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Jan Kubon

Wenn sich Jan Kubon mal zur Ruhe setzen will, dann in einem Strandstuhl an der südenglischen Küste in Cornwall, aber soweit ist es noch lange nicht. Der bei MDR Figaro tätige Autor ist aus Magdeburg nicht mehr wegzudenken. Nicht nur seine Magdeburger Songtage faszinieren, auch seine Kunstaustellung fand viel Anklang in der Stadt. Inter.Vista sprach mit dem tätowierten Sänger und fand unter anderem heraus, warum er neben Musik und Fotografie auch ein Talent für die Malerei hat.

Interview und Fotos: Antonia Baewert

Die Magdeburger Songtage hatten 2015 ihr zehnjähriges Jubiläum. Wie bist Du darauf gekommen?
Ich mache seit 1990 freiwillig Kulturarbeit in Magdeburg. Ich gehe gerne zu Konzerten und höre mir Musik an. Ich bin Gründungsmitglied des Podiums Aller Kleinen Künste, das seit 25 Jahren Kunst und Kleinkunst in Magdeburg organisiert. Diesen Verein betreibt die Feuerwache. Dann kam uns die Idee, gebündelt im März und April eine Konzertreihe zu starten und so bekam unser Event einen Namen: Magdeburger Songtage. Es geht eben hauptsächlich um Songs. Ich habe das mit Nadja Gröschner von der Feuerwachezusammen gemacht, aber die künstlerisch gestaltende Idee ist von mir und mittlerweile gibt es seit gut sechs Jahren einen Verein, der die Magdeburger Songtage betreut. Das sind auch alles irgendwelche »Musiknerds«, die aber nicht zwingend beruflich etwas mit dem Musikgeschäft zu tun haben. Was uns eint ist der Wille, dieser Stadt immer im Frühjahr ein Highlight zu bieten und das machen wir jetzt seit über zehn Jahren. 

Inter.Vista, Jan Kubon, Foto: Antonia Baewert

Inter.Vista, Jan Kubon, Foto: Antonia Baewert

Nach welchen Kriterien sucht ihr eure Musiker aus?
Es kann nicht jeder mitmachen. Anders als viele andere Festivals orientieren wir uns nicht an einem Massengeschmack. Unser Ziel sind nicht hohe Besucherzahlen, sondern besondere, kleine, feine und sensible Momente in dieser Stadt zu schaffen. In erster Linie müssen uns, das heißt den Veranstaltern und dem Verein, die Künstler gefallen. Sie müssen etwas Besonderes an sich haben und Geschichten erzählen können. Unsere Konzerte sind nicht der Mainstream. Für 2011 hatten wir einen Künstler namens Jaspar Libuda, er spielt Cinematic Bass Music und ist ein Kontrabassist, der nur mit seinem Instrument verrückte Sounds macht. Natürlich haben wir auch Künstler, die wir immer wieder gerne einladen. Ein tolles Beispiel dafür ist Tom Lüneburger, ein Künstler, der uns ans Herz wuchs und mit dem wir freundschaftlich verbunden sind. 

Im Interview mit der Zeitschrift Dates sagtest Du: »Wir haben uns eine eigene Nische geschaffen, die der kleinen Form, der kleinen Kunst, aber eben fein mit Liebe gemacht Kann man noch von einer Nische sprechen?
Ja, es ist eine etablierte Nische. Wir haben nie den Anspruch, möglichst viele Menschen zu erreichen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Art von Kunst, die wir anbieten, dafür nicht angetan ist, jedes Wochenende im Sommer 500 bis 600 Leute zum Tanzen zu bringen. Unsere Nische ist, dass wir uns besondere Orte suchen, wo wir Künstler unter außergewöhnlichen Bedingungen auftreten lassen. Das machen viele Leute, aber keiner so gut wie die Magdeburger Songtage. Letztes Jahr hatten wir die Idee der Meisterlichen Konzerte, wo wir uns Handwerksbetriebe suchten, die für die Öffentlichkeit normalerweise verschlossen sind.

Findest Du die Magdeburger Musikszene klein? Fühlst Du Dich eingeengt?
Ich finde Magdeburg großartig und Magdeburgs Musikszene ist nicht klein. Man muss nur mal genauer hinsehen. Offensichtlich entwickelt sich Magdeburg gerade in eine Richtung, wo harte Musik gemacht wird. Es ist immer ein gutes Ventil für eine Arbeiterstadt, da kann die Musik ein bisschen lauter sein. Es gibt auch die Wohnzimmerkonzerte, dort spielen viele Bands in der Stadt.

