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Marc-Henrik Schmedt

Das Sportgeschäft ist sehr schnelllebig. Das weiß auch Marc-Henrik Schmedt. Seit sechs Jahren leitet der gebürtige Rheinländer die Geschicke des SC Magdeburg und ist dabei immer auf Kontinuität bedacht. Inter.Vista erzählt er von seiner Anfangszeit in Magdeburg, spricht über die Entwicklung des Vereins und erklärt, welche sportliche Chance jetzt ergriffen werden muss.

Interview und Fotos: Tobias Barthel und Stefan Matsuura 

Herr Schmedt, fehlt Ihnen der Karneval?
Ja, deswegen feiere ich hier auch nicht. Entweder richtig oder gar nicht. Obwohl Magdeburg sich alle Mühe gibt. Aber wenn man aus dem Rheinland kommt, ist es eben doch etwas anders. (lacht)

Sie kamen vor 25 Jahren direkt nach der Wende aus dem Rheinland nach Magdeburg. Warum sind Sie gerade in dieser Zeit nach Ostdeutschland gekommen?
Im Februar 1991 schloss ich meine Banklehre ab. Da in Magdeburg zufällig die Partnerfiliale der Bank Bonn war, wurde ich hierher delegiert. Ursprünglich wollte ich nur ein halbes Jahr hierbleiben. Doch nach dieser Zeit stand für mich fest, dass ich hier nicht mehr weg will. Das war auch ein guter Entschluss.

Das muss damals eine große Umstellung gewesen sein.
Es war komplett anders, wenn man als verwöhnter Wessibengelhierher kam. Es war aber eben auch eine total spannende Aufbruchszeit. Vieles, was man während der Banklehre gelernt hatte, galt plötzlich nicht mehr. Da war es normal, dass eine Bank in Haldensleben von einem Schäferhund bewacht wurde.

Wo war Ihre erste Wohnung in Magdeburg?
Erst wohnte ich in einem Hotel in der Goethestraße und später dann in meiner ersten eigenen Wohnung in einem sechsstöckigen Haus am Salbker See.

Waren Sie früher selbst als Handballer aktiv?
Nein, war ich nicht. Aber Fußball habe ich gespielt.

Wie hat sich ihr Interesse am Handball entwickelt und wie kam der Kontakt zum SCM zustande?
Vor meiner Zeit beim SCM war ich Abteilungsleiter einer großen Bank. Im Zuge dessen finanzierte ich mal das Schweizer Haus im Rotehornpark. Darüber bekam ich dann Kontakt zum Vorstand des SCM. Als ich sagte, dass ich mich gern im Verein einbringen wolle, bekam ich die Verantwortung für die zweite Mannschaft. Dass ich nun genau zum Handball gekommen bin, war also reiner Zufall. Am Anfang stand die Motivation, etwas für Magdeburg zu tun. Jetzt sind es schon 16 Jahre.

»Es war komplett anders, wenn man als ›verwöhnter Wessibengel‹ hierher kam.«

Vor Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer waren Sie für die Youngsters tätig. Wie genau ist der SCM im Nachwuchsbereich aufgestellt?
Ich bin nach wie vor auch für die Youngsters verantwortlich. Als ich vor zehn Jahren dort anfing, haben wir begonnen, ein Farmteam nach amerikanischem Vorbild aufzubauen. Wir haben beim SCM eine eigenständige Sponsorenklientel für die Nachwuchsmannschaft. Da der Nachwuchs also mehr oder weniger autark finanziert wird, können wir das auch in den nächsten Jahren fortsetzen, ohne dass wir als Verein großartig finanzielle Unterstützung leisten müssen.

Wie Sie bereits erwähnten, kommen Sie aus dem Bankwesen. Welche Fähigkeiten eines Bankers braucht ein Sport-Geschäftsführer?
Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, wenn man eine Bilanz lesen kann und Buchungssätze beherrscht.

Inter.Vista, Marc-Henrik Schmedt, Foto: Tobias Barthel, Stefan Matsuura

Inter.Vista, Marc-Henrik Schmedt, Foto: Tobias Barthel, Stefan Matsuura

In der abgelaufenen Saison konnte der SCM den DHB-Pokal beim Final Four in Hamburg gewinnen. Wie und wo wurde gefeiert?
Die Feier ging in Hamburg schon los und es war einfach der Wunsch der Mannschaft, so schnell wie möglich nach Magdeburg zurückzukehren. Die erste Station war gegen 22.30 Uhr der Mückenwirt. Dort waren auch viele Fans vor Ort, die die Mannschaft schon in Hamburg unterstützt oder das Spiel beim Public Viewing verfolgt haben. Am nächsten Tag folgte dann der Empfang beim Oberbürgermeister und das Essen mit den Familien.

