Er ist seit 15 Jahren Oberbürgermeister von Magdeburg und ein Mann, der zu seinen Überzeugungen steht. Auch wenn er dafür seine 25-jährige Beziehung mit der SPD aufkündigen musste. Dr. Lutz Trümper erzählt Inter.Vista von seiner Studentenzeit, in der viel Pfeffi floss, mit wem er nach einem Schicksalsschlag durchs Leben tanzt und wie sein Spitzname lautet.
Interview und Fotos: Sarah Simons und Kim Sichert
Nashville ist eine der vielen Partnerstädte von Magdeburg. Hören Sie selbst Country-Musik, wie zum Beispiel Johnny Cash?
Ab und zu. Ich habe vorhin meinen Schrank, in dem CDs und DVDs stehen, aufgeräumt. Da habe ich ein paar CDs mit Country-Musik gefunden, die die Kollegen aus Nashville mitgebracht haben. Zu DDR-Zeiten war Karat meine Lieblingsband, aber heute höre ich wirklich alles bunt gemischt.
Stichwort DDR: Waren Sie während der Wende schon politisch aktiv?
Die Wende, das war eine ganz spannende Zeit. Ich war bei Demonstrationen abends in Magdeburg dabei, bei den Domveranstaltungen. So bin ich Schritt für Schritt in die Politik gekommen.
Hatten Sie damals schon ein Idol, vielleicht auch ein politisches Vorbild?
Also wenn überhaupt, dann war es Helmut Schmidt, weil er immer eine gerade Linie verfolgte und seine Meinung auch gegen Widerstand durchgesetzt hat.
Sie haben Physik und Chemie studiert. Die Naturwissenschaft lebt von strikten und unumstößlichen Regeln. Was sind die strikten Regeln der Politik?
In der Demokratie, in der wir uns jetzt befinden, ist das Ziel, Mehrheiten zu organisieren. Man weiß, es gibt immer Leute, die andere Ideen haben. Die hohe Kunst ist, seine Meinung so zu präsentieren, dass die anderen meinen, sie hätten es schon immer so gewollt.
Sie sind 2015 aus der SPD ausgetreten. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie Ihr Parteibuch zurückgegeben haben?
Um es mit einem Wort zu beschreiben: Beschissen. Das war eine Aktion, die sich über zwei oder drei Tage entwickelte, wo die Meinungen innerhalb der Landespartei so verschieden waren, dass ich das aus der Situation heraus entschied. Ich hätte das unter normalen Bedingungen nicht gemacht. Die Person mit der anderen Meinung war die Spitzenkandidatin im Wahlkampf. Das war für die SPD nicht förderlich. Mir war klar, dass das, was ich gesagt habe, richtig war. Da dachte ich mir: Nein, jetzt ist gut.
Wer hat Sie in dieser Zeit unterstützt?
Privat waren es Tausende. Wenn jemand in der Politik etwas macht, das nicht typisch ist, dann sagen viele, das hat er gut gemacht. Es waren hunderte unterstützende Mails, die ich an diesem Tag bekam. Aus ganz Deutschland. Das war mir nicht so angenehm. Ich konnte sie gar nicht alle lesen. Aber das ist das Phänomen: Die Menschen glauben immer, in der Politik seien alles Verbrecher und wenn dann mal einer ausschert, ist das was Gutes.
Haben Sie schon einmal Drohbriefe erhalten?
Ja, ich habe viermal hintereinander Morddrohungen bekommen. Briefe, mit einem fetten bunten Hakenkreuz darauf. Der Schuldige konnte zum Glück von der Polizei ermittelt werden. Am Ende war es eine traurige Geschichte. Es war nämlich kein Rechter. Er wollte nur seinem Nachbarn etwas Böses und hat dessen Adresse draufgeschrieben.
Wie ernst muss man derartige Drohungen heute nehmen?
Wenn Sie sich die Welt jetzt anschauen, muss man es wahrscheinlich ernster nehmen als noch vor zwei oder drei Jahren. Durch diverse Attentate und andere grausame Sachen, die heutzutage passieren, ist die Hemmschwelle bei vielen Menschen sehr gesunken.