»Du brauchst Menschen in deiner Umgebung, die den ganzen Wahnsinn mitmachen.«

Prägten Deine Eltern Deinen Faible für die Musik?
Sagen wir es mal so: Sie haben es immer ertragen. Meine Eltern sind keine Musiker. Mein Vater ist Bauingenieur und meine Mutter Gymnasiallehrerin. Von meiner Oma erfuhr ich, dass mein Urgroßvater Mundharmonika spielte. Vielleicht kommen daher meine musikalischen Gene. Auch mein Bruder ist hochgradig musikalisch und, wie ich finde, einer der besten Bassisten dieser Stadt in der Rockabilly-Instrumental-Szene. Wir haben schon viele Platten zusammen aufgenommen und im Moment wollen wir wieder etwas mit der Big Belly Blues Band machen.

Hast Du ein musikalisches Vorbild?
Ich habe Musikstile, die mir persönlich sehr wichtig sind und die mich emotional ergreifen. Ich möchte aber immer erst einmal klingen wie Jan Kubon. Ich mag grundsätzlich Holzgitarren, ich mag dieses Melancholische, dieses Bittersüße und ich mag etwas tiefere Stimmen, bei Frauen wie bei Männern. 

Woher kommt Deine Leidenschaft für Blues?
Habe ich überhaupt eine Leidenschaft für Blues? Ja, natürlich. Das hängt mit meiner DDR-Musiksozialisation zusammen. Verfügbar war dort im weitesten Sinne Blues, weil er systemkonform war. Aber wir haben im Osten alles gehört, was irgendwie englisch, amerikanisch oder subversiv klang. Wir hörten alles, was nicht nach Frank Schöbel und Ein Kessel Buntes klang. Das heißt viel ostdeutschen Punk, Oi!- und Skinhead-Musik. Blues war mir jedoch immer sehr wichtig. Ich mochte immer das sehr Einfache, das leicht zu Produzierende.Du konntest mit drei Akkorden den Mannish Boy spielen und alle waren glücklich am Lagerfeuer.  

Inter.Vista, Jan Kubon, Foto: Antonia Baewert

Inter.Vista, Jan Kubon, Foto: Antonia Baewert

Musik machen, bedeutet das für Dich eine Art Freiheit, einen Ausgleich zum Job?
Ja, auf alle Fälle. Ich konnte mal ganz gut von meiner Musik leben, doch in der heutigen Zeit ist Musik kostenlos verfügbar im Internet und die Leute wollen nichts mehr für Konzertkarten, CDs oder Tonträger bezahlen. Es ist schwer geworden, von Musik zu leben. Für mich ist es mehr als ein Ausgleich. Es ist ein Versuch, die Welt zu verstehen und zu erklären. Wenn ich mit meiner Holzgitarre dasitze und überlege, was heute so passiert ist, dann entsteht schon mal ein Song. Ich gehe nicht joggen, ich spiele stundenlang Musik, um mich auszugleichen. 

Hast Du als alter Hase im Geschäft noch Lampenfieber?
Ja, das ist eine Frage des Respekts. Lampenfieber ist ein Zeichen dafür, dass man die Leute respektiert, die gekommen sind und dafür bezahlt haben. Früher gab es Rituale in der Band und meine Kollegen wussten, dass sie mich eine halbe Stunde vor dem Konzert nicht ansprechen durften. Manchmal war das so: »Boah, ich kotze mir einen und kann nicht klar denken.« Heute ist es nicht mehr so. 

Welche Rituale vollziehst Du heute noch?
Heute wechsele ich vor jedem Auftritt meine Socken oder ich putze mir die Zähne. Es ist wichtig, dass man mit sauberen Füßen auf der Bühne steht. So hat man eine bessere Connection zur Erde (lacht). Naja, stell dir mal vor, du fällst auf der Bühne um und die tragen dich runter, und du hast dreckige Füße oder kaputte Socken an. Zähne putzen ist auch so ein Ding für mich, man konzentriert sich kurz und dann geht es los. Lampenfieber ist schon toll. Du merkst, dass dir das alles etwas bedeutet. Da wird mir auch jeder Musiker Recht geben. Jeder, der das bloß als Job macht, kann eigentlich aufhören.

