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Dr. Karl Gerhold

Seit über 20 Jahren ist Dr. Karl Gerhold Geschäftsführer der GETEC-Gruppe – und er hat immer noch nicht genug davon. Nebenbei fährt er Fahrrad, spielt im Garten mit seinen Enkeln und engagiert sich beim MDR. Im Interview mit Inter.Vista erzählt er von seinem realitätsfernen Studium, warum er zu einer anderen Generation gehört und warum Ruhestand für ihn furchtbar langweilig wäre.

Interview und Fotos: Jytte Grieger und Marie Wintgen 

   

Sie haben 2011 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Wie war die Verleihung für Sie?
Zwiespältig. In der Situation habe ich mich sehr gefreut, weil es doch eine große Auszeichnung und Anerkennung ist. Aber hätte ich das vorher gewusst, hätte ich es nicht angenommen. Sagen wir es mal so: Ich bin nicht der Typ für Orden. Die Verleihung war anlässlich meines Geburtstagsempfangs mit rund 300 Gästen. Da wäre es sehr unhöflich gewesen, abzulehnen. Aber jetzt bewahre ich es in meinem Kleiderschrank auf.

Sie haben in Ihrer Rede bei der Verleihung besonders Ihre Frau erwähnt. Sind Sie ein Romantiker?
Ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht. Ein bisschen schon, ja. Meine Frau und ich kennen uns schon ein ganzes Leben lang. Wir haben uns im Studium kennengelernt.

Wie war es als einziger Mann im Haus? Konnten Sie sich durchsetzen?
Das weiß ich nicht genau, aber ich glaube ja. (lacht) Ich will mich auch nicht immer durchsetzen. Ich liebe meine drei Töchter und meine Frau. Es ist alles gut. Die Älteste ist in einem medizinischen Beruf tätig, die Mittlere hier in der Firmengruppe und die Jüngste im Immobilienbereich.

Wie oft kommt es noch vor, dass Ihre gesamte Familie gemeinsam am Tisch sitzt?
Oft. Ich habe viele Enkel. Es sind zwar nicht immer alle dabei, meine älteste Tochter lebt zum Beispiel in Berlin, aber es kommt schon regelmäßig vor.

Inter.Vista, Dr. Karl Gerhold, Foto: Jytte Grieger, Marie Wintgen

Inter.Vista, Dr. Karl Gerhold, Foto: Jytte Grieger, Marie Wintgen

Wie viel Hausmann steckt in Ihnen?
Ich arbeite gerne im Haus und kümmere mich darum, dass alles in Ordnung ist. Am Sonntag, wenn die Haushälterin nicht da ist, mache ich mal die Betten, wasche ab oder koche. Da wechsele ich mich natürlich mit meiner Frau ab.

Haben Sie viel von der Kindheit Ihrer Töchter mitbekommen?
Unterschiedlich. Ich war viel unterwegs. Es gab anfangs Phasen, als ich in der Landesregierung tätig war, da war es sehr schwer. Zum Glück war das nicht so lange. Seitdem ich selbstständig bin, ist es besser geworden. Ich bin zwar viel unterwegs, aber nehme mir meine Freiräume und bin häufiger zuhause.

»Medizin konnte ich nicht studieren, weil ich kein Blut sehen kann.« 

Heutzutage nehmen sich viele Väter einige Monate Elternzeit. Bedauern Sie, dass Sie das nicht konnten?
Ich bin eine andere Generation. Ich glaube, das hätte damals einfach nicht funktioniert. Meine Frau hat trotz der drei Töchter auch immer gearbeitet. Sie war nur einige Wochen nach der Entbindung zuhause, danach haben wir es anders organisiert. Elternzeit ist eine positive Maßnahme, aber es geht auch ganz anders. Jeder muss es für sich anhand der Umstände entscheiden.

Arbeiten bei der GETEC viele Frauen?
Ja. Wir haben die Besonderheit, dass es in der DDR sehr viele Ingenieurinnen gab, anders als im Westen. Deshalb hatten wir von Anfang an einen relativ hohen Frauenanteil. Einige Frauen sind auch aufgestiegen und haben sich mitentwickelt, obwohl das in der Branche eher untypisch ist.

