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Gerhard Mette

Er ist eine richtige ›Machdeburjer Pflanze‹ und ein vielbeschäftigter Mann. Der gebürtige Magdeburger kümmert sich nicht nur ehrenamtlich, sondern auch leidenschaftlich um das Erste Magdeburger Circusmuseum. Zudem ist er Geschäftsführer der Spezialitäten-Destillerie Abtshof. Mit Inter.Vista spricht er über besondere Requisiten im Museum, über aktuelle Probleme der Zirkuskultur und wie man trinkfest bleibt, auch wenn man täglich mit Spirituosen und Weinen zu tun hat.

Interview und Fotos: Franziska Ertelt und Amelie Uding 

Circusmuseum oder Zirkusmuseum?
Wir halten uns an die traditionelle Schriftweise, zweimal mit C. Es gibt viele große Zirkusse, die heute noch in ihrem Titel das Wort »Circus« haben.

Bei unserer Anfahrt mit der Straßenbahn sind wir an der Haltestelle Neue Straße/Zirkusmuseum ausgestiegen. Wieso hat das Circusmuseum eine eigene Haltestelle?
Katrin Budde, frühere SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag und jetzt im Bundestag, ist Mitglied im Förderverein der Circusfreunde. Sie setzte sich 2011 dafür ein, dass in der Straßenbahn die Haltestelle Zirkusmuseum ausgerufen wird, damit die Leute wissen, wo sie aussteigen müssen.

Inter.Vista, Gerhard Mette, Foto: Franziska Ertelt, Amelie Uding

Inter.Vista, Gerhard Mette, Foto: Franziska Ertelt, Amelie Uding

Wie kam es zu der Idee, einen Förderverein zu gründen?
Das Ganze fing an, bevor es das Museum gab. Ich war bereits 2000 in die Gesellschaft der Circusfreunde Deutschlands (GCD) eingetreten. 2004 riefen mich Magdeburger Zirkusfans an, ob wir uns nicht regelmäßig treffen wollen. Anfangs waren wir sieben Personen. Als wir mehr wurden, bildeten wir schließlich die Sektion Magdeburg der GCD. Das Circusmuseum braucht Förderer, deshalb gründeten wir den Förderverein.

Das Erste Deutsche Circusmuseum hatte seinen Standort zunächst in Preetz. Wie kam es nach Magdeburg?
Der Präsident der GCD Friedel Zscharschuch gründete 1974 das Circusmuseum. Er hatte auf seinem Dachboden eine private Sammlung als Museum eingerichtet. Auf Anfrage wies ihm der Preetzer Magistrat dann Räumlichkeiten im Preetzer Heimatmuseum zu. Damals gab es dort eine starke Sektion an Circusfreunden, aber als Herr Zscharschuch starb, wurde diese Sektion kleiner. Schließlich konnten sie die Öffnungszeiten nicht mehr absichern. Eines Tages besichtigten sie unser Museum und waren so begeistert, dass sie uns fragten, ob wir die Preetzer Sammlung nicht bei uns mit ausstellen könnten. Als das Museum in Preetz 2010 schloss, kamen die ganzen Sachen mit drei LKW-Ladungen hierher.

Was macht dieses Museum in Magdeburg so einzigartig? 
Die Vielseitigkeit der Exponate und Themen. Wir zeigen die Geschichte bestimmter Zirkusse und gehen auf bestimmte Genres ein wie zum Beispiel Clowns, Artistik, Varieté und Dressur. Magie ist auch dabei. Wir stellen Programme, Plakate, Bücher, Fotos, Kostüme, Requisiten und Clownsfiguren aus. So wie wir es haben, gibt es in Deutschland kein weiteres Zirkusmuseum.

Welcher Bereich fasziniert Sie am meisten? 
Einerseits Dressur. Mir gefallen Pferde, am liebsten ohne jegliches Zaumzeug. Andererseits mag ich Raubtiergruppen. Und Artistik finde ich gut. Flugtrapeznummern sind klasse, aber auch große Truppennummern, die mit Schleuderbrett oder der Russischen Schaukel arbeiten. 

