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Christian Rathmann

Die Musik dröhnt mit 130 Beats in der Minute. Strobo-Licht. Unwirkliche Bewegungen. In der Mitte der sogenannten ›crowd‹ ragt eine Kamera aus der Menge. Zwei, drei Klackgeräusche, dann bewegt sie sich weiter. Die Kamera gehört Christian Rathmann.
Der 28-jährige Student ist Partyfotograf. Inter.Vista erzählt der angehende Lehrer von seinem Job, seinem Lieblingsclub und was sich in der Szene geändert hat.

Interview und Fotos: Philipp Schöner

Christian, Du bist mit dem Fahrrad zum Interview gekommen. Und das im Winter?
Das Fahrrad ist mein ständiger Begleiter. Ich fahre damit zu allen Veranstaltungen, bei denen ich fotografiere. Auch nach St. Petersburg bin ich schon mal mit dem Rad gefahren. Das hat vier Wochen und vier Tage gedauert. Und damit gefühlt nicht so lange wie manche Fahrt zu einem Veranstaltungsort bei Nacht und Schneeglätte.

In Magdeburg bist Du allein unterwegs. Die Reise nach St. Petersburg hast Du auch alleine angetreten?
Nein, mein guter Freund Georg hat mich begleitet. Den habe ich bei meinem Auslandspraktikum in Stockholm kennengelernt und ihm von meinen Touren und meiner Fahrt nach Paris erzählt. Da
wollte er das mal mitmachen. Er ist aber erst auf halber Strecke dazugekommen. Von Magdeburg bis Danzig bin ich allein gefahren. Er kam mit dem Zug dorthin und anschließend waren wir zu zweit unterwegs.

Ist für 2017 schon eine Tour geplant?
Ja, dieses Jahr soll es mit dem Rad zum Nordkap gehen. Dafür haben wir sieben
Wochen eingeplant.

Wie lassen sich so lange Touren mit Beruf und Alltag vereinen?
Ich bin noch Student und die Semesterferien eignen sich gut dafür.

Welche Fachrichtung studierst Du?
Ich habe fünf Jahre an der Hochschule Magdeburg-Stendal studiert. Erst machte ich einen Bachelor im Bereich Bauwesen und dann noch einen Master. Seit dem Wintersemester 2016/17
studiere ich Berufsschullehramt für die Fächer Bautechnik und Sozialkunde an der Otto-von-Guericke-Universität.

Warum willst Du Lehrer werden, wenn du schon einen Master in Ingenieurwesen hast?
Ich war letztes Jahr nach meinem Studium drei Monate auf Reisen. In Malaysia, Thailand und Kambodscha. Unterwegs wollte ich mir eigentlich als Ingenieur etwas dazuverdienen. Das hat aber nicht geklappt. Stattdessen habe ich eine Stelle als Aushilfslehrer für Englisch in Kam­bodscha bekommen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich das gerne weiter machen wollte. Im Sommer durfte ich in Magdeburg auch ein paar Flüchtlinge unterrichten. Dadurch ist der Wunsch in mirgereift, Lehrer zu werden. Gerade mache ich ein Praktikum in der Berufsschule

Wie kommt man als Ingenieur und angehender Lehrer dazu, nachts auf Partys Fotos zu machen?
Das hört sich zunächst nach einem Gegen­satz an. Aber das ist einfach ein Hobby von mir. Ich wurde schon gefragt, ob ich das nicht hauptberuflich machen möchte, aber mir macht das nur Spaß, solange ich das machen kann und nicht muss.

Für welches Magazin arbeitest Du im Moment?
Ich arbeite seit sechs Jahren für das Stadtmagazin DATEs. Vorher habe ich für die Jugendseite der Volksstimme gearbeitet.

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Nur als Fotograf ?
Nein, ich schreibe auch Artikel und bin journalistisch tätig. Die Hauptintention dafür war, dass ich in Deutsch immer relativ schlecht war. Ich konnte mich gut ausdrücken, hatte gute Ideen, aber die
Rechtschreibung war eine Katastrophe. Ich wollte mich verbessern und habe dadurch angefangen, viele Texte zu schreiben.

Und wie bist Du dann bei DATEs gelandet?
Die Volksstimme war mir ein bisschen zu allgemein. So ein Stadtmagazin ist ein bisschen cooler und hipper. Und ich habe es bisher nicht bereut. Man wird akkre­ditiert und geht zu Veranstaltungen undKonzerten, zu denen man sonst nicht gehen würde. Dadurch lernt man die Stadt nochmal aus einer anderen Perspektive kennen. Das ist das Attraktive an dem Job.

Früher war man der zweite Star neben dem DJ.