Heute ist die GETEC-Gruppe einer der größten Energiekonzerne Deutschlands. Hätten Sie damit gerechnet?
Nein, überhaupt nicht. Hatte ich auch nicht vor. Anfangs waren wir nur vier oder fünf Leute. Es fing in einer Baubaracke in der Medizinischen Akademie an. In DDR-Zeiten blieben Baubaracken meist stehen, und weil Büroraum knapp war, mieteten wir eine an. Es war furchtbar. Gewöhnungsbedürftig waren die sanitären Anlagen. Nach einem halben Jahr konnten wir zum Glück in die Sudenburger Wuhne umziehen. Wir waren Untermieter bei Buderus. 1997 haben wir dann auf dem heutigen Gelände das erste Firmengebäude bezogen. Das war dann richtig schön. Jetzt haben wir zwei Standorte in Magdeburg. Alles ist immer größer geworden.

Woher kam die Idee, einen Energiekonzern zu gründen?
Ich bin kein Ingenieur oder Energie­fachmann, aber ich habe mich immer für umweltfreundliche Energie­erzeugung interessiert. Und die Energieversorgung in der DDR war grottig organisiert. Das war desaströs. Viel zu groß, unwirtschaftlich und ineffizient. Es verlangte nach neuen Ansätzen.

Würde sich das heutzutage noch lohnen?
Heute würde es sich nicht mehr in dem Umfang lohnen, weil wir auf einem ganz anderen Stand sind. Natürlich gibt es immer noch Potenziale, die wir auch versuchen zu nutzen. Die Welt hat sich verändert. Es gibt immer wieder neue Ansätze und man muss den richtigen erwischen. Damals war es ein guter.

Wie kamen Sie dazu, sich mit 43 selbstständig zu machen?
Das ist ein gutes Alter. Man kann sich zwar auch mit 20 selbstständig machen, aber mit 40 hat man schon mehr Erfahrung. Man muss in der Lage sein, mit anderen Menschen sachgerecht und konstruktiv zu kommunizieren und bereit sein, Verantwortung für andere zu übernehmen. Das kann man, glaube ich, mit 40 besser. Ich will um Gottes Willen nicht dazu aufrufen, dass Sie erst 40 werden müssen, um sich selbstständig zu machen, aber bei mir passte es gut.

Sie haben ursprünglich in Göttingen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. Wie kamen Sie dazu?
Das war 1969, man könnte sagen, in einem anderen Leben. Ich wollte einfach von Zuhause weg. Jura war mir zu langweilig, Lehrer wollte ich auf keinen Fall werden. Medizin konnte ich nicht studieren, weil ich kein Blut sehen kann. Und ich hatte gehört, die arbeiten so hart im Studium, das war damals auch nichts für mich. Am Ende war es eine Negativauswahl. Ich hatte wenig Ahnung, was Volkswirtschaft ist, aber es interessierte mich.

»Normalerweise bin ich Phlegmatiker.« 

Hat Ihr Studium Sie gut auf die Rolle als Geschäftsführer vorbereitet?
Auf die Rolle eines Geschäftsführers nicht, aber es hat mich auf die Welt vorbereitet. Das Volkswirtschaftsstudium war eher ein Studium Generale. Man lernt sehr viele Dinge, aber die sind weit weg vom wirklichen Leben. Ich glaube schon, dass es abstraktes Denken und das Finden von Problemlösungen fördert. Das könnte mir geholfen haben. Aber obwohl ich auch promoviert habe, habe ich nie wieder etwas mit meinem Studienfach zu tun gehabt.

Danach haben Sie bis 1990 im Niedersächsischen Innenministerium gearbeitet. Wieso kamen Sie dann nach Sachsen-Anhalt?
Ganz einfach: Weil ich ein ›Schwarzer‹ bin. Ich gehöre der CDU an. 1990 gewann Gerhard Schröder in Niedersachsen die Landtagswahl und man wollte meine Position mit einem SPD-Mann besetzen. Dann hatte ich das Privileg, mir eine Stelle aussuchen zu dürfen. Ich wurde Beauftragter der Landesregierung Niedersachsen für den Verwaltungsaufbau im Lande Sachsen-Anhalt. So bin ich hier gelandet. Es gab noch keine Landesbehörden, sondern es war ein zentral geleitetes System. Und so haben wir dann die Landesverwaltung aufgebaut, das war sehr spannend.

