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Thomas Webel

Wie es sich eben für einen CDU-Landesvorsitzenden gehört, wird Thomas Webel zum Interviewtermin chauffiert. Doch während der Verkehrsminister im Gespräch über reparaturbedürftige Mopeds plaudert, traut man ihm die Anreise auch auf seinem alten Simson-Motorroller zu. Webel gibt nicht viel auf Glanz, ist gleichzeitig Minister und Dorfmensch. Mit Inter.Vista sprach er über sein Leben zwischen Brüssel und Börde. 

 Interview und Fotos: Rosanna Fanni und Jörn Zahlmann 

   

Auf der Internetseite Ihres Ministerums kann man Autogrammkarten bestellen. Wie viele haben Sie schon unterschrieben?
In den zurückliegenden fünf Jahren müssten es rund 100 Stück gewesen sein. Übrigens habe ich mir sagen lassen, dass meine Autogrammkarten bei Ebay die teuersten sind (lacht). 

Wann haben Sie das letzte Mal Frau Merkel getroffen?
Als Landesvorsitzender und Mitglied des Bundesvorstandes der CDU bin ich mindestens alle drei Wochen in Berlin. Ich habe sie vorigen Montag bei einer Bundesvorstandssitzung der CDU getroffen. Frau Merkel hat die Eigenart, immer bei uns an der rechten Seite vorbeizugehen und gibt uns zur Begrüßung die Hand. Den Linkssitzenden nicht. Das hat aber keine politischen Gründe (lacht). Wir haben diese Sitzordnung schon seit vielen Jahren.

»Bei mir darf nur der aufhören, der auch einen Nachfolger mitbringt.«

Innerhalb der Union wird gerade heftig gestritten. Sind Sie eher konsensorientiert wie Frau Merkel oder streitlustig wie Herr Seehofer?
Streit macht das Leben nicht schöner. Im Konsens und im Einvernehmen lebt es sich viel einfacher, aber wenn es sein muss, kann ich auch hart sein. Trotzdem bin ich eher dafür, einen Konsens zu finden. Nach 20 Jahren Kommunalpolitik weiß man, dass man für alle Menschen da sein muss. 

Inter.Vista, Thomas Webel: Verkehrsminister, Foto: Rosanna Fanni, Jörn Zahlmann

Inter.Vista, Thomas Webel: Verkehrsminister, Foto: Rosanna Fanni, Jörn Zahlmann

Sie sind also kein Einzelkämpfer, wie es für Politiker eher üblich ist?
Nein, ich bin ein Teamplayer. Man muss in der Politik nicht immer die Ellenbogen ausfahren, sondern die Leute mitnehmen und motivieren. Ich versuche, auch zusammen mit politischen Mitstreitern, die Dinge zu organisieren. Wir sind in Sachsen-Anhalt seit 2006 in einer Großen Koalition. Und da muss man auch als Team arbeiten. Politik ist wie eine Ehe: Da kann auch nicht jeder nur seinen Weg gehen, sonst geht es auseinander. 

Könnten Sie sich Politik auch auf Bundesebene vorstellen?
Nein, Bundespolitik war für mich nie eine Option. 1994 sollte ich für den Bundestag kandidieren. Das habe ich abgelehnt. Für Veränderungen auf Bundesebene braucht man einen langen Atem. Auf Landesebene kann man viel mehr gestalten.

Was waren Ihre ersten konkreten Veränderungen im Amt als Landrat?
Wir wollten alle den Landkreis und Sachsen-Anhalt nach vorne bringen, etwas in der Region verändern. Zuerst stellten wir die Verwaltung so auf, dass Mitarbeiter eigenständig Dinge auf den Weg bringen konnten. Auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung mit den Bürgermeistern und Unternehmen hat sich viel getan. Wir mussten die Menschen in Lohn und Brot führen. Der ehemalige Landkreis Wolmirstedt war ein Agrarkreis, und heute ist es eine wirtschaftlich starke Region in Sachsen-Anhalt. Wolmirstedt hat eine Arbeitslosenquote von 5,5 Prozent, das ist unter dem deutschen Durchschnitt. Wir wollten etwas verändern, und das haben wir auch getan.  

