 gewesen sein. Da gab es noch kein City Carré. Als ich aus dem Hauptbahnhof trat, war dort einfach nichts. Ich wollte den Dom besuchen. Damals sah ich, was 40 Jahre DDR mit dieser Stadt gemacht haben. Das war schon traurig. Darum ist es schön zu sehen, welche enormen Schritte Magdeburg seitdem gemacht hat.

Wie war das dann, als Sie den Job als Intendantin angenommen haben?
Ich kam anderthalb Tage vor meinem Bewerbungsgespräch hierher, um die Stadt zu sehen. Ich recherchierte viel, um zu sehen, ob ich die richtige Person für diese Stadt bin und umgekehrt. Ich habe mich hier direkt wohlgefühlt. Wenn ich heute von einer meiner vielen Reisen nach Magdeburg zurückkehre, dann komme ich nach Hause. Ich spüre eine spezielle Energie in Magdeburg, einen zukunftsorientierten Erfolgskurs. Man spürt es beim Oberbürgermeister, beim Stadtrat. In vielen anderen Städten spürt man diese Energie nicht.

»Am Ende des Tages, und das sage ich bewusst, sind die Jahre in Magdeburg die besten für mich.«

Magdeburg versteht sich seit jeher als Arbeiterstadt. Wie passt das mit Kultur zusammen?
Wenn ich mit einem Zauberstab über Magdeburg wedeln könnte, dann würde ich bei den Bewohnern mehr Neugier für Kultur wecken wollen. Man merkt, dass es traditionell keine Stadt mit einem ausgeprägten Bildungsbürgertum ist. Da fehlt ab und zu die Freude auf etwas Neues. Das kann für uns in der Kultur manchmal ein bisschen frustrierend sein, weil man sich doch ein neugieriges Publikum wünscht.

Werden Inszenierungen an die jeweilige Region angepasst?
In jeder Stadt unterscheiden sie sich. Du spielst immer für ein regionales Publikum in verschiedensten Theatern. Ich habe in Monte Carlo in einem Theater inszeniert, in dem es mehr Gold und Malerei nicht geben könnte. Da machst du eine etwas stringentere Produktion auf der Bühne, um das in der Balance zu halten. Bist du aber in Köln, im Theaterhaus von 1957, dann willst du etwas opulenter auf die Bühne gehen, um einen größeren Kontrast zur Nüchternheit zu schaffen. Natürlich ist auch die Publikumserwartung von Ort zu Ort unterschiedlich.

Inter.Vista, Karen Stone, Foto: Lara-Sophie Pohling

Inter.Vista, Karen Stone, Foto: Lara-Sophie Pohling

Sie haben eine sehr ausgefallene Vita. Gibt es irgendwas, das in Ihrem Leben zu kurz kam?
Bridge spielen! (lacht) Ich hatte das große Glück, mit vielen tollen Menschen zu arbeiten. Ich sehe auf den großen Bühnen der Welt viele Sänger oder Dirigenten, denen ich eine Chance geben konnte. Das sorgt für eine große Zufriedenheit, weil ich weiß, dass ich geholfen habe, dass unsere Kunst weitergeht. Das finde ich sehr schön. Nur bei der Work-Life-Balance würde ich sagen, dass meine private Seite zu kurz kam. Deswegen freue ich mich auf meinen Ruhestand, wenn ich noch Energie und Kraft habe, diese Sachen nachzuholen.

Gibt es Wünsche, die Sie sich noch erfüllen wollen?
Endlos! Es gibt viele Stücke, die ich nicht inszenieren konnte. Wenn irgendwo eine meiner Lieblingsopern aufgeführt wird, die niemand kennt, dann fahre ich dorthin und genieße sie.

Sie haben bereits viele Länder erkundet und in ihnen gearbeitet. Welche Orte wollen Sie unbedingt noch sehen?
 Auch da gibt es viele. Wahnsinnig gerne würde ich den Trans-Canada-Zug nehmen und dann auf Pferden durch die Wildnis reiten. Oder nach Indien, besonders in die nördlichen Teile, und dort den Indus sehen. Das ist eine der Regionen, in denen die Zivilisation begann. Ich würde mich auch freuen, wenn im Iran und Irak mehr Frieden herrscht. Dort möchte ich auch gerne hinreisen, aber das geht aktuell leider nicht.

2022 läuft Ihr Vertrag aus. Ihrer Vorfreude auf den Ruhestand entnehme ich, dass es danach nicht noch einmal weitergeht?
Nein, das ist der endgültige Ruhestand. Natürlich habe ich für diese Zeit noch viele Projekte geplant. Ich arbeite aktuell schon daran, ein kleines Musik-Festival in Frankreich zu gründen und zu organisieren. Ich segle sehr gerne und träume davon über den Atlantik zu segeln. Und Bridge spielen. (lacht) Es gibt also genug zu tun.

Wie würden Sie ›die Magdeburger‹ beschreiben?
Die Magdeburger brauchen Zeit, Vertrauen zu schenken. Egal ob Nachbarn, Zuschauer, Politiker, es braucht einfach alles seine Zeit. Die Menschen haben eine starke Arbeitsmoral, das spricht mich sehr an. Ich würde mir noch ein bisschen mehr Alltagsfreude wünschen. Mehr Unkompliziertheit und Spontanität.

Ihr Lieblingsort in Magdeburg?
Das ist der Fürstenwall. Dort sieht man fast 1.000 Jahre Magdeburger Geschichte. Du siehst das alte Fachwerkhaus und den Dom, das 18. und 19. Jahrhundert. Im Rücken hast du die Elbe. Du hast die Kiek-in-die-Köken-Tour. Das ist wie eine kurze Zusammenfassung von 1.000 Jahren Magdeburg.

Januar 2019
Interview aus INTER.VISTA 7

Vista.Schon?

In den sechziger Jahren im Londoner Szeneviertel Chelsea aufgewachsen, zeichnete sich bereits in ihrer Kindheit ab, dass Karen Stones Leben der Musik und dem Schauspiel gehört. Ursprünglich als Sängerin nach Deutschland gekommen, machte sich die Britin bald als Regisseurin einen Namen und inszenierte auf den großen Bühnen der Welt. Im Theater Magdeburg fand sie 2009 ein neues Zuhause. Seitdem sorgte sie nicht nur dafür, dass das Theater schwarze Zahlen schreibt und die Zuschauer begeistert, sondern unterstützte auch Magdeburgs Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 maßgeblich. Dieses große Ziel war auch der Grund, warum sie ihren Vertrag kürzlich um drei Jahre verlängerte, ehe es 2022 in den wohlverdienten Ruhestand geht.

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