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Jürgen Schmökel

Nicht nur als Direktor des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt beobachtet Jürgen Schmökel die Entwicklung der Stadt sehr aufmerksam. Seit den Neunzigern arbeitet der gebürtige Niedersachse in Magdeburg und konnte die hiesigen Veränderungen hautnah verfolgen. Inter.Vista erzählt er von seinen ersten Wohnungen hier vor Ort, warum er Spanisch lernt, was er vom Polizeiruf hält und weshalb er Homeland etwas abgewinnen kann. Außerdem wollen wir mal wissen, wie eigentlich das LKA arbeitet.

Interview & Fotos: Felizia Maertens und Jenny Wyrwiak

Wann hatten Sie das letzte Mal eine Waffe in der Hand?
Das ist noch gar nicht so lange her. Im September auf dem LKA-Schießstand in Schricke. Ich bin Verwaltungsbeamter, kein Vollzugsbeamter, deswegen trage ich keine Schusswaffe bei mir.

Und wann das erste Mal?
Als ich 1976 zur Bundeswehr kam.

Was macht eigentlich das Landeskriminalamt?
Die Arbeit verteilt sich auf den Leitungsstab und diverse Abteilungen. Im Leitungsstab liegt das Informationsmanagement der internationalen und bundesweiten Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere in der AG Kripo. Im Kriminaltechnischen Institut werden Spuren untersucht. In der Abteilung für die Spezialkräfte sind die mobilen Einsatzkommandos, MEK und SEK, was übrigens Spezialeinsatzkommando heißt und nicht Sondereinsatzkommando. Dann gibt es noch eine Ermittlungsabteilung für die besonderen Fälle wie Betäubungsmittel und Waffenhandel, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität und den verdeckten Bereich sowie Zeugenschutz. Zwei weitere besondere Abteilungen sind der polizeiliche Staatsschutz und das Cybercrime-Kompetenzcenter.

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
Als Behördenleiter sorge ich für die strategische Ausrichtung und die dafür nötigen Ressourcen. Ich beschaffe Personal, kümmere mich um die Ausstattung sowie gesetzliche Befugnisse. Ich wirke in den politischen Raum hinein und gebe fachliche Stellungnahmen ab, die die Politik aufnimmt und dann hoffentlich in Beschlüsse umsetzt. Beförderungen auszusprechen oder gelegentlich ein Disziplinarverfahren einzuleiten gehört auch zu meinen Aufgaben. Ich befasse mich auch mit besonderen Ermittlungsverfahren, die in einem größeren Kontext stehen. Wenn sich ein Fall zum Beispiel politisch auswirken könnte oder im Bereich des islamistischen Terrorismus liegt, muss ich ›über den Tellerrand‹ hinausblicken und Minister oder Bürgermeister informieren.

»Als man mich fragte, ob ich LKA-Direktor werden wolle, habe ich sehr mit mir gerungen.«

Wir haben gelesen, dass das LKA momentan ungefähr 600 Mitarbeiter hat. Kennen Sie die alle persönlich?
(lacht) In meinen zehn Jahren als LKAChef habe ich bestimmt jeden schon mal gesehen und wahrscheinlich auch gesprochen. Ich kann mir aber nicht alle Namen merken. Wenn ein neues Gesicht ins Haus kommt, lasse ich es mir aber gerne vorstellen.

Gibt es einen Ermittlungsfall, der Ihnen besonders im Gedächtnis blieb?
Ja, sogar einige. Wir hatten einen sogenannten CEO Fraud. Dabei wird medial eine Fiktion aufgebaut und die Buchhaltung eines Unternehmens hat den Eindruck, sie würde mit dem Geschäftsführer kommunizieren. Unter einem Vorwand wird der Auftrag gegeben, Gelder auf ein Auslandskonto zu überweisen. Es gelang uns, das Geld wieder zurückzuholen. Ein anderer eindrucksvoller Fall war die Geschichte mit den Gasbombern. Vor ein paar Jahren sprengten Unbekannte immer wieder mit einem Gasgemisch Geldautomaten auf. Da auch Menschen in den Gebäuden wohnten, bearbeiteten wir den Fall im LKA. Wir identifizierten, beobachteten und verfolgten die Täter, bis wir sie auf frischer Tat ertappten. Mittlerweile sind sie verurteilt und sitzen ein.

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Was würden Sie in Ihrer Karriere als größten Erfolg bezeichnen?
Was war die schwierigste Entscheidung? LKA-Direktor zu werden. (lacht) Bevor ich nach Sachsen-Anhalt kam, hatte ich schon im Bereich Sicherheit gearbeitet. Ich war beim Verfassungsschutz und Rechtsberater bei der Bundeswehr. Als man mich fragte, ob ich LKA-Direktor werden wolle, habe ich sehr mit mir gerungen. Der Familienrat tagte 24 Stunden und kam zu dem Schluss, dass ich es machen soll.

Warum haben Sie mit sich gerungen?
Weil das hieß, zur Polizei zu gehen. Das war für mich ein völlig neuer Ansatz, davor hatte ich Respekt. Aber ich habe es nicht bereut.

Nehmen Sie Arbeit oft mit nach Hause, so dass Sie noch viel daran denken müssen?
Ich muss 24 Stunden und sieben Tage die Woche erreichbar sein und werde in bestimmten Lagen angerufen. Das Handy ist meine elektronische Fußfessel. Auch wenn ich keine Arbeit in Papierform nach Hause mitnehme, ereilt sie mich durch Kommunikationsmittel manchmal doch.