Wie viele Partys fotografierst Du im Monat?
Das ist unterschiedlich. Am Monatsanfang bekommen alle Fotografen eine Liste, auf der man sich eintragen kann. Man kann so viele machen, wie man schafft. Bei mir sind es durchschnittlich zwei bis drei Veranstaltungen pro Monat. Da es ein Nebenverdienst ist und man davon nicht reich wird, ist mir wichtig, dass ich mich mit der jeweiligen Party auch identifizieren kann.

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Also ändern sich die Partylocations jeden Monat?
Jeder Fotograf hat so sein eigenes Metier und bleibt dem im Großen und Ganzen auch treu. Keiner möchte in das Revier eines Kollegen eindringen, um nicht mit den Bildern des Anderen verglichen zu werden. Es wäre wirklich doof, wenn die Leute sagen, dass deine Bilder besser seien als die eines anderen Fotografen.

Das klingt nach Rivalität?
Nein. Eigentlich ist es ein sehr kollegialer Umgang. Sowohl unter den DATEs-Fotografen, als auch mit Fotografen von anderen Portalen.

Welche Veranstaltungen machst Du am liebsten?
Am liebsten fotografiere ich auf Konzerten. Partys im elektronischen Bereich finde ich auch gut. Da DATEs ein Anzeigen-finanziertes Blatt ist, gibt es Veranstal tungen, zu denen man gehen muss, auchwenn es einem nicht ganz entspricht.

Was ist an Konzerten so besonders?
Die Livesituation. Als Fotograf darf man in den Graben vor der Bühne und kommt den Künstlern sehr nahe. Man darf zwar dort nur während der ersten drei Lieder Bilder machen und keinen Blitz verwenden, aber das sind trotzdem immer sehr erinnerungswürdige Momente.

Wie viele Bilder machst Du pro Abend?
Ich würde sagen 200 bis 300. Davon kommen 30 bis 50 ins Internet. Ausnahmen sind Festivals, da mache ich schon mal über 1.000 Bilder.

Auf wie vielen Veranstaltungen warst Du während Deiner Laufbahn schon?
Ich mache das jetzt seit zehn Jahren. Da war ich sicher schon auf über 300 Veranstaltungen.

Sind Dir in dieser Zeit Veränderungen in der Partyszene aufgefallen?
Diese Branche und dieser Job haben sich sehr gewandelt. Früher musste man im Club einfach nur eine Kamera hochhalten und die Leute sind über einen hergefallen. Man war sozusagen der zweite Star neben dem DJ. Heute sind die Leute nicht mehr so fixiert darauf. Deswegen ist es schwieriger geworden, gute Fotos zu bekommen.

Worauf achtest Du, wenn Du auf Partys fotografierst?
Ich bin ein Freund von indirekten Bildern. Das heißt, dass ich die Leute am liebsten ohne Blitz fotografiere und versuche, sie in der Szene aufgehen zu lassen. Ich möchte Menschen zeigen wie sie sind, statt irgendwelche frisierten, hochtupierten Leute frontal zu fotografieren.

Wie funktioniert das?
Man trifft auf Partys immer wieder die gleichen Menschen. Da weiß man irgendwann einfach, wer wie miteinander reagiert. Es ist mir wichtig, meinen eigenen >Stil einfließen zu lassen.

Du erwähntest bereits, dass man davon nicht reich wird. Was ist Deine Motivation, den Job trotzdem zu machen?
Ich bin stark verwurzelt in der Magdeburger Club- und Kulturlandschaft. Es ist mir wichtig, Veranstalter und Kollektive zu unterstützen. Wenn die Stadt keine Leute hat, die so etwas machen, ist das schlecht. Sowohl für mich als auch für alle anderen Magdeburger. Ohne Clubszene erscheint eine Stadt immer unattraktiver. Das coole ist, dass ich nicht der Einzige bin. Viele Fotografen haben angefangen, sich anderweitig in der Szene einzubringen. Einige machen Pressearbeit, andere organisieren Livestreams. Dadurch macht man sich ein Gesicht und einen Namen.

Welchen Veranstaltungsort magst Du am meisten?
Ich finde die Datsche sehr schön. Dort bin ich immer wieder gern und mache auch Bilder. Die Kunstkantine gefällt mir auch gut.

Wo gehst Du nicht so gern hin?
In den First Club in Magdeburg. Das liegt aber nicht daran, dass ich den Club nicht gut finde es ist einfach nicht mein Stil, nicht meine Altersgruppe. Generell sollte man mit Wertungen vorsichtig sein. Die einen finden Veranstaltungen gut, die anderen nicht. Das ist Geschmackssache.

Das Fahrrad ist meinständiger Begleiter.