Gab es Situationen, in denen Sie Angst hatten?
Angst hatte ich einmal. Das ist aber jetzt schon sechs oder sieben Jahre her. Da standen abends vor meinem Haus 30 Rechtsradikale in schwarzer Montur. Die brüllten rechtsradikale Sprüche. Da war uns ein bisschen mulmig, wir haben erst einmal das Licht ausgemacht und die Polizei angerufen. Die waren nach einer Viertelstunde vor Ort. Aber die Rechtsradikalen waren so clever, dass sie mein Grundstück nicht betraten, sondern nur auf der Straße standen. Ich habe natürlich Anzeige erstattet. Nach einem halben Jahr wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft allerdings eingestellt, weil ich zwar genau sagen konnte, was gerufen wurde, aber nicht, wer von den 30 Leuten was gesagt hat. Wenn man nicht genau feststellen kann, wer was gesagt hat, dann kann das Gericht nichts machen.
Ihr Vorgänger war Dr. Wilhelm Polte. Wie würden Sie die Unterschiede zwischen Ihnen beschreiben?
Doktor Polte war für die Zeit, in der er Oberbürgermeister war, genau der Richtige. Er war euphorisch, konnte die Leute begeistern. Er ist ein paar Jahre älter als ich, war der SPD schon beigetreten in einer Zeit, als wir noch nach Westberlin reisen konnten. Und er war ein großer Fan der deutschen Einheit. Diese Euphorie hat er auch gelebt. Ich bin dagegen eher ein, wie meine Frau immer sagt, sachlicher Typ, der mit Zahlen gut umgehen kann und strukturiert an die Dinge herangeht. Ich trage Emotionalität nicht jeden Tag vor mir her.
Wo Sie gerade von ihr reden: Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
Mit meiner ersten Frau war ich 21 Jahre verheiratet, bis sie von heute auf morgen plötzlich starb. Das war ein rabiates Ereignis in meinem Leben. Meine jetzige Frau hatte eine Annonce aufgegeben, in der sie eine Begleitung für den Tanzstundenball ihrer Tochter suchte. Die Eltern tanzen auf diesen Bällen mit ihren Kindern immer den ersten Tanz und da fehlte jemand. Und so hieß es in der Annonce: Suche jemanden, der mit mir auf dem Tanzball und dann durchs Leben tanzt.
Hat Ihre Frau einen Spitznamen für Sie? Oder haben Sie überhaupt einen?
Meine Frau nennt mich zwar nicht so. Aber ich habe einen Spitznamen, der meinen Nachnamen abkürzt: Trümpi.
Geboren wurden Sie in Oschersleben, waren aber sicherlich in Ihrer Kindheit und Jugend schon oft in Magdeburg. Was ist Ihre erste Erinnerung an die Stadt?
Der Zahnarzt. Das ist ja nicht so positiv. Ich hatte damals, was mir furchtbar peinlich war, eine Zahnklammer und deshalb musste ich alle vier Wochen zum Kieferchirurgen hierher fahren. Das ist meine erste Erinnerung an Magdeburg.
»Die Kunst ist, seine Meinung so zu präsentieren, dass die anderen meinen, Sie hätten es schon immer so gewollt.«
Wie würden Sie das heutige Image von Magdeburg beschreiben?
Es gibt eine Differenz, zwischen dem, wie die Magdeburger das Image wahrnehmen und wie es überregional wahrgenommen wird. Diese wird aber zunehmend abgebaut. Magdeburg ist eine regionale Stadt. Überregional wahrgenommen wird man nur, wenn man etwas ganz Besonderes macht. So ein großes Thema gibt es vielleicht alle drei, vier, fünf Jahre. Zum Beispiel 2001 die großen Ausstellungen zu Otto I., dem Großen. Das war bundesweit in den Medien.
Wie sollte Magdeburg Ihrer Meinung nach wahrgenommen werden?
Magdeburg ist eine Stadt im Wandel. Dass in die Stadt auch wieder junge Leute kommen, das war vor zehn Jahren noch anders.
»Mir war klar, dass das, was ich gesagt habe, richtig war.«
Was ist Ihre größere Leidenschaft? FCM oder SCM?