»Einen Zirkus für 5.000 ­Besucher brauchen wir nicht mehr.«

Stichwort Tierdressur, befürworten Sie diese? 
Ja, wenn sie den Anforderungen entspricht. Tiere sollten artgerecht präsentiert werden und keine Kunststücke vorführen, die ihnen nicht ›angeboren‹ sind. In den Sechzigern musste ein Elefant auf einem Dreirad fahren oder auf rollenden Kugeln balancieren. Das sind schwierige Dressurelemente, aber das muss nicht sein.

Welche Ausstellungsstücke gehören zu Ihren Favoriten?
Das könnten Sie mich in jedem Raum neu fragen. (lacht) Da ist der kleine, unscheinbare Ring von Sarrasani, das Kostüm der Josefine Baker, die Büste von Hans Stosch-Sarrasani und die Grabplatte vom alten Carl Krone.

Wie bekommen Sie die Exponate?
Teilweise von Besuchern, die noch Sammlerstücke bei sich zuhause liegen haben. Es gibt aber auch Sammler, die verkaufen wollen. Die GCD bringt monatlich eine Zirkuszeitung raus, da gibt es eine Rubrik Sammler. Darüber kaufte ich früher eine ganze Menge, aber mittlerweile halte ich mich zurück, weil wir wirklich genug haben. Wo soll das denn alles hin?

»Bei privaten Feiern halte ich mich zurück, aber bei Verkostungen kann ich eine Menge ab.«

Wie halten Sie sich finanziell über Wasser?
Durch Spenden, Eintrittsgelder und Sponsoren. Die Gelder, die ich von der Stadt kriege, bewegen sich um die 2.000 Euro im Jahr. Ich muss aber Betriebskosten und eine kleine Miete zahlen. In der Villa Wolff war das alles kostenlos, weil der Abtshof uns sponserte. Das ist heute leider nicht mehr der Fall.

Das Circusmuseum befindet sich auf dem Gelände der Spezialitäten-Destillerie Abtshof. Wie passt das zusammen?
Das ist durch mich bedingt. Ich bin seit 1961 im Abtshof und mittlerweile der Geschäftsführer. Die ›andere Seite von Gerhard Mette‹ ist eben der Zirkus und das Circusmuseum, so passt das zusammen.

Wie kamen Sie denn zum Abtshof?
Eigentlich wollte ich nach meinem Abitur Archäologe werden, aber zunächst musste ich den Wehrdienst bei der NVA ableisten. Dort wurde ich nach 13 Tagen aufgrund eines Herzfehlers ausgemustert. Ersatzweise sollte ich für ein Jahr in die sozialistische Produktion. Meine Schwägerin arbeitete damals im Abtshof und schlug vor, das Jahr dort zu verbringen. Also ging ich dorthin und mein Chef behielt mich danach gleich da. Ich absolvierte eine Erwachsenenqualifizierung zum Weinprüfer, studierte von 1965 bis 1968 Ingenieurswesen für Lebensmittelindustrie in der Fachrichtung »Gärung und Getränke« in der Nähe von Dresden. Fünf Jahre später machte ich den Abschluss zum Ingenieurökonom. Zurück im Abtshof fing ich als Produktionsleiter an und wurde später Geschäftsführer.

Hand aufs Herz, wie trinkfest sind Sie?
Bei privaten Feiern halte ich mich zurück, aber bei Verkostungen kann ich eine Menge ab. Wenn einer unserer Weinstammtische mit 16 Personen und 16 Flaschen Wein stattfindet, dann nehme ich einen kleinen Schluck und probiere, wie der Wein schmeckt. Meistens bleibe ich dann beim Besten. Bei Jungweinverkostungen mit 150 Proben spucke ich den Wein nachher aus. Ich schätze, ich nehme pro Probe etwa 8 Milliliter zu mir.

Welchen Wein trinken Sie denn am liebsten?
Das kommt auf die Jahreszeit an. Im Winter mag ich spanischen Rotwein, weil es ein schwerer und kräftiger Wein mit viel Charakter ist. Im Sommer und in der Übergangszeit bevorzuge ich trockene Rosé-Weine oder auch Weißweine wie Weißburgunder. Aber nur deutsche, denn die besten Weißweine kommen aus Deutschland.

