Musik ist ihre Leidenschaft. Dafür investiert Gina Maria Mund viel Zeit. Mit den Wohnzimmerkonzerten möchte sie die Musiklandschaft in Magdeburg ankurbeln. Im Interview erzählt sie, wie es hinter den Kulissen der Wohnzimmerkonzerte abläuft, was ihre musikalischen Highlights sind und wo die schönste Straße Magdeburgs zu finden ist. Außerdem erfahren wir, was einen guten Konzert-Gastgeber ausmacht.
Interview und Fotos: Greta Haberstroh und Jennifer Fiola
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Was macht den perfekten Ort für ein Wohnzimmerkonzert aus?
Bei einer Veranstaltung kommen in der Regel mindestens 60 Gäste und die Bands brauchen ihren Platz. Daher ist eine größere Quadratmeterzahl notwendig. Es ist gut, wenn die Wohnung nicht im achten Stock ist. Sonst müssen wir alles hochtragen, wenn es keinen Fahrstuhl gibt. Ansonsten machen vor allem nette Gastgeber die perfekte Location aus und wir dekorieren alles mit viel Liebe.
Wäre Dein Wohnzimmer für ein Konzert geeignet?
Nein. Ich wohne in einer WG und wir haben eher kleine Räume.
Welche Location war denn bisher die interessanteste?
Außergewöhnlich war eine komplett leer stehende Wohnung. Bei einer Familie mit Kindern gab es mal eine Bar im Kinderzimmer. Eine Bar im Bad hatten wir auch schon. Vor kurzem veranstalteten wir ein Konzert unabhängig von einem Wohnzimmer im Werk 4 in Buckau. Durch die 15 Meter hohen Wände ergab sich eine großartige Akustik und ein besonderes Feeling.
Wie aufwendig sind die Vorbereitungen für diese Konzerte?
Wir investieren nach Feierabend viel Zeit in die Wohnzimmerkonzerte. Wir generieren Gastgeber, buchen Künstler und kümmern uns auch um den Aufbau vor Ort. Am Veranstaltungstag sind wir den ganzen Tag beschäftigt. Meistens kommen wir um 14 Uhr zum Gastgeber und bereiten den Rest vor. Um 15 Uhr kommen die Künstler und wir machen den Soundcheck. Nach der Veranstaltung bauen wir alles ab. Das hat aber keinen negativen Beigeschmack, sondern das ist unsere Leidenschaft.
Was passiert, wenn bei der Veranstaltung was kaputt geht?
Das übernehmen wir aus unserer eigenen Tasche. Bei unseren Gastgebern ist bisher zum Glück noch nichts kaputt oder verloren gegangen. Die meisten Gäste verhalten sich so wie in ihren eigenen vier Wänden.
Holst Du Dir auch mal Einrichtungstipps aus Wohnungen, in denen die Konzerte stattfinden?
Nein. Ich schaue mir aber an, wie die Location ist und lasse mich durchaus inspirieren. Aber es kam noch nicht vor, dass ich mich mit den Gastgebern über Einrichtungstipps unterhalten habe.
Beschreib doch mal Dein Zimmer.
Sehr hell, freundlich, lichtdurchflutet und relativ groß. Die Möbel sind gemischt zwischen alt und neu. Mein Schallplattenspieler hat einen guten Platz, der versorgt das Ganze noch mit einer schönen Akustik.
Inter.Vista, Gina Maria Mund, Foto: Greta Haberstroh, Jennifer Fiola
Du hast mit Phillip Kloss in den letzten drei Jahren über 70 Veranstaltungen organisiert. Welches Wohnzimmerkonzert war das größte?
Wir gehen immer von April bis Oktober nach draußen. Das nennt sich dann Sommer-Wohnzimmer. Unsere größte Veranstaltung ist das jährliche OpenAir, das wir im Glacis-Park veranstalten. Dort sind im Durchschnitt 800 bis 1.000 Gäste.
Und das kleinste Konzert?
Das fand bei einem älteren Pärchen in einem kleinen Wohnzimmer statt. Wir waren etwa 25 Personen.
Wie ist denn das Durchschnittsalter bei Euren Gastgebern?
Ich würde sagen zwischen 18 und 40 Jahren. Unsere Zielgruppe sind größtenteils Studenten, die in WGs wohnen und junge Eltern. Manchmal haben wir auch ältere Gastgeber. Das schafft immer eine schöne Stimmung.
Lehnt Ihr auch Gastgeber ab?
Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Gelegentlich müssen wir Gastgeber auch ablehnen. Ich schätze das Engagement sehr, wenn jemand sein Wohnzimmer zur Verfügung stellt. Aber manche Räume sind zu klein oder zu verwinkelt. Andere haben Zwischenwände, da kann die Akustik schwierig sein.
Verdient Ihr als Veranstalter Geld mit Eurer Arbeit?
Alles, was wir als Team machen, ist ehrenamtlich. Die Musiker bekommen die Spenden von den Gästen. Die werden nach jedem Konzert in der Hutkasse gesammelt.