Ich habe eine große Leidenschaft für beide. Da ich selber Handballer bin, fiebere ich etwas mehr beim SCM mit. Aber die Mehrheit der Fans ist beim Fußball und da muss ich als Politiker aufpassen. (lacht)
Welche Ecken der Stadt mögen Sie besonders?
Ich mag alles, was an der Elbe ist. Ich fahre gerne mit dem Rad im Sommer an der Elbe auf beiden Seiten entlang. Ich mag aber auch den Stadtpark und den Herrenkrug. Überall, wo man sich im Grünen gut erholen kann.
Gibt es Ecken, die Ihnen nicht so gut gefallen?
Es gibt Ecken, an denen man noch viel machen muss, aber auch die haben jetzt schon etwas Schönes.
Stichwort Wohnen: In welchem Stadtteil wohnen Sie?
Ich wohne in Alt-Olvenstedt. Ich habe da ein Haus gebaut.
Haben Sie auch einen Garten?
Ja, einen kleinen, bescheidenen, in dem wir aber kein Gemüse anbauen. Wir haben nur einen Kulturgarten. Eine richtige Erholungsoase, mit einem kleinen Swimmingpool, da kann man am Wochenende schön entspannen. Gartenarbeit mache ich wenig. Solange ich gut Geld verdiene, lasse ich die Gartenarbeit von einem Gärtner machen. Also, ab und zu sprenge ich den Rasen schon, aber das Unkraut zupfe ich eher nicht.
Wie war Ihre Studienzeit so? Waren Sie ein Partytyp oder strebsam?
(lacht) Ich war beides. Ich war fleißig und habe auch viel in der Freizeit gemacht. Den Studentenclub hatten wir gleich auf dem Gelände, Handball habe ich auch gespielt. Wir sind immer nach dem Handball in den Club gegangen und morgens erst ins Bett. So wie das halt als Student ist. (lacht) Damals wurde viel Schnaps und Bier getrunken, was heute nicht mehr so der Fall ist. Heutzutage trinkt man ja eher Wein. Bei uns gab es nur Bier und Schnaps. Und Pfeffi natürlich. Der hatte damals seine Hochzeit. Aber das war mal abends im Club. Morgens waren wir natürlich alle wieder fit und sind zur Vorlesung gegangen. (lacht)
Waren Sie auch damals schon viel am Hassel oder war der damals noch nicht so angesagt?
Nein, da war damals noch fast gar nichts los. Meistens waren wir erst in einer Kneipe in Buckau und dann sind wir weiter zum Hassel gezogen. Damals gab es nur wenige Gaststätten, die waren immer schon ausgebucht. Wenn man da nicht vorher bestellt hat, ist man nicht reingekommen.
Hatten Sie damals eine Lieblingskneipe?
Da gab es ein Weinlokal, damals hieß das Grün-Rot, ich glaube, das ist das heutige m2. Da sind wir ganz gerne mal versackt.
Sie waren immer sehr aktiv und viel unterwegs. Gibt es etwas, was Sie unbedingt noch sehen wollen?
Da gibt es eine Menge. Es gibt viele Länder, die ich noch gerne sehen will, wenn ich mal Zeit habe. Ich würde gerne mit einem Wohnmobil durch Kanada reisen.
Interview aus INTER.VISTA 2
Vista.schon?
Dr. Lutz Trümper, geboren 1955 in Oschersleben. seit 1977 lebt er in Magdeburg. Nach seiner Promotion 1984 war er bis 1992 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biochemie der Medizinischen Akademie Magdeburg tätig. 1994 trat er der SPD bei und zog für diese auch in den Stadtrat ein. 2000 war er kurzzeitig Präsident des 1.FCM bis er 2001 zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg gewählt wurde. im Oktober 2015 trat er wegen Differenzen mit der SPD-Landesvorsitzenden Katrin Budde bezüglich der Flüchtlingskrise aus der Partei aus. sein Lieblingsort in Magdeburg ist das Elbufer unterhalb des Doms. Magdeburg ist für ihn ein Ort mit großer Historie. Er beschreibt seine Stadt als weltoffen und »manchmal nicht euphorisch, aber begeistert«.
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