Was waren Ihre Aufgaben genau?
Ich habe unter anderem eine Stellenbörse organisiert. So habe ich alle, die nach Sachsen-Anhalt wollten, an die verschiedenen Unternehmen und Behörden vermittelt. Viele, die heute hier sind, sind damals durch diese Stellenbörse gegangen. Dann haben wir die Vorläuferorganisationen der späteren Ministerien gebildet und das erste Amtsblatt herausgegeben. Im Oktober 1990 wurden wir durch die erste Landesregierung abgelöst. Nach einem Vierteljahr war die Aufgabe also erledigt. In der Landesregierung habe ich dann mitgearbeitet.

Während Ihrer Tätigkeit bei der Landesregierung Sachsen-Anhalt haben Sie auch zur Gründung des MDR beigetragen. Wie lief das ab?
Ich war Chef der Staatskanzlei. Die ist für Medienfragen zuständig. Wir sollten damals einen freien, unabhängigen Sender bekommen. Vorher waren die Medien staatsgeleitet. Die neuen unabhängigen Medien mussten aber trotzdem von staatlicher Seite organisiert werden. Ich hatte die Federführung für die neuen Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Wir haben den Rundfunkstaatsvertrag entwickelt. Es war sofort klar, dass der Hauptsitz nach Leipzig sollte. Sachsen war schließlich das größte Vertragsland. Aber ich habe darauf geachtet, dass wichtige Bereiche des MDR, nämlich die Hörfunkdirektion in Halle und das Werbefernsehen in Erfurt angesiedelt werden. In Sachsen-Anhalt waren das immerhin über 500 Arbeitsplätze. Da bin ich immer noch stolz drauf. Und es war enorm wichtig, dass Sachsen-Anhalt partizipieren konnte, und nicht nur Sachsen. Es war eine spannende Zeit, denn wir haben den MDR von Null aufgebaut.

Wirken Sie heute noch beim MDR mit?
Ich sitze im Verwaltungsrat, dem Aufsichtsrat des MDR. Wir beraten die Spitze des Hauses und genehmigen wichtige wirtschaftliche Vorhaben. Seit mittlerweile 26 Jahren bin ich in den Gremien des MDR tätig. Das macht mir sehr viel Spaß, weil es etwas ganz Anderes ist als meine Arbeit bei der GETEC. Es ist mein Spielbein. Ich habe durch den MDR auch noch ein paar andere Mandate, zum Beispiel bei den Bavaria Filmstudios in München. Ich liebe es, wenn ich unterschiedliche Erlebnis- und Erfahrungshorizonte habe.

Schauen Sie privat auch den MDR?
Ja, natürlich. Ich schaue aber insgesamt wenig Fernsehen. Beim MDR schaue ich aber ganz gezielt auf Dinge wie Programmgestaltung oder Themenauswahl. Das ist bei meiner Tätigkeit klar.

Wie war damals Ihr erster Eindruck von Magdeburg?
Ich kannte die DDR. Ich habe damals jede Gelegenheit genutzt, um in die DDR zu fahren. Ich war also nicht überrascht. Aber es sah schon trostlos aus. Sehr grau. Im Winter schaltete ich immer gleich auf Umluft, wenn ich in die Stadt fuhr, wegen des Kohle­geruchs.

»Im Fernsehen fand ich Handball furchtbar langweilig.« 

Wo haben Sie hier damals gewohnt?
Im Bauarbeiterhotel. Das wurde inzwischen abgerissen. Es waren 16-stöckige Gebäude in der Otto-von-Guericke-Straße, in der Nähe der Oberfinanzdirektion. Dort wurden Bauarbeiter untergebracht. Ich fand es gewöhnungsbedürftig. Ich bin deshalb in der Regel spät nach Hause gekommen und ganz früh aufgestanden. Aber dort habe ich auch nur ein knappes Dreivierteljahr gewohnt.

Wie hat sich Magdeburg seitdem verändert?
Enorm. Magdeburg hat sich sehr gut entwickelt, so wie viele ostdeutsche Städte. Es gibt nur wenige Ecken, die noch sind wie 1990. Die Bausubstanz ist saniert. Es ist heute eine sehr grüne, freundliche und farbige Stadt mit vielen Highlights. Und das war früher nicht so.

Wohnen Sie heute auch noch in Magdeburg?
Nein. Ich habe als meinen ersten Wohnsitz ein Einfamilienhaus in Hannover. Hier habe ich eine Wohnung.