Du organisierst die Wohnzimmerkonzerte seit 2014. Was reizt Dich an dieser Aufgabe?
Was wir bisher erreicht haben, ist aus purer Leidenschaft zur Musik entstanden. Wir möchten die Konzertlandschaft hier verbessern und Künstlern eine Bühne geben. Ich sehe sehr viel Potenzial, Künstler und damit die Stadt zu fördern.
»Magdeburg ist momentan unglaublich aktiv, gerade in der Kulturszene.«
Du wirst von Deinen Kollegen als ›Sonnenschein‹ bezeichnet. Wann wirst Du zur ›Gewitterwolke‹?
Gar nicht so leicht zu sagen. Vielleicht wenn irgendwas nicht nach meinen Vorstellungen klappt. Wenn etwas dazwischen kommt oder ich noch 28 Sachen spontan besorgen muss. Das sind Dinge, die stressen können. Aber ich würde nicht sagen, dass ich dazu neige aus der Haut zu fahren. Wenn etwas nicht klappt, werde ich eher zum ›Nieselregen‹ als zur ›Gewitterwolke‹.
Und wie bewahrst Du einen kühlen Kopf in solch stressigen Situationen?
Einfach das machen, was ansteht und gucken, wie das Problem schnellstmöglich gelöst werden kann. Das klappt dann meistens im Team.
Bist Du privat mehr der organisierte Typ oder eher spontan?
Ich bin schon organisiert, manchmal aber auch schusselig. Wenn ich die Post vergessen habe, muss ich die halt morgen mitnehmen. Ich gebe den Dingen auch ihren Freiraum, denn zu strikte Pläne engen auf vielen Ebenen nur ein.
Welche Musik hörst Du gern?
Ich mag Soul, Funk, HipHop, Rockmusik oder auch Jazz. Das kann ich schwer einem bestimmten Genre zuordnen. Bands die mich begleiten sind zum Beispiel The National und Joy Division.
Kannst Du schätzen, wie viele Konzerte Du schon gesehen hast?
Nein. Ich war auf unzähligen Veranstaltungen. Ob bei Brothers of Santa Claus, AnnenMayKantereit oder bei Joy Wellboy. Durch meine vorherige Arbeit bei Universal Music in Berlin war ich mindestens alle zwei Tage auf verschiedenen Konzerten.
Inwiefern helfen Dir diese Erfahrungen bei der Organisation der Wohnzimmerkonzerte?
Die Zeit hat mich stark geprägt und mir in der Musikbranche ganz andere Weiten und Möglichkeiten aufgezeigt. Ich konnte mir ein gutes Netzwerk und Wissen aufbauen, das mir durchaus weiterhilft bei der Organisation der Wohnzimmerkonzerte.
Was magst Du lieber? Konzert im Wohnzimmer oder in einer Halle?
Das kommt auf den Künstler an. Eine Rockband macht sich in einer Halle besser. Andere passen eher in ein Wohnzimmer.
Was ist mit OpenAirs? Jetzt ist ja wieder Festivalsaison.
Drei bis vier Festivals sind eingeplant dieses Jahr. Ich bin beim 3000 Grad Festival und am Wochenende fliege ich nach London zum Field Day. Das ist ein Festival im Victoria Park.
Spielst Du auch ein Instrument?
Ja, Gitarre. Wie gut, darüber lässt sich streiten. (lacht)
»Die Möglichkeit, dass wir reisen können, sollten wir nutzen.«
Warst Du schon mal auf einem Wohnzimmerkonzert in einer anderen Stadt?
Leider nicht. Es gibt auch SofaConcerts, die würden mich sehr interessieren.
Auf der FacebookSeite des Musikkombinats ist ein Zitat von Dir veröffentlicht: »Damit ich nie wieder hören muss, in Magdeburg sei nichts los«. Dominiert die Techno- und Electroszene Magdeburg oder hat es mehr Potenzial?
Magdeburg ist momentan unglaublich aktiv, gerade in der Kulturszene. Viele Menschen engagieren sich, damit mehr Kultur und Livemusik in Magdeburg entsteht. Vorrangig Buckau entwickelt sich gerade zu einem lebendigen Stadtteil, in dem sehr viel kreativer Input stattfindet. Ich würde nicht sagen, dass Magdeburg eine Techno- und Electro-Stadt ist. Hier passiert viel mehr. Es ist auf jeden Fall eine Stadt mit großem Potenzial.
Du bist viel in Magdeburg unterwegs. Wo ist die schönste Straße und Dein Lieblingsort?
Die schönste Straße ist die Basedowstraße in Buckau, weil dort noch viele Fachwerkhäuser stehen. Mein Lieblingsort ist gerade im Sommer die Datsche. Dort verbringen mein Team und ich sehr viel Zeit.
Ist Buckau das neue In-Viertel?
Viele ziehen nach Buckau und Stadtfeld, weil es dort jung, modern und dynamisch ist.