Für den SCM ist es der erste Titel seit 2007. Damals wurde der EHF-Europa-Pokal gewonnen. Außerdem konnten Schulden in Höhe von 2,5 Millionen Euro nahezu komplett abgebaut werden. Wie sehr mussten Verein und Mannschaft umgebaut werden, um diesen Erfolg zu erreichen?
Man muss den Prozess als Ganzes sehen. Im Jahr 2007 war der SC Magdeburg faktisch insolvent. Der Sanierungsprozess wurde dann ab 2007 begonnen und bis 2010 bereits hälftig abgeschlossen. Seit ich gemeinsam mit Steffen Stiebler übernommen habe, hat sich das Gebilde komplett verändert. Dazu gehören neben dem strukturellen Aufbau auch Marketing, Kommunikation, Markenentwicklung und natürlich auch die Mannschaft selbst.

Bei Ihrer Vertragsverlängerung im Februar sagten Sie, dass Ihnen die Weiterentwicklung der Marke SCM besonders wichtig ist. Welche Maßnahmen haben Sie bis jetzt ergriffen und welche haben Sie noch im Blick?
Der sportliche Erfolg ist sicherlich die Kernaufgabe. Jedoch geht es in erster Linie darum, den SC Magdeburg als identitätsstiftenden Leuchtturm für Sachsen-Anhalt und die gesamte Region zu platzieren. Anstatt Freundschaftsspiele in Bayern oder Baden-Württemberg zu spielen, besuchen wir im Rahmen der Sachsen-Anhalt-Tour regelmäßig die Altmark, Dessau oder den Harz, um einfach die Verbundenheit zur Bevölkerung und auch zu den dort ansässigen Unternehmen zu zeigen. Unsere Sportart hat natürlich auch entsprechende Vorzüge. Wir haben regelmäßig über 6.000 Zuschauer in der Halle, spielen in der Bundesliga, aktuell auch europäisch. Das sind alles Werte, die eben auch zum Selbstbewusstsein von Magdeburg und Sachsen-Anhalt beitragen sollen. 

Sie sagten, dass Sie den SCM als Leuchtturm im Ostensehen. Welche anderen Vereine sehen Sie in einer Leuchtturmfunktion?
Unabhängige Erhebungen zeigen, dass es überregional im gesamten Osten drei Sportveranstaltungen gibt, die grundsätzlich von allen als identitätsstiftend wahrgenommen werden: die Eisbären Berlin im Eishockey, Oberhof im Biathlon und der SC Magdeburg im Handball. Die aktuellen TV-Zahlen zeigen, dass der gesamte Osten SCM schaut. In der abgelaufenen Saison hatten wir mit über 86 Millionen Zuschauern den Top-Wert der Liga.

»Die Geschichte mit Römern und Galliern funktioniert nachhaltig eben nur im Comic. Am Ende wirft Geld eben doch Tore.«

Sie sind der Meinung, dass Magdeburg das Potenzial hat, nachhaltig um das europäische Geschäft mitzuspielen. Durch den Pokalgewinn hat der Verein einen Startplatz im EHF-Europa-Pokal sicher. Glauben Sie, dass der SCM auch in der nächsten Saison Pokal und Meisterschaft angreifen kann?Das haben wir natürlich vor. Wir haben jetzt zweimal hintereinander das Final Four im DHB-Pokal erreicht. Davor war neun Jahre lang nichts, weil wir auch oft Pech bei der Auslosung hatten. Wir wollen um die europäischen Plätze spielen, aber wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir in Magdeburg Entscheidungen treffen müssen. Entweder wollen wir weiter oder bleiben eine Mannschaft, die dauerhaft um die Plätze sechs bis neun spielt. Das ist eine Grundsatzentscheidung, über die jetzt entschieden werden muss.