Inter.Vista, Dr. Karl Gerhold, Foto: Jytte Grieger, Marie Wintgen

Inter.Vista, Dr. Karl Gerhold, Foto: Jytte Grieger, Marie Wintgen

Fühlen Sie sich in Hannover mehr zuhause?
Das würde ich nicht sagen. Ich bin auch kein Hannoveraner, aber zwei meiner Kinder mit den Enkeln leben dort. Ich habe ein schönes Zuhause und wenn man älter wird, lässt man sich nicht so gut verpflanzen. Ich habe auch in Magdeburg eine wunderschöne Wohnung, aber am Wochenende versuche ich, in Hannover zu sein. Ich bin trotzdem in beiden Städten gleich gern. Magdeburg ist mein gesellschaftlicher Mittelpunkt, Hannover ist mein Rückzugsgebiet.

Was gefällt Ihnen an Magdeburg besonders?
Ich finde den ganzen Domplatz, die Straßen drum herum und die Elbe faszinierend. Auch am Wissenschafts­hafen ist es sehr schön. Dort haben wir ein Bürogebäude und ich laufe da gerne entlang oder fahre Rad. Ansonsten mag ich noch den Herrenkrug und einige Ecken in Stadtfeld.

Wo gehen Sie gerne mit Ihrer Frau Essen?
Am liebsten gehen wir ins Bralo am Domplatz. Das passt gut, weil ich gegenüber wohne.

Die GETEC unterstützt seit 15 Jahren den SCM. Haben Sie eine persönliche Verbindung zu dem Club?
Jetzt natürlich schon. Mir hatte das Sponsoring mal jemand vorgeschlagen. Da hab ich mir mal ein Spiel angeschaut und fand es toll. Im Fernsehen fand ich Handball furchtbar langweilig, aber in der damaligen Bördelandhalle, heute GETEC-Arena, ist das schon super.

Machen Sie selbst auch Sport?
Ich habe Fußball gespielt und Leichtathletik gemacht. Ich versuche, dem Verfall entgegenzuwirken. Ich habe einen Physiotherapeuten, der mich einmal die Woche quält, und ich fahre auf einem Ergometer oder auf einem richtigen Fahrrad. Ich weiß nicht, ob man das als Sport bezeichnen kann, aber ich tue ein bisschen was.

»Wenn man älter wird, lässt man sich nicht so gut verpflanzen.« 

Als Geschäftsführer haben Sie eine große Verantwortung. Können Sie auch mal abschalten?
Ich kann immer abschalten, sogar in der Firma. Ich habe so viel erlebt, so schnell bringt mich nichts mehr aus der Ruhe. Vielleicht wäre ich ein bisschen nervös, wenn Herr Obama durch die Tür kommen würde, aber auch nicht wirklich. Es gibt zwar mal angespannte Situationen, aber normalerweise bin ich Phlegmatiker. Ich kann gut abschalten, aber ich nehme auch Arbeit mit nach Hause. In meinem vertrauten Umfeld zu arbeiten ist sehr schön. Wenn eine meiner Töchter kommt, gehe ich zwischendurch eine Stunde mit dem Enkel in den Garten.

Sie sind jetzt 65. Haben Sie schon über Ihren Ruhestand nachgedacht?
Für jemanden wie mich sehe ich keinen Ruhestand. Nichts wäre furcht­barer als von heute auf morgen alles, was ich mir erarbeitet habe, nicht mehr machen zu können. Ruhestand fände ich schon sehr langweilig. Aber ich versuche, mir meine Zeit anders einzuteilen. Vor über zwei Jahren habe ich mich bereits aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen. So habe ich mehr Freiraum für meine privaten und familiären Angelegenheiten. Aber auch wenn ich im Hintergrund wirke, will ich die Dinge mitgestalten und beeinflussen. Ich glaube auch, dass ich andernfalls sehr schnell alt werden würde. Ich möchte aber auch auf keinen Fall zum Fossil werden.

Interview aus INTER.VISTA 2

 

Vista.schon?
Dr. Karl Gerhold, Jahrgang 1950, ist in Nordhessen geboren. Er studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Göttingen und begann seine Karriere in de Landesverwaltung Niedersachsens. Nach der Wende kam er nach Magdeburg, um hier den Aufbau der Landesverwaltung mitzugestalten. Später baute er als erster Chef der Staatskanzlei den MDR mit auf. Im Alter von 43 Jahren gründete er die GETEC-Gruppe, die heute mit sechs Teilkonzernen und über 1.150 Mitarbeitern zu den größten Energiedienstleistern Deutschlands gehört. Sein Lieblingsort in Magdeburg ist der Domplatz und er beschreibt die Stadt als spannend, geschunden und wiederauferstanden.

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