Sie sind ein viel beschäftigter Mann. Was machen Sie, wenn Sie mal frei haben?
Dann unternehmen meine Frau und ich Tagesfahrten in den Harz, in Richtung Fläming, Wörlitzer Park oder nach Potsdam. Oft besuchen wir auch Tiergärten, gehen in die Oper und schauen uns Kulturveranstaltungen an. Gerne machen wir auch Zirkusreisen. Im Januar waren wir mit einer organisierten Busreise an drei Tagen in fünf Weihnachtszirkussen in Süddeutschland. In Monte Carlo waren wir auch schon zweimal. Da würde ich gerne nochmal hin.

»So wie wir es haben, gibt es in Deutschland kein weiteres ­Zirkusmuseum.«

Inter.Vista, Gerhard Mette, Foto: Franziska Ertelt, Amelie Uding

Inter.Vista, Gerhard Mette, Foto: Franziska Ertelt, Amelie Uding

Wann kamen Sie das erste Mal mit dem Zirkus in Berührung?
Als kleines Kind nahm mich meine Mutter oft in die Oper oder den Zoo mit. Als wir den Zirkus besuchten, gefiel der mir besonders. Das setzte sich bis in das Erwachsenenalter fort. Das Zirkusvirus wurde mir erst in den Siebzigern durch den Magdeburger Zirkusschriftsteller und Historiker Gerhard Zapff eingepflanzt. Wir waren sehr eng befreundet. Er hielt bei unseren sozialistischen Brigaden Schriftstellerlesungen und pflegte Kontakte mit Zirkussen in Ost- und Westdeutschland. Unsere Kollegen gingen dann geschlossen in jede Vorstellung der gastierenden Zirkusse.

Wie sieht die heutige Zirkussituation in Deutschland aus?
Sehr angespannt. Die Menschen werden heute mit so vielen Kulturangeboten überschüttet, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie zuerst machen sollen. Zudem ist alles wahnsinnig teuer. Und Tierschützer machen den Zirkussen das Leben schwer. Das alles kostet Zuschauerzahlen. Deshalb muss die junge Zirkusgeneration darüber nachdenken, wie es weitergehen soll. Die müssen ökonomischer denken und sich gesund schrumpfen. Einen Zirkus für 5.000 Besucher brauchen wir nicht mehr. Programme müssen zu Eventereignissen gestaltet werden. Man muss die Kinder heranholen, denn die ziehen ihre Eltern mit.

Wie stehen die Magdeburger zum Zirkus?
Magdeburg war früher eine richtige Zirkusstadt. Das ist heute leider nicht mehr so. Den Staatszirkus der DDR, ein Kombinat aus mehreren Zirkussen, kannte ich nur mit langen Wartezeiten und vollem Zelt. Nach der Wende änderte sich das. Nur Zirkus Probst verzeichnete noch recht gute Zuschauerzahlen. Der beendete schon damals seine Saison in Magdeburg und ist gewissermaßen hier der Heimatzirkus.

Wie sieht denn die Zukunft des Circusmuseums aus?
Sollte der Abtshof mal geschlossen werden, dann kommt es darauf an, wie man mit dem neuen Inhaber klar kommt. Ansonsten wäre das das Aus. Ich habe zwar einen Nachfolger, der das noch eine Weile machen wird, aber das Schicksal ist trotzdem eng mit dem Abtshof verbunden. Deswegen hören wir uns immer um, ob wir nicht eine preiswerte Immobilie kriegen können, wo wir eine langfristige Zukunft hätten.

»Die Menschen werden heute mit so ­vielen Kulturangeboten überschüttet, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie zuerst machen sollen.«

Wie lange wollen Sie noch ehrenamtlich im Circusmuseum arbeiten? 
Solange ich gesund bin und es mir Spaß macht, werde ich hier bleiben. 2019 feiert der Abtshof sein 95-jähriges Bestehen, das ist erst mal ein Ziel. Und dann schauen wir mal weiter.

Januar 2018
Interview aus INTER.VISTA 5

Vista.Schon?
Gerhard Mette, 1942 in Magdeburg geboren, wollte nach dem Abitur eigentlich Archäologie studieren. Durch Zufall landete er bei der Spezialitäten-Destillerie Abtshof und ist heute dort Geschäftsführer. Er ist zudem der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins Erstes Magdeburger Circusmuseum e.V. Für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten beim Förderverein des Rehaund Behindertensports Sachsen-Anhalt, dem Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft und der Vollversammlung IHK wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Zu seinen Lieblingsorten in Magdeburg gehören der Rotehornpark und der Elbauenpark.

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