Seit 2013 ist der Polizeiruf aus Magdeburg im Ersten zu sehen. Arbeiten Sie mit den Produzenten zusammen?
Nein. Wir kriegen gelegentlich Anfragen, ob wir Requisiten zur Verfügung stellen können. Zum Beispiel sollten wir mal ein Mikroskop leihen. Ansonsten unterstützt eher die Polizeidirektion Magdeburg die Dreharbeiten.

Sehen Sie sich die Filme an?
Das ist Fiktion und Unterhaltung, das hat nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun. Wenn es gutes Entertainment ist, dann schau ich’s mir an. Ich messe es nicht am Realitätsgehalt, denn dann dürfte ich es gar nicht gucken. Wenn die eine DNA-Probe finden und ihrem Assistenten geben sagt der zehn Minuten später: Wow, ich habe ein Match. So schnell geht das nicht.

»Es gab überhaupt kein Nachtleben, stattdessen wurden um 21 Uhr die ­Bürgersteige hochgeklappt.«

Was sehen Sie stattdessen gern?
Ich habe ein Sky-Abo und samstags guck ich immer gern Fußball. Als Fan von Hannover 96 ist das schwer genug. (lacht) Sonst schaue ich auch Serien auf Amazon Prime oder Netflix. Homeland hab’ ich gesehen, da kam die Berufsaffinität ein wenig zum Tragen.

In Ihrer Position müssen Sie sehr organisiert sein. Sind Sie das auch privat?
Ich bin eher der ordentliche Typ. Meine Sachen muss ich da wieder abholen, wo ich sie abgelegt habe. Wenn meine Frau etwas woanders hinlegt, dann finde ich es nicht mehr. Aber wenn ich etwas woanders hinlege, findet sie es immer. (lacht) Sie ist die Meisterin im Chaos.

Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Momentan lerne ich an der Volkshochschule Spanisch. Früher habe ich auch Fußball und Tennis gespielt. Heute laufe ich noch und mache Muskeltraining. Ansonsten lese ich gerne.

Warum lernen Sie Spanisch?
Ich mache gerne Urlaub in Spanien und will mich auch verständigen. Vor allem möchte ich verstehen, was auf den Speisekarten steht. (lacht)

Haben Sie einen Lieblingsplatz oder ein Lieblingsrestaurant in Magdeburg?
Vielleicht das Lago, die Pizzeria am Universitätsplatz.

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Inter.Vista, Jürgen Schmökel, Foto: Jenny Wyrwiak, Felizia Maertens

Wie war Ihr erster Eindruck von der Stadt?
Ziemlich schrecklich. Im Dezember 1990 sind wir hergefahren. Die Bäume waren kahl, die Häuser grau und verrußt. Über Magdeburg hing eine Wolke aus Kohleabgasen von den Heizungen. Das konnte man sehen und riechen, was ziemlich ernüchternd war. Das lag aber auch am Winter. Dieser Eindruck hat sich jedoch nicht verfestigt.

Wo war Ihre erste Wohnung?
Das war das Bauarbeiterhotel in der Erzbergerstraße. Später waren es die Triton-Towers, zwei Hochhäuser, die dann abgerissen wurden. Danach zog ich mit einem Kollegen in eine Wohngemeinschaft über dem Kartoffelhaus. Das gibt’s ja leider auch nicht mehr. Schließlich habe ich am Universitätsplatz gewohnt und dann wieder in Olvenstedt. Heute leben wir etwas außerhalb.

»Momentan lerne ich an der Volkshochschule Spanisch.«

Was sind seitdem für Sie die bedeutendsten Veränderungen in Magdeburg? 
Wie wenig Gaststätten es damals am Hasselbachplatz gab. Die konnte man an einer Hand abzählen. Es gab überhaupt kein Nachtleben, stattdessen wurden um 21 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Die Stadt hat sich wahnsinnig positiv entwickelt. Eine lebendige Kneipenszene und viele Restaurants unterschiedlicher Convenience. Im kulturellen Bereich hatte Magdeburg schon immer etwas zu bieten.

Welche Begriffe fallen Ihnen spontan zu Magdeburg ein? 
SKET und SKL. Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann und Schwermaschinenbau Karl Liebknecht. Damit war ich konfrontiert. Magdeburg war einmal die Stadt der Schwerindustrie und des Maschinenbaus. Buckau ist heute eine Industrieruine, da waren die großen Betriebe. Ansonsten ist Magdeburg sportlich und im Handball wie im Fußball wieder im Kommen.

Welche Orte würden Sie einem Freund zeigen, der Sie in Magdeburg besucht?
Hier gibt es viele schöne Orte. Die Hegelstraße wurde restauriert. Der Rotehornpark oder der Herrenkrug sind auch gute Beispiele für Konversion. Die Russen hatten dort ihren Übungsplatz und eine Kaserne. 1994 hinterließen sie ein verwüstetes Gelände, aber heute ist es wieder rekultiviert. Man kann an der Elbe spazieren gehen. Das Bahnhofsviertel gedeiht und wächst. So können die Wunden einer Stadt verheilen.

Januar 2018
Interview aus INTER.VISTA 5

Vista.Schon?
Jürgen Schmökel, geboren 1956, ist seit März 2008 Direktor des Landeskriminalamtes SachsenAnhalt. Er studierte Rechtswissenschaften in Kiel und arbeitete mehrere Jahre lang im Innenministerium und beim Verfassungsschutz. Zuvor war er Rechtsberater bei der Bundeswehr. Als er 1990 erstmals nach Magdeburg kam, war sein Eindruck eher durchwachsen. Das ist mittlerweile anders, denn er sieht die Stadt seit langem auf einem guten Weg. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Freizeit lernt er unter anderem Spanisch.

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