Gibt es etwas, dass Du an der Magdeburger Clubszene schlecht findest?
Mir fehlt hier ab und zu Vielfalt. Magdeburg ist sehr elektrolastig und ich finde, dass es mehr Hip-Hop-Partys oder Veranstaltungen mit anderen Musikgenres geben sollte.

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Inter.Vista, Christian Rathmann, Foto: Philipp Schöner

Was gefällt Dir an deinem Job?
Ich freue mich, wenn Leute meine Fotos als Profilbilder bei Facebook nutzen oder wenn Künstler meine Fotos auf ihren Internetseiten einbinden. Es ist zwar immer ein bisschen schade, wenn die Nennung vergessen wird, aber ich vermute dahinter keine böse Absicht. Fast das Schönste am Job ist, dass man immer wieder neue Leute trifft. Es spült einem Leute ins Leben, die man sonst nie kennenlernen würde.

Mir macht das nur solange Spaß, wie ich das machen kann und nicht muss.

Und was stört Dich?
Wenn Türsteher unfreundlich sind. Eine gute Veranstaltung fängt an der Tür an.
Vielen Security-Leuten ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sie direkt die
Party und den Veranstalter repräsentieren. Wenn schon am Einlass maulige und
unmotivierte Leute stehen, ist das schade. Ansonsten bedauere ich, dass die fetten
jahre in der Partyfotografie vorbei sind. Als ich anfing, gab es sicher 200 Partyfotografen. Jetzt machen das nur noch einige wenige.

Bist Du schon mal nach Hause gegangen, weil auf einer Party zu wenig los war?
Ja, klar. Es bringt dann auch nichts, Bilder zu machen. Einerseits, weil man womög-
lich nicht genug zusammen bekommt, um sie hochladen zu können. Andererseits
muss man auch bedenken, dass man einem Veranstalter schaden kann, wenn
man Bilder veröffentlicht, auf denen nur zwei oder drei Leute zu sehen sind. Das mache ich nicht. Das ist nicht mein Stil.

Wie schwierig ist es, Studium und Party fotografie zu vereinen?
Ich kann selbst entscheiden, wann ich auf Partys gehe und wie viele Veranstaltungen ich im Monat besuche. Wenn ich mal Stress habe, dann lasse ich auch mal eine
Party aus.

Wie lange bist Du mit einer Fotoserie beschäftigt?
Das nimmt insgesamt etwa sechs Stunden in Anspruch. Dazu zählen 30 Minuten An-
und Rückfahrt, zwei bis drei Stunden auf der Veranstaltung selbst und nochmal ein
bis zwei Stunden Bearbeitung

Ich fotografiere am liebsten ohne Blitz.

Wohnst Du zentral, damit Du schnell überall hinkommen kannst?
Ich wohne am Fuchsberg, also relativ zentral.

Was gefällt Dir an der Wohngegend?
Im Innenhof meiner Wohnung steht eine Tischtennisplatte. Das fetzt total. Wir
spielen da auch im Winter. Außerdem gefällt mir die nähe zum Stadtpark. Ab und
zu gehe ich an der Elbe angeln, da habe ich es nicht weit. Außerdem gefällt mir, dass
es dort noch viel Altbausubstanz gibt. Ich bin in einer ›Platte‹ nahe der Festung
Mark in der Stadtmitte aufgewachsen.

Wo bist Du am liebsten, wenn Du nicht nachts unterwegs bist?
Alte Industrieruinen ziehen mich an. Ich bin gerne an der Hyparschale. Die Elbe
ist auch ein Ort, an dem ich mich oft aufhalte. Zum Angeln, Sitzen und chillen. Ich
könnte mir nicht vorstellen, in einer Stadt ohne Fluss oder Meer zu leben.

Was ist Dein persönliches ›Magde­burg­Gefühl‹?
Das verbinde ich mit dem Dom. Wenn man viel unterwegs war und wieder
zurückkommt, löst der Anblick immer ein Heimatgefühl aus. Er ist für mich das
Wahrzeichen der Stadt. Ich würde Magdeburg für keinen anderen Ort verlassen.

Februar 2017
Interview aus INTER.VISTA 4

Vista.Schon?

Christian Rathmann ist 28 Jahre alt. In seiner Freizeit tourt er gern und ausgiebig mit dem Rad quer durch Europa. So fuhr er unter anderem nach St. Petersburg. Wenn er nicht gerade durch den Sucher seiner Kamera guckt, studiert er Berufsschullehramtin Magdeburg. Weil er so oft mit dem Fahrrad unterwegs ist, sieht man ihn häufig mit einem hoch gekrämpelten Hosenbein. Magdeburg beschreibt der Fotograf als ruppig, grün und wandelbar.

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