»Ich gehe nicht joggen, ich spiele den ganzen Tag Musik.«

Du arbeitest bei MDR Figaro als Autor. Gab es bei Deinen Reportagen Begegnungen, die Dich geprägt haben?
Alles, was ich mir ansehe, interessiert mich auch. Sei es die letzte Wassermühle an der Unstrut, der einzige Whiskeybrenner in Zeitz, Leute, die verrückte Klangexperimente machen oder Typen, die Schlösser zu Tonstudios ausbauen. Das große Privileg als Journalist ist, dass ich Sachen kennenlerne und die Möglichkeit habe, anderen Leuten davon zu erzählen. Geprägt hat mich meine Praktikumszeit bei MDR Figaro. Ich fand es sehr beeindruckend, wie viele kluge Menschen auf einem Haufen sitzen, sich ein tolles Programm ausdenken und so viele Themen unter den kulturellen Aspekt stellen.

Warum malt denn ein Typ, der eigentlich fotografiert und im Musik- und Hörfunkbereich tätig ist? 
Ich male, weil ich Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert habe und zu DDR-Zeiten Mitglied der Förderklasse der Burg Giebichenstein war. Ich wollte Zeichenlehrer in Mecklenburg-Vorpommern werden, mit einer Klasse von zehn Kindern am Meer sitzen und malen und zwar von meinem 25. bis zu meinem 65. Lebensjahr. Das hat nicht geklappt. Dann kam die Wende, aber diese Leidenschaft zum Malen ließ mich nie wirklich los. Auf allen meinen Reisen, ob in Frankreich, Großbritannien, Griechenland oder Malta, habe ich meinen Skizzenblock dabei und zeichne. Irgendwann merkte ich, dass das ganz gut klappt und daraufhin habe ich die Ausstellung The Land and the Sea in Magdeburg gemacht.

Wie vereinst Du die Arbeit, Deine Musik und Dein Leben als Familienvater?
Ein straffes Zeitmanagement ist die eine Sache, der Wunsch und der Wille, all das zu tun, ist die andere. Du brauchst Menschen in deiner Umgebung, die den ganzen Wahnsinn mitmachen und musst diesen Menschen etwas zurückgeben. Das ist bei solchen Egomanen wie mir sehr schwierig. Man muss sich selbst daran erinnern, dass wir eigentlich den ganzen Scheiß nur machen können, weil wir Leute haben, die uns den Rücken freihalten.

Du siehst durch Deine Tattoos aus wie ein waschechter Rocker. Haben Deine Tattoos besondere Bedeutungen für Dich?
Natürlich, jedes meiner Tattoos hat eine Bedeutung für mich. Das Tattoo am Unterarm kommt durch meine Affinität zum Meer. Mir hat einmal eine schlaue Frau gesagt, dass das ein Bild dafür sei, Kurs zu halten im Leben. 

Es ist ja alles ganz schön kompliziert im Leben, oder? 
Man muss nach links und rechts schauen, es kommen irgendwelche Umwege. Kurs halten ist die Bedeutung des Tattoos. Für meinen Sohn habe ich Glückssymbole wie eine Schwalbe, eine Lucky Seven, irgendwelche Drachen für Kraft, alte Männer für Weisheit und Pflanzen für Vitalität und Lebensfreude. Es hat also alles einen Sinn, aber ich zeige die Tattoos nicht jedem. Das mit dem Unterarm hat sich so ergeben, es war nichts mehr frei an anderen Stellen. 

Was sind Deine Projekte für die Zukunft?
Ich habe jetzt angefangen, mir die Siebdrucktechnik beizubringen und vielleicht wird das ja die nächste Ausstellung. Ich werde auch weiterhin Landschaften malen. Musikalisch weiß man ja nie, was kommt. Ich habe jetzt mit meinem Pianisten ein Konzert aufgenommen, das könnte eine neue Platte werden. Vielleicht wird aber auch unser neues Songbook-Projekt The Land and the Sea unsere neue Platte, wo wir Songs von Freunden aufnehmen. Ich weiß es nicht und mache mir da aber auch keinen Stress. Irgendwann wird es eine neue Platte geben und darauf freue ich mich. Wichtig ist mir, dass ich meine Songs live öfter spiele. Insofern geht es mir gerade richtig gut. 

Interview in INTER.VISTA 1

Vista.schon?
Jan Kubon, Jahrgang 1971, hat zunächst Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert. Danach studierte er Journalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Heute ist er Autor beim MDR Figaro und Mitbegründer der Magdeburger Songtage. Er bereichert nicht nur durch seine Musik, sondern auch durch seine Kunst das Magdeburger Kulturleben. Die von ihm initiierten Songtage werden 2016 ein Jahr pausieren. Dafür gibt es Konzertempfehlungen.

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