Wenn Du dich entscheiden musst, Stadtpark oder Nordpark?
Ich mag den Nordpark lieber.
Du bist Magdeburgerin. Wie würdest Du die Magdeburger charakterisieren?
Den typischen Magdeburger muss man erst mal knacken. Aber sobald man eine gemeinsame Basis hat, können die Menschen sehr herzlich sein.
Magdeburg hat nicht immer das beste Image. Was hältst Du davon?
Die Stadt ist mit vielen Vorurteilen behaftet, aber ich habe ein sehr gutes Bild von ihr. Ich erlebe oft, dass Besucher aus anderen Städten es sich anders vorgestellt haben, als es wirklich ist.
Von Magdeburg in die Ferne. Auf deiner Facebook Seite sieht man als Profilbild zwei Rucksäcke auf einem kleinen Boot. Auf Instagram finden wir viele Bilder von Indonesien. Du reist gern?
Ja, gern und viel, um verschiedene Kulturkreise kennenzulernen. In Indonesien war ich drei Monate unterwegs. Die Möglichkeit, dass wir reisen können, sollten wir nutzen. Anderen Kulturen bleibt das leider oft verwehrt.
Inter.Vista, Gina Maria Mund, Foto: Greta Haberstroh, Jennifer Fiola
Wo möchtest Du noch unbedingt hin?
Lateinamerika, Neuseeland und Teile von Afrika würden mich interessieren. Am liebsten überallhin.
Dann auch als Backpacker oder mithilfe von Couchsurfing?
Couchsurfing oder Airbnb ziehe ich in Erwägung, wenn ich länger auf Reisen bin, um Kosten zu sparen. Wenn ich Urlaub mache und nur zwei Wochen dafür Zeit habe, dann gebe ich für die Unterkunft auch schon mehr Geld aus. Die Idee der Wohnzimmerkonzerte kam unter anderem durch Couchsurfing.
Würdest Du Deine Couch anbieten?
Auf jeden Fall, das ist eine schöne Sache. Couchsurfer bringen immer interessante Geschichten mit.
Wie läuft das bei den Wohnzimmerkonzerten mit Essen und Trinken? Mitbringen oder stellt Ihr das?
Essen und Trinken für die Künstler und die Crew stellen wir. Wenn die Gäste sich etwas mitbringen wollen, können sie das gerne machen. Ansonsten werden auch Getränke von uns angeboten.
Wie sieht es bei Dir aus: lieber Chips oder Schokolade?
Wenn, dann Schokolade.
Vor jeder Tournee geben die Toten Hosen ›Wohnzimmerkonzerte‹. Sie sind sozusagen die Vorreiter. Habt Ihr sie schon mal angefragt?
Nein, haben wir noch nicht. Aber vielleicht kommen sie irgendwann auf uns zu, wenn sie mal Lust haben, in der Region zu spielen.
Wenn Du Dir einen Künstler für ein Wohnzimmerkonzert aussuchen könntest, welcher wäre das?
RY X ist wirklich ein Künstler, der mich sehr stark inspiriert. Alles was er als Musiker produziert, ist überlegt, strukturiert und hat einen hohen Anspruch. Ich habe seine Bookingagentur schon mal aus Spaß angefragt, aber da kam noch nichts zurück.
»Was wir bisher erreicht haben, ist aus purer Leidenschaft zur Musik entstanden.«
Wo seht Ihr Euch mit den Wohnzimmerkonzerten in fünf Jahren?
Wir sind momentan mit allem zufrieden. Daher habe ich jetzt keinen ›Fünfjahresplan‹. Wenn das so gut weiterläuft, wird das einen positiven Effekt haben. Wir haben nicht unbedingt das Ziel, etwas ganz Großes zu werden. Ich hoffe, dass wir ein gutes Booking haben, mit neuen Gastgebern zusammenarbeiten können und weiterhin so ein großartiges Team bleiben.
Dieses Jahr eröffnet Ikea in Magdeburg. Wirst Du vor Ort sein?
Nicht gleich am ersten Tag, das wird bestimmt zu voll. Ich lasse mir Zeit und gehe ganz in Ruhe dort hin.
Juni 2017
Interview aus INTER.VISTA 4
Vista.Schon?
Gina Maria Mund ist 1989 in Magdeburg geboren. Nach ihrem betriebswirtschaftlichen Studium hat sie im Vertrieb von Universal Music in Berlin gearbeitet. Seit 2014 kümmert sich Gina Mund beim Musikkombinat um die Öffentlichkeitsarbeit und organisiert mit einem zwanzigköpfigen Team die Wohnzimmerkonzerte in Magdeburg. Hauptberuflich ist sie seit 2016 Leiterin für Strategie beim Architekturbüro META architektur in Magdeburg. Ihr Lieblingsort in der Stadt ist die Datsche in Buckau. Magdeburg ist für sie freundschaftlich, familiär und im Wandel.
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