Ab welchem Jahr ist für Sie der Angriff auf die Champions League-Plätze realistisch?
Die Grundsatzfrage ist, ob wir das wollen. Und wenn wir das wollen, müssen wir definieren, was dafür nötig ist. Erst dann können wir die entsprechenden Schritte einleiten. Ich glaube, dass man bis zum Jahr 2020 im Rahmen eines Drei-Jahres-Plans die Voraussetzungen dafür schaffen kann. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Sobald sich Spieler verletzen, wird der Plan wieder zurückgeworfen. Aber das Schaffen der Voraussetzungen ist wichtig, um Spieler wie Finn Lemke oder Michael Damgaard in Magdeburg halten zu können. Die Spieler wollen natürlich wissen, wo wir als Verein in drei Jahren stehen wollen. Allein eine Gehaltserhöhung reicht da nicht aus. Die Spieler wollen Champions League spielen. Deswegen müssen wir zwingend diesen Weg gehen, aber dafür ist noch eine Menge nötig.

Nach der Trainerentlassung im Dezember 2015 haben Sie sich mit Bennet Wiegert für eine interne Lösung von den Youngsters entschieden. Was sprach dafür?
Wir haben von Anfang an betont, dass wir gern langfristig mit Bennet Wiegert arbeiten möchten. Von einer Interimslösung war keine Rede. Der Hauptgrund war, dass Bennet einfach alles mitbringt. Es gibt keinen Bundesligatrainer, der eine höhere theoretische Ausbildung hat als er. Sein Mangel an Erfahrung kompensiert er mit Geradlinigkeit und Fleiß. Im Gespräch mit dem Aufsichtsrat habe ich klar gesagt, dass wir uns entscheiden müssen: Entweder wird Bennet Wiegert hier ein guter Trainer oder er wird es woanders. Und ich hoffe, dass mit dem Pokalsieg alle Trainerdiskussionen ad acta gelegt sind.

Ihr Präsident Dirk Roswandowicz lobte Sie als einen der »besten Geschäftsführer der Handball-Bundesliga«. Was genau sind ihre Aufgaben?
Ich weiß gar nicht, ob mein Präsident die anderen alle kennt. (lacht) Der Hauptpunkt ist, dass wir letztendlich, bei aller Emotionalität, den SC Magdeburg als ein Wirtschaftsunternehmen führen. Meine Hauptaufgaben liegen im wirtschaftlichen Bereich und im Marketing. Andere Aufgaben, wie der sportliche Bereich, wurden auf mehrere Schultern verteilt. Am Konstrukt eines Alleinherrscherssind bis jetzt schon viele Vereine gescheitert.

Haben Sie nach Ihrer erfolgreichen Arbeit in Magdeburg bereits Angebote von anderen Vereinen erhalten?
Es gab schon mehrere Optionen. Aber für mich geht das jetzt einfach nicht. Ich bin hier vor Ort mit Leidenschaft bei der Sache und könnte nicht ab morgen bei einem anderen Club anfangen und dabei die gleiche Leidenschaft entwickeln wie für Magdeburg. Wir sind hier in Magdeburg noch nicht fertig.

»Entweder wird Bennet Wiegert hier ein guter Trainer oder er wird es woanders.«

Das klingt nach viel Arbeit. Haben Sie überhaupt Freizeit oder müssen Sie sich die nehmen?
Es ist ein fließender Übergang zwischen Arbeit und Freizeit. Insofern ist es eigentlich keine Belastung. Am Ende einer Saison mit Trainerentlassung und Final Four merkt man schon, dass man runter ist. Aber ich habe mir das so ausgesucht. Für meine Aufgabe opfere ich auch gerne geregelte und limitierte Arbeitszeiten. Meine Arbeit ist hochspannend und ich bin dankbar, dass ich genau das machen darf.

Verbinden Sie auch manchmal Berufliches mit Privatem?
Ja, klar. Man ist ja faktisch 24 Stunden im Einsatz. Natürlich ergibt sich da manchmal die ein oder andere geschäftliche Gelegenheit. Aber noch verrückter ist meine Frau. Sie leitet den Fan-Shop und die Merchandising-Abteilung. Da muss ich eher sie bremsen.

Inter.Vista, Marc-Henrik Schmedt, Foto: Tobias Barthel, Stefan Matsuura

Inter.Vista, Marc-Henrik Schmedt, Foto: Tobias Barthel, Stefan Matsuura

Was macht Magdeburg zu einer erfolgreichen Sportstadt?
Zum einen hat Magdeburg eine große Historie. Zum anderen haben wir ein fachlich versiertes Publikum, das aber auch teilweise noch in der Vergangenheit lebt. Daraus resultiert eine hohe Erwartungshaltung. Wenn man in Sachsen-Anhalt Spitzensport sehen möchte, muss man zum Fußball oder Handball gehen.