»Bundespolitik war für mich nie eine Option.«

Auch heute stoßen Sie viele Veränderungen an, beispielsweise den Moped-Führerschein ab 15 Jahren. Woher kam die Initiative?
In der DDR durften wir die 50-Kubik-Mopeds auch schon mit 15 fahren. Heute gibt es in Sachsen-Anhalt ein Mobilitätsproblem im ländlichen Raum, deshalb haben wir den Führerschein ab 15 eingeführt. Das Projekt verläuft sehr positiv: Es gibt viele Absolventen und gleichzeitig hat die Unfallstatistik nicht zugenommen. Der Führerschein lohnt sich, weil er die Jugendlichen mobil macht. Was wir früher mit 15 konnten, können die jungen Leute heute auch.

Wann sind Sie das erste Mal Moped gefahren?
Ich habe meinen Führerschein auf einer Simson SR2 gemacht, das war im Herbst 1969. Die Prüfung war damals sehr einfach: Wir mussten eine Seite mit sechs Verkehrszeichen und drei Vorfahrten ausfüllen und eine Acht fahren. Die gängigen Modelle zu meiner Jugendzeit waren Simson Star, Schwalbe und Spatz. Ich bin einen Star gefahren. 

Haben Sie auch an Ihrem Moped geschraubt?
Ich habe oft Mopeds repariert, auch für meine Freunde. Bei meinem Star war der Vergaser das größte Problem. Den musste ich oft sauber machen, und das könnte ich auch heute noch (lacht). Man musste einfach sehr geduldig sein. Wenn eine Schraube zwanzig Mal runterfällt, dann schimpfe ich nicht, sondern versuche es zum einundzwanzigsten Mal.

»Wir wollten etwas verändern und das haben wir auch getan.«

Später haben Sie Elektronischen Gerätebau in Dresden studiert. Profitieren Sie heute noch davon?
Ich war für die Landwirtschaft tätig und als Leiter in der Materialbeschaffung lernte ich, die Dinge einfach anzugehen. Man brauchte ein Gefühl für den Umgang mit den Menschen, um die fehlenden Ersatzteile beschaffen zu können. Beziehungen waren sehr wichtig. Heute bringen die Verkäufer ihren Kunden Geschenke mit. In der DDR war das andersherum: Wir brauchten die Ersatzteile und haben dafür ein paar Champignons, etwas Spargel oder einen Wein mitgebracht. Und wenn jemand Sorgen hatte, hat man sich das auch angehört. So war das eben. Für meinen jetzigen Job als Minister war es eine gute Schule. 

Haben sich die Menschen im ländlichen Raum nach der Wende verändert?
In der DDR waren finanziell fast alle gleichgestellt, deshalb wollten zu DDR-Zeiten nur wenige in eine leitende Funktion. Ein ehemaliger Kommilitone in Dresden war später Doktor der Chemie. Er ist für die Müllabfuhr gefahren, weil er als Akademiker vielleicht 1.100 Ostmark verdient hätte – bei der Müllabfuhr waren es 2.000 Ostmark. Heute ist das System anders: Die Menschen mit guter Ausbildung sind finanziell besser gestellt als Menschen ohne Ausbildung. Das muss auch so sein.

Was hat sich konkret verändert, als Sie Minister geworden sind?
m Vergleich zum Landratsposten hat sich der Arbeitsumfang nicht verändert. Ein Tag hat eben nur 24 Stunden. Heute darf ich allerdings nicht mehr so frei über die Finanzen entscheiden. Als Landrat verfügt man selbst über sein Budget, in der Landesregierung gibt es dafür einen Finanzminister.

Würden Sie andere Politik machen, wenn Sie vorher nicht in der Kommunalpolitik tätig gewesen wären?
Ja, dadurch ist mir das Eingewöhnen leichter gefallen. Ich bewundere die, die den Mut haben, ohne Erfahrung in eine solche Funktion zu gehen. Als Chef des Ministeriums trägt man für viele Mitarbeiter Verantwortung. Vorerfahrungen machen es deutlich leichter.

Wann haben Sie sich als Politiker das letzte Mal persönlich angegriffen gefühlt?
Vor über einem Jahr wollte mir ein Redakteur etwas wegen einer Fördermaßnahme noch vor meiner Zeit als Minister anhängen. Es war eine zusammengedichtete Geschichte. Die Recherche war nicht gut, nur basierend auf Unterstellungen. Das hat mich mächtig geärgert. Zu diesen Angriffen habe ich im Landtag Stellung genommen und seitdem habe ich Ruhe.  

Haben Sie jemals im Nachhinein bemerkt, dass Sie jemanden – auch unbeabsichtigt – angegriffen haben?
Nein, ich greife generell keine Menschen an. Ich trete keinem vor das Schienbein, aber wenn mich einer tritt, trete ich zurück.

»Nach 20 Jahren Kommunalpolitik weiß ich, dass man für alle Menschen da sein muss.«

Sie engagieren sich schon lange Zeit für den Kraftsport, waren selber Kraftsportler. Worin begründen Sie diese Leidenschaft?
In Samswegen trainiert die Bundesligamannschaft im Gewichtheben, sie wurde als »Stärkstes Dorf der Welt« ausgezeichnet. Ich bin seit 1992 Präsident des Landesverbandes Gewichtheben und damit der Dienstälteste in Sachsen-Anhalt. Bei mir darf nur der aufhören, der auch einen Nachfolger mitbringt. Und jetzt muss ich das wohl bis in alle Ewigkeit machen (lacht).

Inter.Vista, Thomas Webel: Verkehrsminister, Foto: Rosanna Fanni, Jörn Zahlmann

Inter.Vista, Thomas Webel: Verkehrsminister, Foto: Rosanna Fanni, Jörn Zahlmann

Sie sind beruflich immer in Sachsen-Anhalt geblieben. Was bedeutet Heimat für Sie?
Ich habe mich nach dem Studium in Dresden bewusst dazu entschieden, hierher zurückzukehren. Für mich ist Heimat dort, wo man aufgewachsen ist, wo Freunde und Familie sind. Mit Nachbarn, auf die man sich verlassen kann, die hilfsbereit sind, mit denen man ein Bierchen trinken kann. Insbesondere im dörflichen Bereich gibt es immer Freunde, die uneigennützig helfen. 

Welche Rolle spielt der Beruf als Politiker in Ihrem Privatleben?
Wenn Politisches in meinem Freundeskreis angesprochen wird, heißt es: »Hol’ dir einen Termin im Büro«. Mit Freunden schalte ich ab, dann ist das Thema Politik tabu. Ansonsten könnte man sein Privatleben nicht mehr führen. 

Was möchten Sie gerne noch loswerden?
Es gibt drei Dinge, die ich nicht mache, das wissen auch meine Mitarbeiter: Ich koche nicht in Kochshows, ich tanze nicht in Tanzshows, und ich lese Schülern nichts vor. Damals mussten wir auch selber lesen.

Interview aus INTER.VISTA 1

Vista.schon?
Thomas Webel, Jahrgang 1954, ist Minister für Landesentwicklung und Verkehr in Sachsen-Anhalt. Er wuchs in der Region Börde auf und begann dort seine politische Karriere in der Landratsverwaltung des ehemaligen Landkreises Wolmirstedt. Von 1991 bis 2011 war Thomas Webel Landrat in drei Landkreisen im Westen Sachsen-Anhalts. Der CDU gehört er seit der Gründung des Landesverbandes an und wurde 2004 zum Landesvorsitzenden gewählt. Bis heute lebt der Minister in seinem Heimatort Klein Ammensleben in der Börde.

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