Warum sollten junge Leute nach Magdeburg kommen?
Wir sind nicht das Land, wie es Außenstehende sehen. Man sollte sich erst einmal alles in Ruhe anschauen und nicht nur nach dem ersten Anschein urteilen. Da ist aber jeder Magdeburger aufgefordert, das positiv nach außen zu tragen.

Wie beurteilen Sie das Stadtmarketing der Stadt Magdeburg?
Gut, aber wir könnten noch etwas selbstbewusster sein. Auf viele Dinge kann man sehr stolz sein. Egal, ob das Fußball, Handball, die guten Unternehmen, die kulturellen Alleinstellungsmerkmale oder der hervorragende Bildungs- und Wissenschaftsstandort ist. Wir können hier im Land vieles. Das müssen wir uns nur vergegenwärtigen, mit breiter Brust vorweg gehen und unsere Stadt positiv verkaufen. Auch wir als Verein erleben immer wieder, dass neuverpflichtete Spieler, die zum ersten Mal nach Magdeburg kommen, zuerst die großen Wohnhäuser sehen und sich dann fragen, wo sie eigentlich hier gelandet sind. Das ändert sich aber später, wenn sie andere Ecken der Stadt gesehen haben. Ich glaube, dass wir da noch eine Menge zu kommunizieren haben.

»Ich könnte nicht morgen bei einem anderen Club anfangen und dabei die gleiche Leidenschaft wie für Magdeburg entwickeln.«

Inwieweit trägt der SC Magdeburg zu dieser Vermarktung bei?
Die Politik hat verstanden, dass wir als Verein ein Beispiel für gelebte Integration sind. In unserer Mannschaft vereinen sich mehrere Nationen und wir haben zusammen Erfolg. Wir stellen uns den gesellschaftlichen Themen wie Migration oder Fachkräftemangel.

Wie wird das beim SCM umgesetzt?
Nachdem die deutsche Nationalmannschaft im Januar Europameister geworden ist, habe ich einen Artikel gelesen mit der Überschrift »Fußball ist Frau Merkel, Handball ist Frau Petry«. Das empfinde ich als Schwachsinn. Das Problem ist, dass es in den klassischen Herkunftsländern der Migranten keinen Handball gibt. Fußball dagegen spielen Kinder auf der ganzen Welt. Wir unterstützen eine Plattform, über die versucht wird, Migranten mit Bleibeperspektive in Praktikumsstellen zu vermitteln. Wir bringen hier unser Netzwerk ein und haben selber eine junge Migrantin als Praktikantin aufgenommen. Außerdem haben wir jetzt ein Deutschlandstipendium an eine junge Frau aus Pakistan vergeben, um zu zeigen, dass Magdeburg für junge, intellektuelle Menschen ein attraktiver Standort sein kann. Ich bin gern bereit, solche Dinge plakativ nach außen zu zeigen.

Wo sehen Sie sich und den Verein in fünf Jahren?
Wenn wir jetzt die Weichenstellung schaffen, sind wir in fünf Jahren eine Mannschaft, die dauerhaft um die ersten vier Plätze mitspielt. Wir sollten bis dahin sowohl wirtschaftlich als auch sportlich zu den Top-Teams der Liga aufschließen. Die sportliche Entwicklung folgt immer der wirtschaftlichen. Das kann man gut oder schlecht finden, aber am Ende ist es so. Natürlich gewinnt man auch mal gegen größere Mannschaften, aber die Geschichte mit den Römern und den Galliern funktioniert nachhaltig eben nur im Comic. Am Ende wirft Geld eben doch Tore.

Interview aus INTER.VISTA 2

Vista.Schon?
Marc-Henrik Schmedt, Jahrgang 1969, wurde in Simmern im Rheinland geboren. Ein Jahr nach der Wende kam er als Banker nach Magdeburg und ist mittlerweile Geschäftsführer der Handballabteilung des SC Magdeburg. Schmedt ist verheiratet und sein Lieblingsort in Magdeburg ist für ihn immer dort, wo seine Frau ist. Die Stadt beschreibt er als sportbesessen, grün und absolut lebenswert.

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